Essen-Ruhrhalbinsel. Überruhr-Hinsel verliert eine Institution: Goldschmiedin Antje schließt im September ihr Geschäft. Die Hintergründe und Infos zum Ausverkauf.
Langsam dreht Antje Klein die silberne Kette hin und her, um sie im hellen Licht der Schreibtischlampe zu begutachten. Vor ihr liegen kleine Zangen, Lötstäbe und ein blaues Taschenmesser. 18 Jahre lang fertigte sie an ihrer Werkbank Schmuck an. Nun gibt sie ihre Goldschmiede in Überruhr-Hinsel zu Ende September auf, um in den Ruhestand zu gehen. „Irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen“, sagt die 64-Jährige.
Der Stadtteil verliert damit eine Institution. Denn seit mehr als 50 Jahren werden an der Schulte-Hinsel-Straße 16 Schmuck und Uhren verkauft und repariert. Klein hat das Geschäft 2005 übernommen – und damit den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.
Essener Goldschmiedin gibt Geschäft auf – nach 18 Jahren
„Wenn ich meinen Kunden erzähle, dass ich aufhöre, sagen viele: Als Sie damals aufgemacht haben, hätte ich nicht gedacht, dass Sie sich so lange halten werden“, sagt Klein. „Das liegt wohl daran, dass es hier früher viel spartanisch aussah. Eben wie in einer klassischen Goldschmiede.“
Heute säumen rote Vitrinen das Geschäft, in denen der Schmuck anderer Hersteller zur Schau gestellt wird. Denn Klein arbeitet nicht mehr nur als klassische Goldschmiedin, sondern repariert Schmuckstücke, wechselt Batterien und kauft Altgold an.
Essener Goldschmiede: Anfertigung und Reparatur
„Es kommen immer mehr Kunden wegen Reparaturen zu mir, weil es immer weniger Geschäfte gibt. Da komme ich gar nicht mehr mit.“ Mittwochs bleibt ihre Schmiede offiziell geschlossen, damit sie sich ihrer eigentlichen Leidenschaft widmen kann: der Schmuckanfertigung.
„Ich nehme mir immer viel Zeit für die Beratung“, sagt Klein. Walzen, sägen, biegen, löten: An ihrer Werkbank fertigt sie dann nach individuellen Kundenwünschen Ringe, Armreifen und Colliers.
Essenerin fertigt Kette mit Asche einer Toten an
An einen Auftrag erinnert sie sich noch besonders gut. Eine Kundin wünschte sich eine Kette, in der die Asche ihrer verstorbenen Mutter eingearbeitet werden sollte. „Ich habe einen Weißgold-Anhänger gefertigt, dessen Spitze auf ihr Herz zeigt. Die Asche habe ich mit einer Platte zugelötet. Sie kam also nie wieder daran, aber trug sie immer bei sich.“
Der enge Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden sei es auch, der ihr über all die Jahre im Beruf so viel Freude bereitet habe. „Ich habe eine Stammkundin aus München, die regelmäßig Schmuck für sich und ihre Tochter anfertigen lässt. Heute Morgen war sie noch mal bei mir, um Ohrringe zu bestellen. Wir haben uns zum letzten Mal gesehen.“
Fachkräftemangel zwingt Essener Goldschmiedin zur Geschäftsaufgabe
Die Aufgabe des Geschäftes fällt Klein nicht leicht. Seit sie im Herbst vergangenen Jahres den Entschluss gefasst hat aufzuhören, sucht sie nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin. Vergeblich. Auf ihre Ausschreibung auf der Betriebsbörse der Handwerkskammer Düsseldorf hat sich bisher niemand gemeldet.
„Der Fachkräftemangel macht auch vor dem Kunsthandwerk nicht Halt“, sagt Klein. Warum der Beruf für viele nicht attraktiv genug ist, darauf weiß sie keine Antwort, kritisiert jedoch die schlechte Bezahlung während der Ausbildung.
Goldschmiedin aus Essen wurde Opfer von Trickdieben
Außerdem bringt die Arbeit in einer Goldschmiede scheinbar ein gewisses Berufsrisiko mit sich. Klein kenne fast keinen Kollegen und keine Kollegin, der oder die noch nicht ausgeraubt wurde. So wurde auch sie bereits Opfer eines Trickdieb-Paares, erinnert sie sich: „Sie haben so getan, als würden sie ein Collier-Kettchen kaufen wollen. Das haben sie dann auch gemacht, aber nur, um herauszufinden, wo der Goldschmuck liegt.“ Schließlich nutzen die Täter eine vorgetäuschte Uhrenreparatur, um unbemerkt mit „einer ganzen Schublade voll Ketten“ aus dem Laden zu fliehen. Der Schaden lag bei rund 6000 Euro.
Ausverkauf ab Juli
Nach 18 Jahren schließt Antje Klein ihre Goldschmiede an der Schulte-Hinsel-Straße 16 am 30. September.Der Ausverkauf beginnt bereits im Juli. Kundinnen und Kunden können mit vielen Rabattaktionen rechnen.
Für Klein überwiegen dennoch die schönen Erinnerungen, wenn sie an ihre berufliche Laufbahn zurückdenkt. „Ich habe immer schon einen Sinn für schöne Dinge gehabt. Alles was glänzt, ist für mich wunderbar.“ Auch im Ruhestand will sie sich weiter kreativ ausleben – jedoch in einem anderen Bereich: „Ich möchte auf jeden Fall wieder mehr nähen.“