Essen. Andreas Stüve richtet sich mit einer Botschaft an syrische und libanesische Clans. Hat ein Friedensrichter für Ruhe gesorgt? Polizei ermittelt.
Nach den Clan-Tumulten am Wochenende in der Essener Innenstadt hat Polizeipräsident Andreas Stüve am Montag eine unmissverständliche Botschaft in Richtung der syrischen und libanesischen Lager formuliert: „Den rivalisierenden Gruppen möchte ich klar und deutlich ankündigen, dass die Polizei keine Form von Selbstjustiz in unserer Stadt duldet. Wir haben viele Personalien von beteiligten Personen festgestellt und werden auch kleinste Verstöße konsequent verfolgen.“
Der Bevölkerung versprach der Behördenleiter, „dass sich die Polizei auch in den nächsten Tagen so aufgestellt hat, dass sie ähnlichen Sachverhalten entschlossen begegnen kann“. Dieser Satz soll beruhigen, ist aber beunruhigend zugleich. Denn er bedeutet nichts anderes als: Auch wenn nach dem Gewaltausbruch in der Nacht vom 16. auf den 17. Juni erst einmal Ruhe eingekehrt zu sein scheint, kann die Polizei weitere Gewaltexzesse offenbar nicht ausschließen.
Dutzende hochwertige Autos mit ausländischen Kennzeichen
Die Ermittler prüfen, ob mutmaßlich ein Friedensrichter inzwischen Einfluss auf die Gemengelage hatte, mit dem sich nach Informationen dieser Zeitung zumindest die libanesische Seite am Sonntag in einer Altenessener Moschee getroffen haben könnte. Polizeisprecher Pascal Pettinato bestätigte, dass Einsatzkräften Dutzende hochwertige Autos auch mit auswärtigen Kennzeichen vor dem islamischen Zentrum aufgefallen seien.
150 bis 200 Männer sollen an dem Treffen teilgenommen haben. „Was sie besprochen haben, wissen wir nicht“, sagte Pettinato – und auf die Frage, warum die Polizei eine Zusammenkunft, die das Rechtssystem möglicherweise untergräbt und als eine Form der Selbstjustiz im Namen des Glaubens gilt, nicht beendet hat: Eine Moschee zu stürmen sei „schwierig, wenn nur ein vager Verdacht vorliegt“. Gleichzeitig machte der Polizeisprecher aber auch deutlich: Sollte es eine wie auch immer geartete Friedensrichter-Runde gegeben haben, „hat das keinen Einfluss auf die Ermittlungsverfahren“.
Die Personalien von über 100 Personen aufgenommen
Und von denen dürfte es inzwischen einige Dutzend geben. Alleine nach dem Angriff auf ein syrisches Café und ein Restaurant am Salzmarkt in der Innenstadt, in dem sich mehrere Familien friedlich mit ihren Kindern aufhielten, seien die Personalien von über 100 Personen aufgenommen worden. Um Beteiligte identifizieren zu können, haben Beamte die Szenerie gefilmt, bei der Tische und Stühle durch die Luft flogen, Scheiben barsten und Gäste der Gastronomien in Panik auf die andere Seite des Platzes zu flüchten versuchten.
Weiterhin hofft die mit den Ermittlungen betraute „BAO Clan“ auf weitere Videos, die die Straftaten dokumentieren, als auch auf Hinweise von Zeugen. Wie viele davon mit welcher Aussagekraft bis zum Montag eingegangen sind, konnte Pettinato noch nicht sagen.
Mittlerweile spricht die Behörde von drei leicht verletzten Polizisten, die bei dem Einsatz unweit des Kennedyplatzes mit Reizgas besprüht worden seien. Zudem habe eine Person eine Kopfplatzwunde erlitten. Weitere Verletzte aus der Nacht sind den Ermittlern nicht bekannt. Gut möglich aber, dass sie einen Arzt ihres Vertrauens aufgesucht haben, ohne Strafanzeige zu stellen. „Die sprechen nicht mit uns“, sagt Pascal Pettinato.
15 Messer auf einem Haufen in Gebüsch entdeckt
Während der Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen der Beteiligten seien zahlreiche Messer, Latten mit Nägeln, Baseballschläger und andere Schlagwerkzeuge sichergestellt worden. In einem Gebüsch in der Nähe fanden die Beamten 15 Messer auf einem Haufen, die dort offensichtlich versteckt worden seien.
Dass auch eine Maschinenpistole beschlagnahmt worden sein soll, konnte der Polizeisprecher nicht bestätigen. Wohl aber, dass einer der Beteiligten auf dem Salzmarkt eine Pistole durchgeladen haben soll, sie in den Hosenbund steckte und flüchtete. Um was für eine Waffe es sich handelte, eine scharfe oder eine Schreckschusspistole, ist deshalb genauso unklar wie der Auslöser für die gewalttätigen Zusammenrottungen.
In den nächsten Tagen wird die Polizei das machen, was seit Samstag bereits geübte Praxis in der City und ihren Anrainervierteln ist: Rund um die Uhr verstärkt Präsenz zeigen und größere Gruppen konsequent ansprechen und kontrollieren, kündigte Pettinato an.
Sein Chef, Polizeipräsident Andreas Stüve, appellierte am Montag an die Bevölkerung: „Bitte melden Sie sich umgehend bei der Polizei, wenn sich plötzlich Personen oder Gruppen zusammenrotten und Sie eine emotional aufgebrachte Stimmung wahrnehmen.“