Essen-Katernberg. Leben retten ohne Mund-zu-Mund-Beatmung. Wie das geht und warum das Sinn macht, erklärte Medizinerin Doc Caro 100 Schulungs-Teilnehmern in Essen.
Notfallmedizinerin und Autorin Dr. Carola Holzner alias Doc Caro war für einen Erste-Hilfe-Crash-Kurs plus Lesung zu Gast im Essener Triple-Z. Ihre Botschaft ist, dass jeder Menschenleben retten kann.
Notärztin Doc Caro arbeitet in der Klinik und bei der Luftrettung
Auf Zollverein Schacht 4/5/11 an der Katernberger Straße. 100 Teilnehmer füllen die ehemalige Waschkaue im Zukunftszentrum Zollverein und warten auf ihre Doc Caro. Die aus dem Fernsehen bekannte Medizinerin hat eine große Fanbasis, die auch weite Anfahrten nicht scheut. Dass aber zwei Kinderkrankenschwestern eigens für sie die 650 Kilometer von Rügen bis ins Herzen des Ruhrgebietes auf sich genommen haben, verschlägt selbst der so patent wirkenden Dr. Carola Holzner die Sprache. Die Arbeitsorte der 40-jährigen Notärztin sind das Duisburger Helios Klinikum und der Rettungshubschrauber Christoph 10 der ADAC-Luftrettung.
Doc Caro erklärt: „Ich teile nicht immer die Abgeklärtheit meiner Kollegen. Jeder Patient hat eine Not, hat Angst, erhofft sich Hilfe von mir. Ich wäre selbst doch auch froh, wenn mir jemand in bedrohlicher Situation die Angst nehmen würde.“ Im Triple-Z bietet Dr. Carola Holzner eine Notfallschulung an. Gemeinsam mit dem Team von Notfallschulungen-Rhein-Ruhr aus Neuss hat sie die Veranstaltung auf die Beine gestellt. Ralf Schoppe von der ansässigen privaten medizinischen Weiterbildungsstätte Movido konnte kurzfristig die Räume zur Verfügung stellen.
Notärztin Doc Caro weiß, dass sich viele die Beatmung nicht zutrauen
Der Medizinerin ist es eine Herzensangelegenheit, die Laien-Herzmassage als Reanimation in der Gesellschaft weiter zu verbreiten. Ihre Botschaft: „Wenn von den 100 Teilnehmern heute nur einer irgendwann ein Menschenleben rettet, haben wir alles richtig gemacht.“ Der Knackpunkt bei vielen sei doch, dass sie sich sich die Beatmung nicht zutrauen. Aus diesem Grund habe vor einiger Zeit ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Inzwischen werde Laien empfohlen, einfach nur die Herzdruckmassage durchzuführen, ohne Beatmung.
Doc Caro möchte beweisen: „Das kann jeder, der es einmal gezeigt bekommen hat.“ Danach wird sie aus ihrem neuen Buch „Keine halben Sachen - Wie die Notaufnahme den Blick aufs Leben verändert“ lesen und lächelt: „Kann schon sein, dass ich so Teilnehmer an dieser Notfallschulung ködere. Aber hier geht für mich ein Traum in Erfüllung. Neben einer Lesung auch Mehrwert schaffen mit Erster Hilfe.“
Das neue Buch von Doc Caro handelt von Schicksalen
Noch kurz vor Beginn wirkt die Notfallmedizinerin völlig tiefenentspannt. Ihr neues Buch berichte von Schicksalen, die ihr bei der Arbeit begegnet seien: „Menschen, die mir geschickt worden sind, damit ich von ihnen lerne. Aus jeder Geschichte in diesem Buch habe ich etwas mitgenommen für mich.“ Da sei auch Gesellschaftskritik: „Die junge Mutter, die seit Tagen entsetzliche Bauchschmerzen hat, aber die lebenswichtige Operation verweigert. Aus Angst, ihren Job zu verlieren.“
Wie schlecht es um Alleinerziehende bestellt ist in unserem Land, sei ihr bis dahin in ihrer sozialen Blase einfach nicht aufgefallen: „Das ist das Schöne an meinem Job, dass man außerhalb des eigenen Kosmos schauen darf. Man lernt fürs Leben.“ Der Vater, der in großer Trauer um seine kleine Tochter ihr und anderen Medizinstudenten ins Gewissen redete: „Von diesen 80 Medizinern wird keiner jemals eine Hirnhautentzündung übersehen.“
Unterricht zur Wiederbelebung für Schüler
Dr. Carola Holzner hat gemeinsam mit dem Deutschen Rat für Wiederbelebung die Petition #ichrettedeinleben gestartet. Unterricht zur Wiederbelebung für Schüler ab der siebten Klasse soll an Schulen zur Pflicht werden. Von 70.000 Herz-Kreislauf-Stillständen jährlich in Deutschland würden nur zehn Prozent überleben. Ersthelfer werde man in drei Viertel der Fälle bei den eigenen Angehörigen.Doc Caro ist häufig im TV zu sehen, produziert Videos und erklärt medizinische Themen unter dem Hashtag #medizinfüralle.
Sie habe auch Heldengeschichten versammelt im Buch: „Wenn Menschen über sich selbst hinauswachsen. Teils auch lustige Erlebnisse, die man eigentlich nicht glauben würde, wenn man‘s nicht wirklich erlebt hätte.“
Reanimation auch für Feuerwehrleute anstrengend
Der Erlebnischarakter ist hoch bei der Notfallschulung. Übungspuppen liegen bereit und Doc Caro holt Leute aus dem Publikum: „Einfach mal drücken.“ Sie lobt, sie gibt Tipps, sie spricht Mut zu: „Wenn Rippen brechen, dann herzlichen Glückwunsch. Dann wart ihr effektiv.“ Die Kraft komme aus dem Handgelenk, die Schulter sei über dem Druckpunkt, und dann mit Schmackes: „Es gibt nicht ein bisschen reanimieren.“ Das sei zwar nicht schwierig, aber sauanstrengend.
Selbst gestandene Feuerwehrleute würden kaum mehr als zwei Minuten am Stück schaffen. Dann müsse gewechselt werden: „Sie da, der Herr mit der Brille und dem schwarzen Sweatshirt, sie packen jetzt hier an.“ Natürlich sei nicht jeder der geborene Notarzt: „Man muss sich überwinden. Aber wenn man dann im Tunnel ist, ist alles in Ordnung.“ Wer für sich die Melodien von Staying Alive, Biene Maja oder auch Happy Birthday mitsinge, habe den richtigen Takt.
Bei einer Lesung von Doc Caro in einer anderen Stadt sei mal wirklich der Ruf gekommen: „Ist ein Arzt vor Ort?“ Eine Frau war auf der Toilette zusammengebrochen und Carola Holzner etwas konsterniert: „Es ist immer etwas anderes, wenn man beruflich auf Notfälle vorbereitet ist, als nichtsahnend an der Käsetheke.“