Im Gespräch mit Karsten Plewnia: Über Zechen, Ruhraaken und verschüttete Bergleute.Hinweistafeln zur Erinnerung gewünscht
"Der Bergbau hatte in Kettwig nie die Bedeutung wie im Rest des Essener Südens", erklärt Karsten Plewnia. Trotzdem finden sich viele Zechennamen in den Archiven: Erbenbank, Treue Freundschaft, Hector, Oscar, Aushülfe, Hummelshagen, Schmachtenberg, Marie Luise, Peter Karl, Amelia, Rudolph, Werner und Zur Kanzel. Plewnia schreibt gerade an seiner Doktorarbeit über die Höhlenforschung in der NS-Zeit. Doch auch für die Altbergbauforschung hat der 33-jährige gebürtige Kettwiger ein großes Herz. So passt es zusammen, dass er sich für die Bergbau-Geschichte in seinem Heimatort interessiert. Vor kurzem referierte er für die Museumsfreunde zu diesem Thema im Rathaus.
Bereits 2002 startete er einen Aufruf in der WAZ, um Zeitzeugen, alte Fotos und Karten zu diesem Thema zu bekommen. "Leider waren die Hinweise recht dürftig", sagt Plewnia. Der verstorbene Robert Herkendell war jedoch als Heimatforscher eine gute Quelle, die Erben schenkten jetzt den Museumsfreunden einen Lochstein aus dem Jahr 1860 (Lochsteine kennzeichneten und begrenzten die Grubenfelder). "Der Stein stammt möglicherweise von der Zeche Hector, die in Umstand/Ickten beheimatet war."
Im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf wurde Plewnia ebenfalls fündig, Quellenstudien und weitere Recherchen rundeten das Bild des ehemaligen Kohleabbaus in dieser Region ab. Frühe Spuren lassen sich auf die Zeit vor 1637 datieren, erklärt der angehende Doktor der Geschichte. "Die geologischen Verhältnisse ließen hier zwar keinen bedeutenden Bergbau zu. Ihn aber generell als Kleinzechenbau zu bezeichnen, ist ein Irrtum", betont Plewnia. "Die Zeche Rudolph (Oefte) konnte mit ihren Leistungen in den 1950er Jahren mit den südlichen Ruhrzechen mithalten."
Mit der Schiffbarmachung der Ruhr (1774 bis 1780) konnte die Kohle in großen Schiffen, den so genannten Ruhraaken, transportiert werden. Erst nach dem Bau der Bergisch-Märkischen Eisenbahn verlor die Ruhr ihre Bedeutung für den Transport, und Kettwig hatte keinen Standortvorteil mehr.
Mit dem Abbau von Kohle hatte man nördlich des Rombeckerwegs schon in früher Zeit begonnen. 1797 bekam Tübben auf Berchem vom Werdener Abt die Konzession für die Erbenbank. 1834 beschäftigte die Zeche zehn Arbeiter. Einige Jahre war es still um den Abbau, erst die Holländer Jean Peelen (Ingenieur) und Christian Hendrick de Bruyn, seit 1856 die neuen Besitzer, begannen mit der Auffahrung des Erbstollens, der ein paar Jahre später bereits knapp 900 Meter lang war. "Anzunehmen ist, dass man die Kohle mit diesem Stollen an die Ruhr transportierte, um sie von dort aus nach Holland zu verschiffen", erklärt Plewnia. 1886 kam es nahe Rombeck zu einem Streckenbruch, vier Bergleuten war der Rückweg abgeschnitten. Zunächst versuchte man, die Eingeschlossenen auszugraben, doch nachrutschendes Gestein und Wasser erschwerte die Arbeit. Tags darauf kam Hilfe aus Steele, parallel dazu versuchte der Kettwiger Brunnenbauer Heinrich Brohn mit seinen Söhnen, die vier über einen Luftschacht bei Heistershecken zu bergen. Erst am nächsten Mittag wurden die Bergleute durch einen Luftschacht an der Meisenburg gerettet. 1894 wurde die Anlage stillgelegt, seit 2004 wird der tiefe Stollen wieder erkundet: Der Förderverein Bergbauhistorischer Stätten, Arbeitskreis Essen, untersucht diesen Stollen der Erbenbank zusammen mit der Grubenarchäologischen Gesellschaft. "Es ist ein Einstieg über eine Leiter geplant, allerdings ist der Aufenthalt nicht ungefährlich, wir haben dort mattes Wetter." (CO2 Ansammlung) Der gesamte Stollen soll fototechnisch dargestellt und vermessen werden, sogar eine 3D-Darstellung ist geplant.
Bei der Kleinzeche Rudolph sind noch alte Mauern zu sehen. "Während der Koreakrise hatte sie ihre größten Abbauerfolge und förderte bis 1966", erklärt Plewnia. Dazwischen lagen Konkurse, Wiederinbetriebnahmen, Erstellen neuer Stollen und zu Spitzenzeiten ein Abbau von 38 000 Tonnen Kohle (1955) und bis zu 120 beschäftigte Bergleute. Ab 1951 wurde die Zeche von den Inhabern der Papierfabrik Classen betrieben und war nun nicht mehr auf dem Berg, sondern auf Ruhrniveau angesiedelt - ein Problem, das die Nachfolger, die Rudolf Damm Bergbaubetriebe, auch nicht in den Griff bekamen, war das Wasser. "Das Wasser ist der Freund und der Feind des Bergmanns", weiß Plewnia.
An die Zeche Zur Kanzel (nordwestlich des Sportplatzes) erinnern nur Bergschäden und ein zugemauertes Stollenmundloch (gegenüber des Kettwiger Bahnhofs) an die Zeit des Abbaus. "Bergschäden sind ein heikles Thema", erzählt Plewnia. "Aber man kann nicht einfach Beton reinschütten. Dabei werden eventuell Kulturgüter vernichtet." Um an die Kettwiger Bergbaugeschichte zu erinnern, wünscht er sich Hinweistafeln an den entsprechenden Stellen "damit wird auch herausgestellt, dass Kettwig nicht nur eine Tuchmacherstadt war.""Lochstein stammt eventuell von der Zeche Hector in Umstand/Ickten"