Essen. Zwischen Werden und Kettwig steht versteckt unter knorrigen Bäumen ein selten bizarres Stück Industriekultur: Die Maschinenhalle der Zeche Rudolph darf einfach verfallen - ohne Schilder und Zäune. Das Betreten ist allerdings nicht ohne Risiko.
Von wegen vornehm: Bis in die 1960er Jahre hinein war der Essener Süden eine Landschaft, in der es von kleinen und mittelgroßen Zechen nur so wimmelte. Heisingen etwa war lange ein Bergarbeiter-Stadtteil, und auch im Werdener und Kettwiger Umland gab es viele kleine Bergwerke mit Mini-Belegschaften, deren Betrieb sich immer dann lohnte, wenn die Kohle-Konjunktur anzog. Zu sehen ist von alldem fast nichts mehr.
Die gnädige Natur hat die industrielle Benutzung der Landschaft fast getilgt, die Schächte sind mit Beton verschlossen und die Übertageanlagen abgerissen. Umso bemerkenswerter ist ein Relikt, das sich im Oefter Wald befindet: Die alte Maschinenhalle der weithin unbekannten Zeche Rudolph rottet zwischen urwaldähnlichen Bäumen vor sich hin. Es ist eine selten bizarre Szenerie, und ohne Übertreibung kann man sagen: Dies ist ein Geheimtipp, auch wenn hier immer wieder mal Fotografen und Wanderer herumstromern.
Nähert man sich auf Trampelpfaden der Backstein-Ruine mit den schönen gleichmäßigen Fensterbögen und den efeubewachsenen Mauern, glaubt man eher auf eine verwunschene Klosterkirche gestoßen zu sein. Man lernt: Nicht nur Zollverein und Co., selbst kleine, eigentlich unbedeutende Anlagen wurden von Zechen-Baronen mitunter inszeniert wie Kathedralen der Technik. Im Innern sind noch die mächtigen gemauerten Fundamente der Fördermaschine zu sehen, von der es ansonsten keine Spur mehr gibt.
Zuletzt 87 Beschäftigte, die 32 314 Tonnen Kohlen pro Jahr förderten
Geschätzt vor 1900 dürfte die Halle gebaut worden sein, im letzten vollen Betriebsjahr 1965 förderten 87 Beschäftigte immerhin 32 314 Tonnen Steinkohle. Seit 1966 steht Zeche Rudolph nach rund 130 sehr wechselhaften Jahren endgültig still. Warum gerade dieses Zechen-Gebäude anders als viele andere nicht abgebrochen wurde, sondern sich selbst überlassen blieb? Vermutlich weil sich in dem abgelegenen Teil der Stadt in einer nur schwer nutzbaren Wald-Senke ein Abbruch schlicht nicht lohnte.
Faszinierend ist die absolute Stille, und erstaunlich ist vor allem eines: dass diese Ruine in einer sehr auf Sicherheit bedachten Zeit frei zugänglich ist. Kein Zaun, nicht mal ein Warnschild gibt es, nur Natur und bröckelndes Mauerwerk, dem man sich deshalb auch respektvoll nähern sollte - wenn man die Gefahr stürzender Backsteine nicht lieber ganz meidet und Abstand hält.
Maschinenhalle Zeche Rudolph
Wer hin will, muss etwas findig sein
Wer trotzdem hin will, muss etwas findig sein. Hinweisschilder gibt es keine, Parkplätze auch nicht. Nähern kann man sich der Ruine entweder auf Spazierwegen ab Schloss Oefte, wobei man sich am Oefter Bach orientieren sollte und dann über eine Lichtung zum Ziel wandern muss; oder über die Straße Zum Timpen, an deren Ende man am letzten Haus vorbei einige Meter weitergehen kann - dann ist bald rechts die Zeche zu sehen.
Früher gab’s in der Gegend mal ein altes Gasthaus, das ebenfalls „Zum Timpen“ hieß, und das eine perfekte Einkehr gewesen wäre - vorbei. Immerhin ist da aber - etwas weiter entfernt - das Landgasthaus Oefte. Und auch ohne Ruine ist der Oefter Wald übrigens ein schönes, nicht überlaufenes Stück Essen.
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