Essen-Karnap. In 40 Jahren ist die bosnisch-herzegowinische Gemeinde stark gewachsen. Deshalb wird in Essen-Karnap eine neue Moschee gebaut. Was geplant ist.
Die bosnisch-herzegowinische Gemeinde in Essen zählt zu den ältesten und größten in Deutschland. Dass sie nun in Karnap eine neue Moschee errichten wird, zeugt nicht nur vom Selbstbewusstsein des Kulturvereins. Die mehr als 400 Mitglieder zählende Dzemat-Gemeinde will den Neubau ausdrücklich auch als Bekenntnis zu Essen verstanden wissen. „Diese Stadt ist unsere Heimat, hier oben im Essener Norden fühlen wir uns zuhause“, sagt Vorstandsmitglied Dzenan Kurspahic. Am Samstag, 4. Februar, stellt die Dzemat-Gemeinde das Moscheeprojekt der Öffentlichkeit vor: „Angesprochen sind besonders unsere Nachbarn.“
Die neue Moschee entsteht auf dem Gelände des alten Netto-Marktes in einem Quartier nahe der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen. 2018 hat die Gemeinde das Areal gekauft und gleich nach dem Wegzug von Netto Ende 2020 eine Bauvoranfrage gestellt. Diese wurde ebenso positiv beschieden wie der im Frühjahr 2021 gestellte Bauantrag. „Wir haben die Baugenehmigung im November 2022 erhalten“, fügt Kurspahic hinzu.
Architekt der Moschee ist Mitglied der Essener Gemeinde
Während das Wohngebäude saniert wird, wird der alte Supermarkt komplett abgerissen. Der Neubau, der an derselben Stelle entsteht, wird große Räume für die Jugend-, Frauen- und Seniorengruppen der Gemeinde beherbergen. An den Flachbau für die Sozialräume schließt sich in aufsteigenden Kuben der Gebetssaal an, über den sich ein kleines, symbolisches Minarett in Mintgrün erhebt. Ein großer Kinderspielplatz und Pkw-Stellplätze runden den Neubau ab.
Gebaut wird die Moschee der bosnisch-herzegowinischen Muslime nach den Plänen des Architekten Samir Hadzimujic, der auch Mitglied der Essener Gemeinde ist und bereits anderswo Moscheen entworfen hat. „Die Architektur insbesondere des Gebetssaales spannt bewusst den Bogen von der Tradition zur Moderne“, sagt Kurspahic.
Durchaus mit Stolz wird darauf hingewiesen, dass sowohl der Grundstückserwerb (465.000 Euro) als auch der zwei Millionen Euro teure Neubau aus eigener Kraft gestemmt werden. „Wir finanzieren das Moschee-Projekt ausschließlich aus unseren Mitgliederbeiträgen und aus Spenden“, betont der Vorstandssprecher.
Viel Zustimmung in der Bezirkspolitik – zum Teil Vorbehalte in der Nachbarschaft
Als die Moscheepläne der Dzemat-Gemeinde publik wurden, äußerten Nachbarn in der unmittelbaren Umgebung Vorbehalte. In der Straße Bräukerwald etwa war von der Sorge vor zugeparkten Grundstückseinfahrten die Rede, andere sammelten sogar 300 Unterschriften mit dem Ziel, den Moscheebau ganz zu verhindern.
Unterstützung von der lokalen Politik haben die Gegner jedoch zu keinem Zeitpunkt erhalten. Im Gegenteil: Die große Mehrheit der Bezirkspolitiker steht dem Moscheeprojekt aufgeschlossen gegenüber. Bezirksbürgermeister Hans-Wilhelm Zwiehoff (SPD) etwa sagte dieser Zeitung im Oktober 2020: „Wir leben in einem Rechtsstaat, der die Freiheit des Glaubens und die ungestörte Religionsausübung garantiert, dazu gehört auch ein Ort zum Beten.“ Rückhalt bekommt die bosnisch-herzegowinische Islam-Gemeinde sogar von höchster Stelle in Essen: Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) zähle ebenfalls zu den Unterstützern des Moschee-Projekts. Immer wieder fällt dieser Satz, der als Kompliment zu verstehen ist: „Die fallen überhaupt nicht auf.“
In diesem Jahr blickt die Dzemat-Gemeinde auf das 40-jährige Bestehen zurück. „In dieser Zeit sind wir Teil der Essener Gesellschaft geworden, wir fühlen uns hier bestens aufgehoben“, betont Vorstandsmitglied Dzenan Kurspahic. Seine Bilanz: „Wir sind gut integriert und vernetzt mit Politik, Vereinen und Verbänden.“ Zuerst war die Gemeinde auf der Heßlerstraße ansässig und seit Ende der 1990er-Jahre in Altenessen in einem Eckhaus auf der Rahm-/Ecke Stauderstraße.
40 Jahre Dzemat-Gemeinde: Zuerst kamen Gastarbeiter, dann Bürgerkriegs-Flüchtlinge
Die Geschichte von Dzemat lässt sich in drei Phasen aufteilen. Die ersten Gemeindemitglieder in Essen waren Gastarbeiter, die Ende der 1970er-Jahre in der Ära Tito Arbeit in der Industrie und im Bergbau fanden. Nach dem Zerfall Jugoslawiens folgte die zweite Zuzugswelle: Bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge suchten in Essen Zuflucht – und entschieden sich zu bleiben. Aktuell erlebt die Gemeinde abermals eine verstärkte Zuwanderung, dieses Mal erneut von Arbeitsmigranten in Industrie, Bau und Handwerk.
Beim Infonachmittag am Samstag sucht die Gemeinde den Dialog mit den Nachbarn, deshalb sind vorab Flyer verteilt worden. Vorstandsmitglieder stehen Rede und Antwort, auch der Architekt ist zugegen. „Wir freuen uns auf die Gespräche“, sagt Dzenan Kurspahic. Mit dem Abriss des alten Netto-Marktes soll zügig begonnen werden.