Essen. Der Mercedeshändler Lueg krempelt den Verkauf seiner Gebrauchtwagen um. Der Standort in Essen-Kray spielt dabei eine zentrale Rolle.
Wer einen Gebrauchtwagen beim Autohändler sucht, kennt die schier endlosen Streifzüge über große Fahrzeughöfe. Nicht nur das kostet oft Zeit. Für eine Probefahrt ist meist noch ein zweiter Termin notwendig. Beim Mercedes-Händler Lueg sieht die Zukunft des Gebrauchtwagenhandels künftig anders aus. Die Lueg-Gruppe aus Bochum hat ihr Verkaufskonzept völlig neu aufgestellt und verzahnt den Onlinehandel mit dem klassischen Autohaus. „Im Optimalfall kommen unsere Kunden zur Probefahrt und gehen mit einem unterschriebenen Kaufvertrag und ihrem Wunschfahrzeug“, sagt Vorstandssprecher Martijn Storm. Dafür habe Lueg den gesamten Kaufprozess digitalisiert.
Zentraler Verkaufsort für das gesamte Ruhrgebiet wird künftig das Gebrauchtwagencenter in Essen-Kray an der Rotthauser Straße sein. Auf dem ehemaligen Gelände des Opel-Autohauses van Eupen hat Lueg seine Aktivitäten aus den bislang zehn Standorten gebündelt. In den vergangenen Monaten wurden dafür sämtliche Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz und Smart am neuen Center nach und nach zusammengezogen. Auch alle 110 Mitarbeiter, die bisher in den einzelnen Autohäusern für den Gebrauchtwagenvertrieb zuständig waren, sind nun in Essen-Kray tätig.
Pilotprojekt von Lueg gemeinsam mit Mercedes
Lueg spricht von einem bislang einmaligen Pilotprojekt in der Gebrauchtwagenbranche, dass das Unternehmen, zusammen mit der Automobilhersteller Mercedes testet. Neu sind dabei gleich mehrere Dinge: So gibt es bei Lueg in Kray den bislang üblichen Gebrauchtwagenhof nicht mehr. Stattdessen suchen sich die Käufer und Käuferinnen ihren gewünschten Wagen am Computer aus – zu Hause oder vor Ort im Gebrauchtwagencenter.
Lueg reagiert damit nach eigenen Angaben auf ein verändertes Kundenverhalten: Bis zu 90 Prozent der potenziellen Käufer schaue sich heutzutage im Internet nach Gebrauchtwagen um und nehme darüber auch Kontakt mit Händlern auf. Der Markt sei damit weniger lokal, Käufer nähmen längere Wege in Kauf. Der bevorzugt samstägliche Besuch auf dem Gebrauchtwagenhof sei mehr und mehr Geschichte.
Damit sich die potenziellen Käufer dennoch ein umfassendes Bild von den Fahrzeugen machen können, scannt Lueg mit einer speziellen Technik alle Gebrauchtwagen von innen und außen. So erhält der Kunde ein virtuelles 360-Grad-Abbild des Autos. Bis auf wenige Millimeter könne man im Netz an das Fahrzeug heranzoomen, heißt es bei Lueg.
Zur Probefahrt kommen die Kunden anschließend ins modern gestaltete Gebrauchtwagencenter nach Kray. Denn auch wenn sich viele gern ein Fahrzeug zu Hause auf dem Sofa auswählten; „die meisten Käufer wollen es vor dem Kauf sehen, hören und auf Herz und Nieren prüfen“, meint Tim Roderwieser, der die Sparte Pkw-Gebrauchtwagen bei Lueg leitet. Der Wunschwagen soll in kürzester Zeit (just in time) aufbereitet und für eine Probefahrt zur Verfügung stehen – laut Lueg ein Novum in der Gebrauchtwagenbranche.
Schlüssellose Probefahrt
Die Probefahrt funktioniert im Übrigen schlüssellos: Vereinbart ein Kunde diese online, bekommt er mit der Terminbestätigung einen Downloadlink zu einer App, die den Schlüssel ersetzt. Das funktioniert nicht nur online oder bei vorheriger Terminbuchung, sondern auch bei Kunden, die spontan vorbeikommen.
Für Lueg hat das neue Vertriebssystem den Vorteil, dass das Unternehmen künftig weniger Verkaufsfläche für seine Gebrauchtwagen braucht. Denn die Kundinnen und Kunden sehen nur das Fahrzeug, das sie vorab ausgewählt haben. Damit nimmt Lueg auch die Strategie von Mercedes-Benz vorweg, das die Verkaufsfläche für seine Fahrzeuge bis 2028 deutlich verringern will.
In diesem Jahr plant die Lueg-Gruppe mit einem Jahresabsatz von 7500 Gebrauchtwagen bzw. einem Umsatz von rund 200 Millionen Euro. Mittelfristig biete das Center ein Absatzpotenzial von bis zu 15.000 Gebrauchtwagen pro Jahr.