Essen-Huttrop. Zu viele analoge Uhren, zu kleine Preisschilder: Bei einer Veranstaltung im Franz-Sales-Haus zeigen Betroffene die Grenzen von Inklusion auf.

  • Das Franz-Sales-Haus hatte zur Informationsveranstaltung anlässlich des Joseftages eingeladen.
  • Junge Menschen mit Handicap erfahren immer wieder die Grenzen der Inklusion.
  • Betroffene äußerten ganz konkrete Wünsche an die Gesellschaft.

Was wünschen sich junge Essenerinnen und Essener mit Behinderung, um ihren Alltag besser selbstständig meistern zu können? Wie werden sie auf dem Arbeitsmarkt integriert? Diese Fragen standen beim sogenannten Joseftag in der Förderschule des Franz-Sales-Hauses in Essen-Huttrop im Mittelpunkt. Dort machten junge Menschen mit Handicap deutlich, in welchen Bereichen Inklusion derzeit noch scheitert.

Der Josefstag ist ein bundesweiter Aktionstag, der auf die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, zum Beispiel in Einrichtungen der Jugendberufshilfe, aufmerksam machen will. Unter dem Motto „Wir fordern eine Garantie auf Teilhabe für Jugendliche und junge Erwachsene“, kamen in der Aula der Förderschule nach langer pandemiebedingter Pause wieder viele Unterstützer zusammen, die auf zahlreiche Probleme im Alltag von jungen Menschen mit Einschränkungen aufmerksam machten.

Betroffene aus Essen benannten ganz konkrete Probleme

Betroffene berichteten ganz konkret von den alltäglichen Problemen, die ihnen immer wieder begegnen: „Ich möchte nicht mehr mit meinem kleinen Bruder in einem Zimmer leben, sondern in eine eigene Wohnung ziehen, mein Leben selbstständiger gestalten. Doch ich weiß nicht, wie ich Hilfe bei den vielen Anträgen, die oft schwer verständlich für mich formuliert sind, bekommen soll“, sagt der 19-jährige Marvin, der sich aktuell in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BVB) des Franz-Sales-Hauses, einer katholischen Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung, befindet.

Andere Teilnehmer wünschen sich zum Beispiel mehr digitale Uhren an öffentlichen Plätzen wie Bahnhöfen, da sie analoge Uhren nicht lesen können. Auch zu kleine Preisschilder im Supermarkt, nicht vorhandene Aufzüge oder Rampen sowie fehlende Unterstützung bei finanziellen Angelegenheiten erschweren ihnen den Alltag.

Junge Essener mit Behinderung haben Wünsche an die Gesellschaft

Unter den Gästen war auch Essens Sozialdezernent Peter Renzel (CDU), dem die bestehenden Probleme im Bereich der Inklusion durchaus bekannt sind: „Auch Menschen mit Einschränkungen möchten sich Handlungsperspektiven selbst erarbeiten und sollen gleichberechtigt am Leben in unserer Stadt teilhaben können. Der Josefstag soll darauf aufmerksam machen, dass wir als Gesellschaft die Verantwortung haben, Jugendliche und junge Erwachsene mit Beeinträchtigung zu unterstützen.“

Um die Inklusion in der Stadt voran zu bringen, gibt es seit dem letzten Jahr mit dem Inklusionsbeirat ein neues politisches Gremium in Essen. Die 21-jährige Studentin Johanna Ruhrbruch sitzt aufgrund einer Muskelerkrankung im Rollstuhl und ist stellvertretende Vorsitzende des Essener Inklusionsbeirates. Sie kennt die Probleme selbst ganz genau: „Ich kenne das Gefühl, wie es ist, wenn man etwas nicht versteht oder anderweitig Hilfe benötigt. Es hilft oft, wenn man mit möglichst vielen Menschen darüber spricht und versucht, sich Unterstützung zu holen.“

Sozialdezernent Peter Renzel sprach in der Aula der Förderschule des Franz-Sales-Hauses über die Notwendigkeit, junge Menschen mit Behinderungen zu unterstützen und ihnen berufliche Perspektiven zu geben.
Sozialdezernent Peter Renzel sprach in der Aula der Förderschule des Franz-Sales-Hauses über die Notwendigkeit, junge Menschen mit Behinderungen zu unterstützen und ihnen berufliche Perspektiven zu geben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Hilfe bekommen Betroffene zum Beispiel in der Beratungsstelle der Jugendhilfe Essen, wie der dort beratende Pädagoge Michael Gerritzen berichtet: „Die Beratungsstelle überlegt gemeinsam mit den jungen Menschen, in welche Richtung es schulisch oder beruflich gehen könnte. Wir helfen bei Antragstellungen und können bei der Wohnungssuche unterstützend zur Seite stehen.“

Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Kulturangeboten

Die 21-jährige Lina, die sich gerade auf der Suche nach einer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau befindet, fühlt sich oft ausgeschlossen, weil sie zum Beispiel aufgrund von zu hohen Eintrittspreisen und fehlenden leicht verständlichen Informationen keinen Zugang zu kulturellen Veranstaltungen habe.

Robert Lichtenstein, Sozialpädagoge und Teamleiter der BVB im Franz-Sales-Haus: „Inklusion muss mehr gelebt werden, junge Menschen benötigen Perspektiven und die Garantie auf Unterstützung. Menschen mit Beeinträchtigungen brauchen besseren Zugang zum regulären Arbeitsmarkt, man muss ihnen die Chance geben, gute Erfahrungen sammeln zu dürfen und sich mit ihren Stärken beweisen zu können.“