Essen. Kinder turnen auf Mauern, Trainings-Ausfall, Aufnahmestopp: Die MTG Horst improvisiert und leidet unter den Schließungen. Vierte Halle ist dicht.

Fast 4000 Mitglieder hat die MTG Horst, doch für manche findet derzeit kein Training statt, andere improvisieren oder fahren bis in die Nachbarstadt: Mangelnde Hallenzeiten sind ein Dauerthema. Als jetzt die vierte Sporthalle für den Verein gesperrt wurde, war nicht nur für Geschäftsführer Eiko Rümker das Limit erreicht. Silke Lindken ist die Abteilungsleiterin Turnen und nun fassungslos – „jetzt bricht alles zusammen“.

Erst waren vor allem die Handballer jahrelang gebeutelt, weil die Halle am Gymnasium Wolfskuhle geschlossen war. Kaum wurde diese 2021 freigegeben, waren schon die Doppelhallen an der Helene-Lange-Schule und an der Erich-Kästner-Gesamtschule dicht. Schon da hätten sie gedacht, nichts geht mehr, schoben die Gruppen ohnehin bereits hin und her, rückten zusammen, tauschten ständig Hallenzeiten mit anderen Vereinen, baten etwa die Fußballer vom TC Freisenbruch, ihnen im Sommer beispielsweise die Halle im Bergmannsfeld zu überlassen, nennt Eiko Rümker nur einige ihrer Behelfs-Maßnahmen. Die treffen den Breitensport wie den Leistungsbereich.

Schon seit einigen Jahren gibt es bei der MTG Horst in einigen Bereichen einen Aufnahmestopp

Zu den Folgen gehört auch, dass sie in bestimmten Abteilungen wie etwa bei Eltern-Kind-Angeboten oder im Fußball (Breitensport) keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen können. Seit drei Jahren gibt es Aufnahmestopps. Die Improvisationskunst mit Blick auf den Hallenmangel begleitet die Sportler schon viel länger. Betroffen sind fast alle Abteilungen. Einige Sportler weichen nach Bochum aus („ein großes Vergnügen bei gesperrter A 40“), jüngere Mitglieder aber könne man eben nicht einfach nach Borbeck schicken, wenn sie sonst zu Fuß in die derzeit ebenfalls geschlossene Halle nach Eiberg kommen.

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Jetzt kommt noch als vierte Sportstätte die Hellweg-Halle hinzu: Die bleibt ab sofort bis auf Weiteres gesperrt, weil bei einem Wasserrohrbruch Wasser unter den Boden gelaufen ist, teilt die Stadt mit. Bei der MTG Horst bleiben indes nicht nur Eiko Rümker und Silke Lindken erschüttert sowie fassungslos zurück. Sie haben es per Mail erfahren. Es sind Nachrichten von der Stadt, die Silke Lindken mehr als ungern öffnet. Stehe ein Hallenname im Betreff, heiße das meistens nichts Gutes, hat die Leiterin der Turnabteilung gelernt, die auch in der Geschäftsstelle ihres Vereins arbeitet. „Wenn es dann nur um eine einwöchige Schließung geht, bin ich regelrecht erleichtert.“

Noch ist die Sporthalle in Essen-Eiberg eingerüstet, die Arbeiten finden innen und außen statt.
Noch ist die Sporthalle in Essen-Eiberg eingerüstet, die Arbeiten finden innen und außen statt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Diese Erleichterung gibt es jetzt aber bei der Hellweg-Halle nicht, die Dauer der Schließung ist ungewiss. „Das erschüttert die Turn- und Basketballabteilung bis ins Mark“, formuliert Silke Lindken in ihrem Schreiben, das der Verein auf seiner Homepage und in der Vereinszeitung veröffentlicht hat. Die Basketballer hätten bereits im Februar ihren Spielbetrieb aus der Hellweg-Halle verlegen müssen, da dort eine Geräteraum-Sicherung eingebaut wurde, die einen Spielbetrieb unmöglich machte. Da konnte das Training aber noch angeboten werden: „Nun fallen jedoch drei Trainingseinheiten durch die Schließung komplett aus.“

Für die Turnabteilung ist es noch schlimmer, da die Hellweg-Halle bereits seit April 2022 die Ersatzhalle für die geschlossene Eiberghalle gewesen ist. Die ist derzeit eine Baustelle, sie stand regulär auf dem Sanierungsplan der Stadt. Für die Turner der MTG Horst entfiel damit allerdings ihre Haupthalle.

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„Lediglich eine Trainingseinheit in der Turnhalle Neuholland kann aufrechterhalten werden, dort stehen aber die notwendigen Geräte nicht zur Verfügung“, sagt die Leiterin. Kein Reck, kein Stufenbarren, kein Schwebebalken, kein Sprungtisch und insgesamt zu wenig Platz. Die Turner sind dann samt ihrer Geräte umgezogen, haben sogar einen weiteren Balken angeschafft, den sie mit seinen 40 Kilogramm Gewicht auf einem Rollbrett transportiert haben.

Dennoch fallen weiterhin Gruppenstunden aus oder Kinder turnen draußen auf Mauern statt auf Schwebebalken. Die Anfragen bei der Stadt nach Ersatzzeiten in weiteren Hallen liefen. Über die Jahre seien 134 Hallenstunden weggefallen, allein in Eiberg seien es 42 Stunden, fasst Eiko Rümker zusammen. Als Ersatz hätten sie lediglich 51 Stunden in anderen Sportstätten erhalten.

„Selbst, wenn wir alle noch weiter zusammenrücken, gibt es im Einzugsgebiet aber keine einzige Turnhalle mehr, in der Gerätturnen stattfinden könnte – mangels Geräte-/Hallenausstattung oder Platz für Geräte im Geräteraum“, erklärt Silke Lindken die Situation.

Die Eiberghalle ist die Haupthalle der Turner bei der MTG Horst in Essen.
Die Eiberghalle ist die Haupthalle der Turner bei der MTG Horst in Essen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Ob Eiberg-Halle oder Helene-Lange-Halle, die Lage sei nicht besser: Die Sanierung sollte im Herbst 2023 abgeschlossen sein, dann Ende 2023. Schließlich hörten sie von April 2024, zuletzt sollte es im Sommer so weit sein. Die Sportstätte an der Helene-Lange-Schule soll nun im September geöffnet werden, für die Eiberghalle haben sie keine offizielle Meldung über eine weitere Verzögerung erhalten – der Sommer sei allerdings fast vorbei. Eiko Rümker und Silke Lindken stehen vor der Halle in Eiberg, der Zustand sei ernüchternd: Es ist eine Großbaustelle, auf der sie nur wenige Bauarbeiter antreffen.

Wie es in den Hallen weitergeht, das wissen die Essener Vereinsmitglieder nicht

„Bei der Doppelhalle der Erich-Kästner-Gesamtschule gibt es keinen Ausblick auf Wiedereröffnung, da nicht mal die Sanierung in Planung sei“, beschreibt die Abteilungsleiterin entmutigt. Wie es am Hellweg weitergeht, das wissen sie auch nicht. Hätten sie einen Wunsch, würden sie laut rufen: „Fertigwerden!“ Die Situation im Essener Osten mit seinen dicht besiedelten Stadtteilen wie Freisenbruch oder Horst, mit den Vierteln Bergmannsfeld sowie dem Hörsterfeld und den vielen Familien, die dort leben, sei nicht hinnehmbar.

„Man müsste doch die Kräfte bündeln, um hier in der Oststadt bei den Hallen endlich spürbar voranzukommen“, glaubt der Geschäftsführer. Es müsse doch jemanden geben, der die Arbeiten vorantreibt. Bei der MTG Horst jedenfalls ist die Grenze erreicht, mit ihren zahllosen Alternativen und ihrem ewigen Ringtausch kommen sie nicht mehr weiter und fühlen sich allein gelassen. Dabei ist es ihr großer Herzenswunsch, Sport anzubieten. Jetzt aber wissen sie nicht mehr weiter, sagt auch Silke Lindken: „Mehr Sport in den Schulen, Kinder wieder in Bewegung bringen“, höre sie immer wieder und antwortet: „Ja! Das würden wir gerne. Ohne Sportstätten können wir das nur leider nicht umsetzen.“

Stand der Sanierung der Turnhallen

Die Doppelturnhalle der Erich-Kästner-Gesamtschule ist seit 2021 wegen des fehlenden Prallschutzes und Defekten am Sportboden gesperrt. Untersuchungen ergaben laut Stadt, dass weitere, gravierende Sicherheitsmängel vorliegen. Ursprünglich wurde die Halle wegen eines defekten Bodens an verschiedenen Stellen gesperrt. Wurden zuvor immer wieder punktuell ausgebessert, um Sperrungen zu vermeiden, sei das jetzt nicht mehr möglich gewesen. Im Laufe der Zeit wurden die Schäden gravierender und so zur Unfallgefahr. „Die Betriebssicherheit war nicht mehr gegeben, sodass die Halle gesperrt werden musste“, sagt Stadtsprecher Burkhard Leise. Weitere Untersuchungen hätten dann gezeigt, dass zuvor nicht sichtbare Feuchteschäden so arg waren, dass eine Teilsanierung ausgeschlossen worden sei.

Bevor nun die Sanierungsmaßnahmen durchführt werden, soll die Halle mit allen Nutzungsbereichen betrachtet werden. Duschen, Heizung, Gebäudehülle, technische Anlagen, Sporteinbaugeräte etc. sind bereits untersucht worden - soll es eine Generalsanierung werden. Diese sei bereits auf der Gesamtmaßnahmenliste der Immobilienwirtschaft gelistet und habe Priorität. Erfolgen sollen die Arbeiten über das Turnhallensanierungsprogramm als Bestandteil des kommenden Sanierungspaketes. „Bis zum Ende des Jahres sollen in Absprache mit der ausführenden Grundstücksverwaltung Essen, GVE, die Planungen zum zeitlichen und baulichen Verlauf aufgenommen werden“, kündigt Leise an.  

Seit März 2022 wird auch die Halle am Sachsenring (Eiberg) saniert, seitdem miete die Stadt Ersatzzeiten beim WTC Sports Wattenscheid für die Schule an. Andere städtische Sportstätten konnten nicht zur Verfügung gestellt werden, da weitere Turnhallen-Sanierungen im Umfeld der Schule durchgeführt werden (zwei Turnhallen der Helene-Lange-Realschule, Turnhalle der Montessorischule am Lönsberg). Seit August 2022 kann die Schule weitere Kapazitäten in der Sporthalle der ehemaligen Gesamtschule Süd, Frankenstr. 200, nutzen. So könne zumindest der Schulsport für alle Klassen zwei- statt dreistündig durchgeführt werden.

Im Sommer 2021 wurden zudem den betroffenen Vereinen (u.a. Märkische Turngemeinde Horst 1881 e.V. als Hauptnutzer) bei angemeldetem Bedarf entsprechende Ersatzzeiten zur Verfügung gestellt. Alle gemeldeten Bedarfe an Ersatzzeiten wurden laut Stadt gedeckt. Das sei der Stand heute: Weitere Ersatzzeiten im Zusammenhang mit der Sanierung der Erich-Kästner-Gesamtschule seien nicht mehr angefragt worden. In Absprache mit der ausführenden Grundstücksverwaltung Essen GVE sollen die Arbeiten in der Halle voraussichtlich im Laufe des Novembers fertig sein. Die Trockenbau- und Fliesen-Arbeiten seien fast abgeschlossen. Im Anschluss müssen noch die Fassaden- und Malerarbeiten sowie die Arbeiten am Sportboden beendet werden.

Die Fertigstellung der Turnhalle Helene-Lange-Schule soll in Absprache mit der ausführenden Grundstücksverwaltung Essen GVE voraussichtlich Ende 2024 erfolgen. Die Fassadenarbeiten seien fast beendet, es folgten noch Trockenbauarbeiten, die technische Gebäudeausrüstung sowie Fliesen- und Malerarbeiten. 

In der Turnhalle der Schule am Hellweg läuft aktuell die genaue Schadensermittlung: Die Verwaltung prüfe zudem, die Bereitstellung von Personal- und Finanzressourcen.

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