Essen-Kettwig. Im Wald verborgen und überwuchert: die Ruinen der Zeche Rudolph in Kettwig-Oefte. Ein Anwohner erzählt von der einstigen Blütezeit des Bergbaus.
Kein Schild, kein Weg, kein Hinweis. Zeche Rudolph? Da zucken die freundlichen Beschäftigten des Essener Golfclubs Haus Oefte nur ratlos mit den Schultern. Eine Zeche am südlichen Ufer der Ruhr? Davon haben sie noch nie etwas gehört. Und doch, genau hier, wo sich seit Jahren die gepflegten Rasenflächen und Sandflecken der Golf-Freunde die sanften Hügel hinaufziehen, lag jahrtausendelang Kohle verborgen. Und schlummert an einigen Stellen noch heute.
Wer etwas über den Bergbau in Oefte erfahren will, der muss sich an Zeitzeugen wie Gertrud Brandenberg halten. Die alte Dame lebt in dem weißen Fachwerkhaus neben dem Golfclub. Sie ist schon 100 Jahre alt, aber geistig noch fit. „Hier unten an der Laupendahler Landstraße, ein Stück entfernt, haben sie immer die Kohle verladen“, erklärt sie. „Fragen Sie meinen Neffen Jürgen.“
1861 entdeckte ein Postexpediteur das Steinkohleflöz
Jürgen Jaeger ist mit dem Thema Bergbau in Kettwig gut vertraut. Er hat sein Leben lang in Oefte gewohnt und die verfügbaren Informationen über die Stollen und Schächte am südlichen Ruhrufer gesammelt und aufgeschrieben. „1861 hat ein Werdener Postexpediteur, Rudolph Anger, im Oefter Bereich ein Steinkohleflöz entdeckt“, berichtet Jaeger. Anger bekam dann zwar das Förderrecht durch das Oberbergamt, doch der Grundbesitzer wollte ihm im engeren Bereich keinen Zugang erlauben.

Kohle wurde wohl trotzdem an mehreren Stellen abgebaut, das „schwarze Gold“ muss teilweise direkt unter der Erdnarbe gelegen haben. Jaeger erzählt weiter, dass schließlich 1872 der erste Schacht abgeteuft wurde, also in die Tiefe gebracht, und zwar „tonnlägig“, das bedeutet als einen schräg verlaufenen Stollen.
So kam vor 150 Jahren der Bergbau in Oefte in Fahrt. Und die heutigen Interessierten zu dem bedeutendsten Relikt aus dieser Zeit. Es ist das alte Maschinenhaus der Zeche Rudolph, das heute noch als dachlose Ruine im Oefter Wald zu finden ist. Wenn man es findet.
Das alte Maschinenhaus ist heute völlig umwuchert
Denn das Backsteingebäude liegt auf einer Anhöhe, völlig umwuchert von Bäumen und Sträuchern, und ist auf keinem Schild vermerkt, kein Weg führt dorthin. Es ist nur zwei Steinwürfe vom Golfclub entfernt. Doch ohne einen ortskundigen Führer wie Jürgen Jaeger lässt es sich nicht entdecken.

Wahrscheinlich 1897 gebaut, sorgten die Dampfmaschinen im Gebäude nicht nur für den Transport der Kohle bis zur 490 Meter entfernten Ruhrchaussee (heute Laupendahler Landstraße). Die Kraft der Maschinen half auch beim Abteufen eines neuen Schachts mit Namen „Wilhelm“ westlich der Straße Zum Timpen. In 80 Metern Tiefe lag ein starkes Flöz. Kurz danach wurde jeweils ein Querschlag (Stollen) von je 300 Metern Länge in nördliche und südliche Richtung getrieben.

Wenn man das Areal rund um das Maschinenhaus mit seinen hohen, oben gerundeten Fenstern durchstreift, stößt man auf weitere Zeugnisse der Bergbau-Zeit. Kurz vor der Ruine kommen die Grundmauern eines kleinen Gebäudes mit einem Eingang in die Tiefe zutage, wahrscheinlich ein Magazin. Oder haben hier Bergleute gelebt? Jaeger kann es nicht bestätigen. Laut den Angaben in Fachbüchern waren um 1900 bis zu 130 Bergleute auf „Rudolph“ beschäftigt.
Dann gibt es neben dem Maschinenhaus, das heute eingezäunt ist, zwei Stolleneingänge („Mundlöcher“). Und bergab führt eine gemauerte Rinne, die wahrscheinlich das Wasser aus den Stollen abgeführt hat.
Die Blütezeit der Zeche kam nach dem Zweiten Weltkrieg
Das Bergwerk hat indes keine durchgehende Geschichte. Stilllegungen folgten auf Wieder-Inbetriebnahmen, mal gab es einen Konkurs, und erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Blütezeit der Zeche. 1948 liefen die Abbauarbeiten wieder an. Darüber berichtet der Kettwiger Heinz König (Jahrgang 1947) ausführlich im jüngsten Heft der Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunde (Ausgabe 37).

Königs Vater war damals Kaufmännischer Leiter der Zeche Rudolph. „Aus einem Schrägschacht kam die Kohle zur Sortier- und Verladestation an der Straße, direkt gegenüber vom Kattenturm auf der nördlichen Ruhrseite“, berichtete dort König. „Die Kohle wurde nach Größe sortiert und kam in die Sortenbunker, während das Bergematerial, das Nebengestein, teilweise in der Nachbarschaft abgeladen wurde.“
Der südliche Rand des Steinkohlegebirges
Schon um 1790 wurde am Rombecker Weg in Mülheim-Menden Kohle auf „Erbenbank“ abgebaut. Auch auf der südlichen Ruhrseite gab es Anfang des 19. Jahrhunderts erste Stollen und Kleinzechen. Das Ruhrtal gilt als der südliche Rand des Steinkohlegebirges unter dem Ruhrgebiet. Hier tritt an einigen Stellen wie in Schuir die Steinkohle fast an der Erdoberfläche zutage, in Nordrichtung liegen die Flöze in immer größerer Tiefe.Die Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunde haben sich mehrfach mit dem Bergbau in Kettwig beschäftigt. Exponate zum Thema gibt es im Heimatmuseum im Kettwiger Rathaus (Neubau, 3. Etage), Bürgermeister-Fiedler-Platz 1.
Besitzer war die Kettwiger Firma Classen-Papier
Besitzer von „Rudolph“ war neben einer Papierfabrik aus dem Südwesten auch die Kettwiger Firma Classen-Papier. Kohle war in den schweren Nachkriegsjahren gefragt wie nie zuvor, und die Förderung schoss in die Höhe. 1951 waren es gut 38.000 Jahrestonnen, 1957 dann 49.300 Tonnen. Gefördert wurde aus 60 Metern Tiefe, es gab einen Förder- und drei Wetterschächte für Frischluft und Abluft. 107 Mitarbeiter wurden gezählt.
Doch die Großzechen in Essen (vor allem „Zollverein“), aber auch in Duisburg und Bochum arbeiteten effektiver. Am 20. Mai 1966 kam für die Bergleute die letzte Schicht. Die Schächte wurden verschlossen. Ab und zu gab es in dem Hügelgelände Boden-Einbrüche, auf die man noch heute achten muss. Bald darauf übernahm der Golf-Club Haus Oefte das Gelände auf den Hügeln des südlichen Ruhrtals.