Essen-Kettwig. Der Bebauungsplan Am Stammensberg in Essen-Kettwig ist im Planungsausschuss befürwortet worden. Warum die Linken daran vehement Kritik üben.

Die Bezirksvertretung IX hatte, wie berichtet, Bedenken erhoben gegen die Neubaupläne für das Areal Am Stammensberg/Ringstraße in Kettwig vor der Brücke. Im jüngsten Planungsausschuss wurde nun aber grünes Licht für den Bebauungsplan gegeben: mit den Stimmen von CDU und Grünen. Eine Entscheidung, die die Fraktion der Linken harsch kritisiert.

Damit habe man sich über die Bedenken der Bezirksvertreter einfach hinweggesetzt, heißt es in einer Stellungnahme. „Das ursprüngliche Ziel von 30 Prozent öffentlich gefördertem Wohnraum wird weit verfehlt“, so Wolfgang Freye, für die Linken im Planungsausschuss. „Im gesamten Projekt sind es gerade 15 Prozent, obwohl im Essener Süden preiswerter Wohnraum gebraucht wird. Das ist schlicht unsozial.“

Sozialer Wohnungsbau: SPD prangert Missverhältnis an

In Zahlen gesprochen: Von den auf dem Brachgrundstück geplanten 25 bis 30 Wohnungen (neben 23 Einfamilienhäusern) werden wohl lediglich acht bis neun mit öffentlicher Förderung und Mietbindung gebaut werden. Ein Missverhältnis, das die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung (BV) IX angeprangert hatte. Susanne Gilbert als Sprecherin der Sozialdemokraten über den zur Entscheidung anstehenden Bebauungsplan: „Er bringt das Dilemma der wohnungspolitischen Entwicklung in Essen auf den Punkt. Es gibt einen großen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in allen Segmenten, aber dieser B-Plan schafft keine Abhilfe; er steht weder für ein sozial gerechtes noch für ein nachhaltiges Wohnraumangebot“.

Unweit des Neubauareals befindet sich das Gewerbegebiet Montebruchstraße. Hier sieht die BV vor allem Verkehrsprobleme, die sie dem Fachausschuss ebenfalls mitgeteilt hatte.
Unweit des Neubauareals befindet sich das Gewerbegebiet Montebruchstraße. Hier sieht die BV vor allem Verkehrsprobleme, die sie dem Fachausschuss ebenfalls mitgeteilt hatte. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Die Linke sieht vor allem die Grünen in der Pflicht, die sich „im Kommunalwahlkampf noch für eine allgemeine Quote von 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnungen und gegen den Bau weiterer Einfamilienhäuser im Essener Süden“, ausgesprochen hätten, führt Wolfgang Freye an. „Es ist schon erschreckend, wie sehr gerade die Grünen ihre eigenen Aussagen und auch das Votum ihrer Bezirksvertretung missachten.“

Ludger Hicking-Göbels, erster stellvertretender Bezirksbürgermeister und Mitglied der Grünen-Fraktion im Essener Süden, kann den Unmut nachvollziehen. Auch seine Fraktion habe die Bedenken der BV mitgetragen. „Dass sich die Grünen im Fachausschuss für den Bebauungsplan ausgesprochen haben, hat auch damit zu tun, dass man das Projekt endlich auf den Weg bringen sollte.“ Den Aufstellungsbeschluss habe es unter einer von CDU und SPD geführten Koalition schon vor sechs Jahren gegeben.

30-Prozent-Quote ist ein Verwaltungsvorschlag

Der Plan sei eigentlich überholt und „man hätte vieles intelligenter machen können“. Die Krux sei, dass die 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum nur eine Empfehlung an den Investor seien. Eine Bindung an diese 2016 von der Verwaltung selbst vorgeschlagene Quote existiere ja bislang seitens der Politik nicht.

Er hoffe, so Hicking-Göbels, dass der Bebauungsplan als „letzter Mohikaner“ in die Geschichte eingehe. „Bei den nächsten anstehenden Projekten, wie der Bebauung Jakobsallee in Heidhausen, müssen wir auf die Schaffung preiswerten Wohnraums unser besonderes Augenmerk legen.“

Der Rat entscheidet

Über den Bebauungsplan Am Stammensberg/Ringstraße wird im Rat entschieden – voraussichtlich am Mittwoch, 22. Juni. Die öffentliche Sitzung beginnt um 15 Uhr im Rathaus, Porscheplatz.Das Areal in Kettwig war als potenzielle Wohnbaufläche bereits im April 2016 in das Arbeitsprogramm Bauleitplanung 2016/17 aufgenommen worden.

Forderung: Planverfahren schlanker gestalten

Ein Wunsch, den im Übrigen auch die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ganz aktuell äußert. „Zusätzliche Wohnungen sind ein wichtiger Beitrag gegen steigende Mieten. Wichtig ist dabei das bezahlbare Segment. Und es kommt vor allem darauf an, dass im sozialen Wohnungsbau noch mehr getan wird“, sagt Peter Köster. Der Bezirksvorsitzende der IG BAU Mülheim-Essen-Oberhausen sieht insbesondere die Politik in der Pflicht.

Die IG Bau schlägt vor, die Mehrwertsteuer auf Sozialwohnungen solle von 19 auf sieben Prozent abgesenkt werden. Der Bau einer staatlich geförderten Wohnung würde nach Angaben der Gewerkschaft so um zehn Prozent günstiger werden. Außerdem müsse das Baurecht vereinfacht werden. „Es wird höchste Zeit, dass Genehmigungsverfahren schlanker und schneller werden. Zwischen Bauantrag und Baubeginn geht oft wertvolle Zeit verloren“, betont Köster.