Essen. Die Koerfer-Gruppe hat 85 Millionen Euro in den Umbau des alten Kaufhofs investiert. Neue Ladenpassage ist bei Teil-Eröffnung brechend voll.

Um kurz vor zehn stehen sie Schlange auf dem neu gepflasterten Willy-Brandt-Platz. Mehr als Hundert Neugierige warten darauf, dass sich das Rollgitter des Pavillons endlich hebt. Dann ist es soweit: Das kauflustige Publikum stürmt das neu eröffnete Königshof-Basement im Untergeschoss. Der Kundenstrom verteilt sich – wie zu erwarten war – auf die beiden größten Geschäfte: rechts der Aldi-Markt, links der türkische Supermarkt Erdemli.

Vor dem Pavillon auf dem Willy-Brandt-Platz hat sich am Donnerstagmorgen eine lange Schlange gebildet. . .
Vor dem Pavillon auf dem Willy-Brandt-Platz hat sich am Donnerstagmorgen eine lange Schlange gebildet. . . © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich
. . . kurz darauf eilt die neugierige Premieren-Kundschaft die Treppen  des Pavillons hinunter zur Ladenpassage.
. . . kurz darauf eilt die neugierige Premieren-Kundschaft die Treppen des Pavillons hinunter zur Ladenpassage. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Nach bald vier Jahren Bauzeit präsentiert sich das völlig umgebaute Untergeschoss in neuem Glanz. Der legt sich auch auf die Gesichter der Koerfer-Leute, je mehr die Kundenströme zunehmen. Die Koerfer GmbH mit Sitz in Köln ist seit Jahrzehnten Besitzerin dieser Immobilie wie übrigens auch des Deutschland-Hauses und des Holle-Centers. Im nächsten Frühjahr wollen sie die Markthalle im Erdgeschoss eröffnen.

„Das ist ein schöner Tag für Essen und ein wichtiger Tag für Koerfer.““

Daniel und Peter Koerfer
Die Brüder sind Gesellschafter der Koerfer-Gruppe, der die Königshof-Immobilie gehört

Der Immobilienbesitzer hat 85 Millionen Euro in die Ertüchtigung des alten Kaufhofs gesteckt

Aldi empfängt seine Kunden mit kleinen Überraschungen und Geschenken.
Aldi empfängt seine Kunden mit kleinen Überraschungen und Geschenken. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Nicht nur die Mitglieder der Geschäftsleitung sind vor Ort, sondern auch die Gesellschafter: Prof. Dr. Daniel Koerfer, der Sprecher der Gesellschafter, und sein Drillingsbruder Dr. Peter Koerfer. „Das ist ein schöner Tag für Essen und ein wichtiger Tag für Koerfer“, sagen sie mit einer Mischung aus Stolz und Erleichterung.

Stolz sind sie auf die enorme Summe, die in die Ertüchtigung des alten Kaufhofs geflossen ist. Es sind 85 Millionen Euro, weitaus mehr als ursprünglich geplant. Erleichterung macht sich breit, weil das Kalkül des Managements aufgegangen ist. Koerfer-Manager Oliver Berief weist darauf hin, dass noch kein einziger Mietvertrag abgeschlossen war, als der erste Handschlag auf der Großbaustelle getan wurde. Erst im Laufe der fast vierjährigen Bauphase habe man die Mieter ins Basement geholt.

Der türkische Supermarkt Erdemli setzt auf seine große Frische- und Feinkostabteilung. Die Resonanz ist groß.
Der türkische Supermarkt Erdemli setzt auf seine große Frische- und Feinkostabteilung. Die Resonanz ist groß. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich
Erdemli expandiert. Es gibt bereits vier Supermärkte im Ruhrgebiet, Essen ist die Nummer fünf.
Erdemli expandiert. Es gibt bereits vier Supermärkte im Ruhrgebiet, Essen ist die Nummer fünf. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Als der Umbau beginnt, ist noch kein einziger Mietvertrag abgeschlossen

Enorm seien zudem die baulichen Herausforderungen gewesen. Dazu zählen der Abriss des alten Posttunnels, eines Kolosses aus Beton und Stahl, sowie die markante Rundung zur Lindenallee hin: eine architektonische Besonderheit, die bereits das alte Defaka-Warenhaus aufwies. Nicht zu vergessen die zwischenzeitlich steigenden Zinsen und die explodierenden Baukosten. Lauter Herausforderungen, die gemeistert wurden. Ab heute soll die Ernte eingefahren werden.

Dennoch werfen die gut gelaunten Koerfer-Leute an diesem Morgen kurz den Blick zurück. Der Umbau des alten Kaufhof-Warenhauses sei unmittelbare Folge des dramatischen Niedergangs des Karstadt-Kaufhof-Konzerns gewesen, der sich damals im Besitz des inzwischen ebenfalls krachend gescheiterten österreichischen Immobilien-Unternehmers René Benko befand. „Wir sind ein Benko-Opfer“, sagt Daniel Koerfer unmissverständlich.

„Wir sind ein Benko-Opfer.““

Daniel Koerfer

An den Kassen von Aldi und Erdemli bilden sich lange Schlangen

Der Einzelhandel sieht im neuen Königshof ein kräftiges Signal für die Essener Innenstadt.
Der Einzelhandel sieht im neuen Königshof ein kräftiges Signal für die Essener Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Aus seinen Worten hört man deutlich heraus, wie tief der Stachel der Kränkung immer noch sitzt. Denn in den Jahrzehnten zuvor hatten stets enge Bande zwischen den Familien Koerfer und dem Kaufhof-Gründer Horten bestanden, dementsprechend solide und verlässlich waren die geschäftlichen Beziehungen sowie die auf Augenhöhe ausgehandelten Mietverträge.

Dann die jähe Zäsur unter Benko

Anstatt die nach der Insolvenz aufgegebene Kaufhof-Filiale bei der Schlüsselübergabe besenrein zu hinterlassen, fanden die Koerfer-Leute ihr Haus wie fluchtartig verlassen vor: mit lauter Regalen, Theken, Kassen, Lampen und Müll. Aus Verärgerung über diese Respektlosigkeit kippten die Koerfer-Leute einen Lkw voller Schaufensterpuppen vor die Karstadt-Zentrale in der Theodor-Althoff-Straße. „Die Benko-Leute haben uns damals gelinkt“, sagt Daniel Koerfer.

Doch an diesem wuseligen Tag der Teil-Eröffnung des Königshofes richtet sich sein Blick schnell wieder nach vorn. Die Schlangen an den Kassen von Aldi und Erdemli reißen nicht ab, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen im Basement. Der Barber-Shop „Barberesso“ ist dabei zu öffnen, das „Basic Fit“ hat bereits geöffnet. Der Kiosk werde Anfang nächster Woche nachziehen, ebenso der Bäcker „Mr. Baker“. Somit ist vorerst nur noch ein einziges Ladenlokal nahe der Passerelle nicht vermietet. „Aber wir sind in guten Verhandlungen mit einem koreanischen Supermarkt-Konzept“, fügt Manager Michael Gluth hinzu.

„Das sind Signale, die wir in Essen brauchen.““

Marc Heistermann
Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Ruhr

Die Geschäfte im Basement wollen vom Hauptbahnhof profitieren

Es ist ein Optimismus, der ansteckt. Marc Heistermann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Ruhr, sieht in der Millionen-Investition der Koerfer-Gruppe ein kräftiges Bekenntnis zur Essener Innenstadt: „Das sind Signale, die wir in Essen brauchen – anderswo wird angekündigt, hier wird gehandelt.“

Einzelhandel braucht Frequenz. Und die scheint im Königshof-Basement vorhanden zu sein. Die Nähe zum Essener Hauptbahnhof, einer der größten Verkehrsknotenpunkte der Republik, macht‘s möglich. Deshalb hat Aldi viel länger geöffnet als anderswo: montags bis samstags von 6 bis 22 Uhr sowie sonntags von 9 bis 20 Uhr. Auch an Feiertagen werde der Königshof-Aldi für die Kundschaft da sein, betont Aldi-Verkaufsleiter Marc Daniel.

Das Sortiment entspricht weitgehend dem eines Standard-Aldi. Doch hier setzen sie andere Akzente, zum Beispiel bei Convenience-Produkten. Pendler, die ihren Arbeitsplatz in der Essener Innenstadt haben, können sich bequem einen Snack für die Mittagspause besorgen oder rasch fürs Abendessen einkaufen. Bezahlt wird an speziellen Schnellkassen.

Als Ergänzung zum Discounter und keinesfalls als Konkurrenz sieht sich der türkische Supermarkt Erdemli direkt gegenüber. Unternehmensgründer Fevzi Erdemli (55) betreibt mit seinen beiden Brüdern bereits vier Supermärkte im Ruhrgebiet: jeweils einen in Dortmund und Bergkamen sowie zwei in Hamm. Nun die Nummer fünf in Essen. Hinzu komme der Großhandel für Feinkost. „Wir beliefern uns selbst.“ Der Markt in Dortmund sei mit 1850 Quadratmeter Verkaufsfläche der größte türkische Supermarkt in Deutschland. 250 Menschen beschäftigen die Erdemlis, darunter auch Auszubildende.

Der türkische Supermarkt Erdemli zieht auch viele deutschstämmige Kunden an. Damit diese sich nicht fremd fühlen, gibt‘s im Markt keine türkische Musik.
Der türkische Supermarkt Erdemli zieht auch viele deutschstämmige Kunden an. Damit diese sich nicht fremd fühlen, gibt‘s im Markt keine türkische Musik. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

„Wir verzichten auf türkische Musik im Markt, damit sich die deutschstämmige Kundschaft nicht fremd fühlt.““

Fevzi Erdemli
Inhaber und Gründer der gleichnamigen türkischen Supermarkt-Kette

Der Frischebereich mit Gemüse, Obst, Fleisch und Molkereiprodukten macht den Großteil des Erdemli-Sortiments aus. Hinzu kommen türkische Produkte und Konserven bis hin zu türkischem Mineralwasser – alles zu möglichst niedrigen Preisen.

40 Prozent der Kundschaft sei türkisch und unter den anderen 60 Prozent seien Migranten, aber auch viele Deutsche. Eine Vielfalt, auf die Rücksicht genommen werde. So verzichten sie im Erdemli-Markt ausdrücklich auf die Berieselung mit türkischer Musik. „Damit sich die deutschstämmige Kundschaft nicht fremd fühlt“, betont Fevzi Erdemli.

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