Essen-Borbeck. Seit Ende 2021 müssen die Kunden der Stadtteilbibliothek Borbeck Treppen steigen - der Aufzug ist defekt. Dies wird wohl noch Monate so bleiben.

Barrierefreiheit ist in der Stadtteilbibliothek Borbeck derzeit nur ein Wort. Schon seit Dezember 2021 ist der Aufzug im Haus an der Gerichtsstraße 20 defekt – und ein Ende ist nicht abzusehen, da die Reparatur auf sich warten lässt. Die Stadt als Mieter erwägt nun, selbst aktiv zu werden.

„Die Stadt Essen schöpft alle möglichen Mittel aus – auch in Bezug auf juristische Schritte – , um die Mängel am Objekt schnellstmöglich durch den Vermieter abstellen zu lassen“, erklärt Stadtsprecher Patrick Betthaus. „Laut Aussage des Eigentümers, der Thelen-Gruppe, haben die benötigten Ersatzteile allerdings derzeit erhebliche Lieferzeiten, sodass mit einem Beginn der Arbeiten zur Instandsetzung möglicherweise erst im Oktober 2022 gerechnet wird.“

Reparatur des Aufzugs könnte sich bis Oktober hinziehen

Die Hoffnung auf eine schnelle Instandsetzung des Aufzugs hat sich bislang noch nicht erfüllt.
Die Hoffnung auf eine schnelle Instandsetzung des Aufzugs hat sich bislang noch nicht erfüllt. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Schlechte Nachrichten also für die zahlreichen Kunden, die die Bücherei in ersten Stock – eine der größten Zweigstellen der Stadtbibliothek – weiterhin nur über die Treppe erreichen können. Ein unhaltbarer Zustand, denn beispielsweise Rollstuhlfahrer, gehbehinderte Menschen, die auf Rollatoren angewiesen sind, leiden unter der Situation erheblich. Oft bleibt ihnen der Weg in die Bibliothek gänzlich verwehrt. „Wir versuchen, diesen Kunden nach Kräften den Weg abzunehmen und bringen ihnen die ausgeliehenen Bücher und Medien persönlich nach unten“, erklärt Bibliotheksleiterin Maria Heitkamp. Mütter, die mit dem Nachwuchs unterwegs sind, haben die Möglichkeit, ihre Kinderwagen im Erdgeschoss einzuschließen. Der Weg über die Treppe bleibt ihnen mit dem Kind auf dem Arm allerdings nicht erspart.

Helfer der „Essener Arbeit“ unterstützen das Team bei der Auslieferung der Medien

Doch auch das Personal gerät durch den Ausfall des Aufzugs mehr und mehr an seine Grenzen. „Wir müssen täglich etwa drei volle Bücherkisten mit Bestellungen aus anderen Büchereien nach unten tragen“, sagt Maria Heitkamp. „Und jeder weiß, was eine Kiste voller Bücher wiegt.“ Die Stadt hat nun auf die Misere reagiert und stellt dem Team bis zur Instandsetzung des Aufzugs Mitarbeiter der Essener Arbeit-Beschäftigungsgesellschaft mbH zur Seite, die den Abtransport der Lieferungen übernehmen. Die Helfer sind zu den Öffnungszeiten ca. eine Stunde lang vor Ort. Die monatlichen Kosten inklusive An- und Abfahrt belaufen sich auf rund 2.500 Euro brutto im Monat. Die Stadtverwaltung prüft derzeit, inwiefern diese Kosten beim Eigentümer geltend gemacht werden können.

Stadt Essen prüft die Möglichkeit der Ersatzvornahme

Doch damit nicht genug: „Von Seiten der Immobilienwirtschaft wird die Möglichkeit der Ersatzvornahme geprüft“, kündigt Patrick Betthaus an. Das heißt im Klartext: Unter Umständen lässt die Stadt den Aufzug in Eigenregie reparieren und stellt dem Eigentümer die Reparatur in Rechnung. Doch dazu muss erst einmal die Lage auf dem Ersatzteilmarkt sondiert werden.

Für den Abtransport der Bücherkisten mit Lieferungen für andere Stadtteilbibliotheken erhält Maria Heitkamp nun Hilfe von der Essener Arbeit. Im Dezember dieses Jahres geht die Leiterin der Zweigstelle Borbeck in den Ruhestand.
Für den Abtransport der Bücherkisten mit Lieferungen für andere Stadtteilbibliotheken erhält Maria Heitkamp nun Hilfe von der Essener Arbeit. Im Dezember dieses Jahres geht die Leiterin der Zweigstelle Borbeck in den Ruhestand. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Zumindest mittelfristig könnten die Probleme der Borbecker Bücherei auf ganz anderem Wege gelöst werden. So stellten im Oktober 2021 Studierende der Universität Essen-Duisburg anlässlich des neu geschaffenen Bezirksforums „Planen und Bauen“ im Mädchengymnasium Borbeck (siehe Infobox) ein Konzept zur Dezentralisierung der Stadtteilbibliothek Borbeck vor, das nicht nur in der Bezirksvertretung IV, sondern auch bei Händlervertretung „Cebo“ großen Anklang fand. Ein von CDU, SPD und Grünen getragener gleichlautender Prüfantrag wurde in der letzten BV-Sitzung vorgestellt.

Bezirksvertretung stellt Prüfantrag zur Verlegung der Bücherei an anderen Standort

Bezirksforum Planen und Bauen

Mit dem Format „Bezirksforum Planen und Bauen“ hat die Stadt Essen ein neues Dialog- und Teilhabeformat für Bürgerinnen und Bürger, Politik und Verwaltung aufgelegt. Das Format ist ein Angebot, sich aktiv in die Planung einzubringen.Als Pilotprojekt wurde dieses Forum im Bezirk IV – Bedingrade, Bergeborbeck, Borbeck, Bochold, Dellwig, Frintrop, Gerschede, Schönebeck – gestartet. Im Oktober 2021 hatten sich zwölf Ämter und Fachbereiche der Stadt Essen und externe Partner im Mädchengymnasium Borbeck (MGB) getroffen, informiert und zum Perspektivwechsel ermutigt und Mitmachen aufgefordert.

Das erarbeitete Konzept sieht vor, die Bücherei künftig an zwei Standorten zu führen, die unterschiedliche Angebote vorhalten. Dies alles mit dem Ziel, die Stadtteilbibliothek weiter zu entwickeln und die geplante niederschwellige Erreichbarkeit besonders von digitalen Medien in zentraler Lage sicher zu stellen. In der Vergangenheit hatte besonders das Stadtteilparlament die Randlage der Stadtteilbibliothek moniert und dabei auch einen neuen zentralen Standort in Erdgeschosslage diskutiert. Bereits im Jahr 2018 hatte es in Abstimmung mit dem Cebo und dem Borbecker Bürger- und Verkehrsverein (BBVV) einen Antrag der Bezirksvertretung gegeben, einen Umzug zum Borbecker Platz zu prüfen.

Als mögliche neue Standorte hatten die Studierenden von der Uni Duisburg-Essen nun zwei ehemalige Filialen von Geldinstituten auserkoren: Zum einen die ehemalige Sparda-Bank an der Marktstraße und zum anderen die Deutsche Bank am Germaniaplatz. Letztere wird nun allerdings ab Mai mit einer Finanzberatung in die frühere Sparda-Bank-Filiale ziehen. „Der Mietvertrag gilt für die kommenden fünf Jahre“, erklärt Vermieter Jürgen Becker.

Stadt soll das Bücherei-Personal aufstocken

Doch Teile des Konzepts könnten noch immer in der leerstehenden Immobilie der Deutschen Bank realisiert werden. Des weiteren fordert die Bezirksvertretung die Verwaltung in ihrem Antrag auf, nach weiteren geeigneten Immobilien für eine Umsiedelung der Stadtteilbibliothek zu fahnden. Dann in Abstimmung auch mit der Essen Marketing (EMG), ob diese mit Hilfe des „Sofortprogramm Innenstadt“ zu finanzieren seien. Bislang lief das Förderprogramm des Landes, das subventionierte Mieten bis zu 80 Prozent Rabatt ermöglicht, eher schlecht in Borbeck und entfaltete nicht die von der EMG erhoffte Wirkung, sprich die Ansiedelung neuer Unternehmungen im Stadtteil.

Ob der alte Standort an der Gerichtsstraße künftig vollends aufgehoben werden soll, muss sich indes noch zeigen. „Um das Angebot dort mit seinen aktuellen Öffnungszeiten aufrecht erhalten zu können, sollte bei der Realisierung eines zusätzlichen Standortes auch eine Aufstockung des Personals geprüft werden“, erklärt Bezirksbürgermeisterin Margarete Roderig. Was durchaus sinnvoll erscheint, denn Maria Heitkamp, langjährige Leiterin der Borbecker Stadtteilbibliothek, wird zum Ende dieses Jahres in den Ruhestand gehen.