Essen-Rüttenscheid. Barrierefrei soll die Station Florastraße in Rüttenscheid sein. Die Ruhrbahn baute die Haltestelle um. Alle Probleme sind damit nicht gelöst.
Bis Ende des Jahres 2023 will die Ruhrbahn ihren Tramverkehr in Essen komplett auf Niederflurwagen umstellen. Im Zuge dessen werden auch die Haltestellen nach und nach umgebaut, um den Fahrgästen einen bequemen Einstieg ohne Stufen zu ermöglichen. An der Florastraße in Rüttenscheid ist dies bereits geschehen, doch komplett barrierefrei ist die Station dennoch nicht.
Gerd Stertzenbach (88) ist trotz seines hohen Alters sehr mobil. Der Senior fährt noch immer mit dem Auto, lässt dies aber immer häufiger stehen, um Bahn und Bus zu nutzen. „Mittlerweile tanke ich maximal alle zwei Monate“, sagt er. Die Baustelle an der Florastraße habe er von Beginn an verfolgt. Auch an das große Bauschild mit dem Versprechen, Barrierefreiheit zu schaffen, kann er sich gut erinnern.
Haltestelle Florastraße in Essen-Rüttenscheid war anderthalb Monate lang gesperrt
Seit die Station nach anderthalb Monaten Bauzeit Ende Oktober wieder freigegeben wurde, ist davon allerdings nur bedingt etwas zu merken. Zwar wurden die Bordsteine an der unterirdischen Station abgesenkt, so dass nun die Niederflurwagen dort regelmäßig verkehren können, allerdings haben beispielsweise Rollstuhlfahrer, die besonders auf Barrierefreiheit angewiesen sind, keine Chance, den Bahnsteig überhaupt zu erreichen.
„Zu den Gleisen führen weiterhin nur Treppen und jeweils zwei enge und sehr steile Rolltreppen pro Fahrtrichtung“, wundert sich Gerd Stertzenbach. „Beides stellt für Rollstuhlfahrer ein unüberwindbares Hindernis dar.“ Zwar sei er selbst nicht von diesem Problem betroffen, „doch man sollte bei einem solchen Umbau eben an alle denken“, fordert er. Und damit sind beispielsweise auch Mütter mit Kinderwagen oder gehbehinderte Menschen gemeint, die auf einen Rollator angewiesen sind.
Einbau von Aufzügen sind an der Rüttenscheider Station erst im Jahr 2025 geplant
„Wieso wurden nicht gleich Aufzüge eingebaut, wenn man doch schon mit dem Umbau beschäftigt war?“, fragt Gerd Stertzenbach und spricht damit vielen Fahrgästen und vielen seiner Freunde und Bekannten aus der Seele. „Die sind ja naturgemäß alle schon älter und da ist Barrierefreiheit halt immer ein Thema.“ Außerdem sei Rüttenscheid irgendwo auch ein Dorf. „Da bekommt man eben auch mit, worüber die Leute so reden.“
Fünf U-Bahnhöfe noch ohne Aufzug
Die Fahrzeugflotte der Ruhrbahn ist bereits zum größten Teil barrierefrei: Wenn alle neuen Niederflurstraßenbahnen bis Ende 2023 in Betrieb genommen werden, sind die Tram-Fahrzeuge komplett barrierefrei. Die Stadtbahnwagen (U-Bahn) sind dies längst. Gleiches gilt für die eingesetzten Busse, die zudem über eine Klapprampe verfügen.Der Anteil barrierefreier Haltestellen lässt dagegen noch zu wünschen übrig. Derzeit sind in Essen von über 100 Straßenbahnhaltestellen (Tram) nur ein Drittel (33 Prozent) barrierefrei ausgebaut. Bei der U-Bahn sind es bereits 89 Prozent. Neben der Station Florastraße fehlen an vier weiteren U-Bahnhöfen noch Aufzüge (Universität, Planckstraße, Bismarckplatz und Hirschlandplatz). Von den über 600 Bushaltestellen in Essen sind ca. 30 Prozent barrierefrei.
Der Ruhrbahn ist das Problem bekannt. „Die Frage ist berechtigt“, sagt Ruhrbahnsprecherin Simone Klose. „An der Haltestelle Florastraße gibt es in der Tat keinen Aufzug, daher war und ist der Zugang von der Straßenebene zum Gleis nicht barrierefrei möglich.“ Allerdings sei das Baufenster – die Arbeiten begannen am 5. September des Jahres – für einen Aufzugseinbau und der damit verbundenen brandschutztechnischen Sanierung des Bahnhofs viel zu kurz gewesen. „Wir planen allerdings eine Nachrüstung mit zwei Aufzügen voraussichtlich im Jahr 2025.“
Ruhrbahn empfiehlt den Zustieg an der Martinstraße und Rüttenscheider Stern
Bis es soweit ist, bleibt der Ruhrbahn nur der Hinweis auf Alternativen: „An den Haltestellen Martinstraße und Rüttenscheider Stern befinden sich Aufzüge, mit denen auch Rollstuhlfahrer die Gleisebene erreichen“, sagt Simone Klose, schränkt aber ein: „In Richtung Bredeney sind alle weiteren Straßenbahnhaltestellen allerdings nicht barrierefrei.“
Für Gerd Stertzenbach ist dies nur ein schwacher Trost: „Wenn gefordert wird, dass die Menschen häufiger den ÖPNV benutzen sollen, dann muss man diesen auch für die Kunden attraktiv und nutzbar gestalten. Bis zum Jahr 2025 ist es noch eine ganze Zeit hin. Wer weiß, ob ich das noch erlebe.“