Essen-Karnap. Die bosnisch-herzegowinische Gemeinde in Essen will eine Moschee in Karnap bauen. Bei einer Info-Veranstaltung sollten Vorurteile abgebaut werden.

Auf dem Gelände des ehemaligen Netto-Discounters in Essen-Karnap schenkte das Team des Projektes Mobilitea am vergangenen Samstag (4.2.) warmen Früchtetee aus, reichte Apfeltaschen mit Zuckerguss und Grüppchen sammelten sich um Dzenan Kurspahic. Der Altenessener ist im Vorstand der Dzemat-Gemeinde, die an diesem Ort eine Moschee bauen will. Seine Nachricht an diesem Tag: Ich bin einer von euch, ein Kind des Esseners Nordens. Kurspahic ist den ganzen Nachmittag über bemüht, Vorurteile gegen den Moschee-Bau aus der Welt zu räumen – sofern er damit konfrontiert wird.

Stadtteilpolitiker in Essen-Karnap stehen Moschee-Bau wohlwollend gegenüber

Jene, die in den sozialen Netzwerken Hasskommentare schreiben oder beklagen, dass hierzulande Kirchen abgerissen werden, Muslime aber „alles bekommen“, folgen der Einladung der bosnischen Muslime an diesem Februartag nicht. „Die toben sich lieber bei Facebook aus und verstecken sich dort“, sagt einer der Stadtteilpolitiker, die zahlreich erschienen sind und dem Moscheebau wohlwollend gegenüberstehen.

Gekommen sind aber auch alteingesessene Karnaper. Sie wohnen, genau wie einige der 400 Mitglieder des Moschee-Vereins, seit vier, fünf Jahrzehnten im Essener Norden. Noch sind sie sich aber fremd. Und Fremdheit sowie die Ankündigung einer Veränderung in unmittelbarer Nachbarschaft sorgt für ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Das soll nicht nur durch das Gebäck und den Tee, sondern auch durch die Begegnung mit den Gemeindemitgliedern und den Visualisierungen des zukünftigen Baus an diesem Tag ein Stückweit aus der Welt geräumt werden.

Moschee-Nachbarn in Essen-Karnap fühlen sich übergangen

Dass das mitunter nicht so einfach ist, zeigt sich an einer Gruppe von Nachbarn, die sich in einem kleinen Kreis auf dem Netto-Parkplatz versammelt hat. Sie betonen zunächst, dass sie sich auch von der Politik übergangen fühlen. Sie würden vor vollendete Tatsachen gestellt, im Vorhinein nicht richtig informiert. Zeitungsberichte und öffentliche Sitzungen der Stadtteilpolitiker reichen den Karnapern nicht aus. Sie wollen Flyer im Briefkasten, Infos bei Facebook – genau diesen Weg war das Team vom Moschee-Verein jetzt gegangen und hatte die Nachbarn auf diesen Wegen zu der Informationsveranstaltung eingeladen.

Bei Tee und Gebäck informierten sich Nachbarn und Stadtteilpolitiker in Essen-Karnap über den geplanten Moschee-Neubau.
Bei Tee und Gebäck informierten sich Nachbarn und Stadtteilpolitiker in Essen-Karnap über den geplanten Moschee-Neubau. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Doch die Nachbarn hadern mit den Plänen des Moschee-Vereins: „Ein Supermarkt wäre besser gewesen“, findet einer der Nachbarn. In dieser Gruppe ist man sich einig, dass es dann keine Diskussionen gegeben hätte: „Dann hätte keiner was gesagt.“ Seinen Namen will der 63-Jährige nicht nennen.

Durch eine Moschee werde die Wohngegend abgewertet, meinen manche. Das gelte genauso für eine Kirche oder eine Disco. Die Bewohner haben Angst vor Lärm und zugeparkten Einfahrten, unabhängig von der Einrichtung. Gegen Ausländer haben sie nichts, das betonen sie explizit. Im Bergbau hätten sie früher schließlich selbst mit Gastarbeitern zusammengearbeitet, zum Teil kommen sie selbst nicht aus Deutschland.

28 Parkplätze auf Moschee-Grundstück in Essen-Karnap

Einer sagt dann doch seinen Namen: Reiner Boemer wohnt in direkter Nachbarschaft zu dem Grundstück, auf dem schon im März der alte Netto abgerissen werden soll. „Das kann auch schön werden“, gibt der 60-Jährige zu und ergänzt, dass alles besser ist, als dieser leerstehende Supermarkt mit dem Bauzaun drumherum. So gesehen sei die Moschee dann doch eine Aufwertung für den Stadtteil tief im Essener Norden. Jene, die aber eine Wohnung in Karnap suchen, hätten sicher Vorurteile und Hemmungen, wenn sie sehen, dass dort ein Moschee-Verein aktiv ist. „Ob die sich bestätigen ist unklar“, sagt eine Nachbarin.

Kurspahic versucht es weiter mit Fakten: 28 Parkplätze stünden auf dem Grundstück zur Verfügung, weitere an der Straße. Außerdem sei die Moschee gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Das Gebet am Freitag sei das wichtigste der gesamten Woche, da würden im Durchschnitt 40 Moschee-Vereins-Mitglieder teilnehmen. Auch zu Feiertagen wie dem Opferfest oder zum Fastenbrechen sei die Moschee gut besucht. Abgesehen davon sei aber oft auch nur wenig los.

„Ich habe keinen schlechten Eindruck“, sagt ein Karnaper Rentner, der sich „ungefiltert und aus erster Hand“ informieren und die Mitglieder des Moschee-Vereins kennenlernen will. Er empfinde große Offenheit und habe sich gut mit dem Imam unterhalten.

Sechs Wohnungen entstehen auf Netto-Grundstück

Die bosnisch-herzegowinische Gemeinde in Essen zählt zu den ältesten und größten in Deutschland. Zur Dzemat-Gemeinde gehören rund 400 Mitglieder, die seit Ende der 1990er-Jahre in Altenessen an der Rahm-/Ecke Stauderstraße aktiv sind. Den Neubau wollen sie ausdrücklich auch als Bekenntnis zu Essen verstanden wissen.2018 hat die Gemeinde das Areal an der Karnaper Straße 243 gekauft und nach dem Wegzug von Netto Ende 2020 eine Bauvoranfrage gestellt. Diese wurde ebenso positiv beschieden wie der im Frühjahr 2021 gestellte Bauantrag. Die Baugenehmigung erhielt der Moschee-Verein im November vergangenen Jahres. Der alte Supermarkt soll im kommenden Monat abgerissen werden. Für den rund zwei Millionen Euro teuren Neubau plant die Gemeinde rund zwei Jahre. Finanziert wurde der Kauf des Grundstücks als auch die neue Moschee durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Das ehemalige Lager des Supermarktes bleibt erhalten und soll zu einem Wohngebäude mit sechs Wohnungen umgebaut werden, die zum Teil vermietet werden sollen.

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