Essen-Ostviertel. Zwischen Ruhrpott-Idyll und Verbrechen: In „Essen, Sessenbergstraße“ stolpert ein Rentnerpaar über Leichen. Was diesen Krimi so besonders macht.
Mit Oma Jette und Opa August hat der Essener Autor Rainer Sockoll ein ganz besonderes Paar erschaffen. Der pensionierte Bergmann und seine Frau sind Figuren aus dem Essener Arbeitermilieu der 1960er Jahre. Wie der Zufall es will, stolpern sie gelegentlich über Mordopfer – und selbstredend sind sie an der Aufklärung der heiklen Kriminalfälle auf die eine oder andere Weise beteiligt.
Bis es soweit ist, macht Sockoll die Leser mit den familiären Gegebenheiten der Protagonisten vertraut und führt sie Seite für Seite immer weiter in den Mikrokosmos der Sessenbergstraße im Essener Osten hinein, wo Jette und August ihr kleines Häuschen bewohnen. „Essen, Sessenbergstraße“ ist denn auch das Buch betitelt, das im Hummelshain Verlag erschienen ist. Und es hält noch weit mehr bereit als die Krimihandlung.
Zwielichtige Mordfälle rufen August auf den Plan
Zwei Fälle kann sich der Leser zu Gemüte führen: „Der Tote im Altpapier“ und „Jauchekuhle“. Im ersten Fall wird vor Ostern in einer Altpapierlagerhalle die Leiche von Hans Schönewald entdeckt. Der Personalchef der Bergbaugesellschaft war sehr unbeliebt. Zufällig dient eine Holzhütte auf dem Gelände August und seinen Freunden als Treffpunkt für einen Frühschoppen – und schon ist der pensionierte Bergmann Teil der Ermittlungen.
Ebenfalls hineingezogen wird August in den zweiten Mordfall: Der tyrannische Bauunternehmer Smuda wird im Frühjahr 1963 von einem Zug überfahren. Alles weist auf einen Selbstmord hin. Doch die Obduktion ergibt, dass Smuda ermordet wurde. August und sein Freund Heini hatten zuvor einen heftigen Streit mit ihm gehabt, können aber auf ein Alibi verweisen. Wer hat ihm nach dem Leben getrachtet? Vielleicht die Mafia?
Liebe zur Heimatstadt und zur Sprache des Ruhrgebiets
Rainer Sockoll, geboren 1954 in Essen, unterrichtete in Gelsenkirchen und bis zur Pensionierung 2019 im Münsterland Deutsch, Kunst und Musik. Zu Nicht-Coronazeiten spielt er in einer Band. Weil das gerade nicht geht, hat er zu schreiben begonnen. Die Liebe zur Heimatstadt und zur Sprache des Ruhrgebiets treibt ihn dabei an.
„Sprache muss funktionieren“, sagt Sockoll, der keine Angst vor der Verwendung des hier typischen Dialekts im Buch hat. Gleichfalls ist die Schilderung des Milieus authentisch: „Ich selbst bin in einer Kleingartenanlage aufgewachsen. Die eigenen Großeltern standen Pate für Jette und August.“
Im Spannungsverhältnis von Ruhrpott-Idyll und Verbrechen entwickeln sich seine Geschichten, an deren Ende es stets Rezepte aus Jettes Küche gibt (die natürlich aus dem Sockoll-Familienfundus stammen). Der Verlag hat bereits zwei weitere Jette-und-August-Storys vorliegen. Teil fünf und sechs des Romanzyklus’ hat der Autor schon fertig. Man darf gespannt sein.
Rainer Sockoll „Essen, Sessenbergstraße“, 236 S., Softcover, Hummelshain Verlag, 12,80 Euro (ISBN 978-3-943322-286)