Essen. Theater Freudenhaus: Conni Sandmann übergibt Geschäftsführung an Anne Falk. Wahlessenerin will neue Formate testen und jüngere Zuschauer finden.
Vorhang auf für Anne Falk. Die Kulturmanagerin traut sich was. Zum Beispiel ein freies Theater zu übernehmen, das wie viele Bühnen um die Existenz kämpft. Der Corona-Lockdown kommt erschwerend hinzu. Am Freudenhaus ist die Ruhrgebietskomödie schon lange kein Alleinstellungsmerkmal mehr. „Die werden auch anderswo gespielt“, sagt Conni Sandmann. Die langjährige Geschäftsführerin, die jetzt mit 62 in Rente geht, hat ihrer Nachfolgerin die Situation bei der Übergabe deutlich gemacht. „Wir müssen uns verändern und neue Wege gehen“, sagt Anne Falk voller Tatendrang.
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1996 war ein Schicksalsjahr. Das Theater Freudenhaus wurde im Kulturzentrum Grend aus der Taufe gehoben und mit ihm Sigi Domkes prägendes Stück „Freunde der italienischen Oper“, das fünfmal die Woche gespielt wurde. Zudem eroberte das Musical „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ Essen und öffnete das Herz einer gebürtigen Duisburgerin. Als 17-Jährige kam Anne Falk vom Niederrhein in die Ruhrmetropole, um eine kaufmännische Ausbildung zu machen, und ging nicht mehr. „Auch nicht als ein attraktiver Hamburger um die Ecke kam“, mit dem sie zwei Söhne hat.
„Theater ist ein Teil meines Lebens. Ich liebe es“
„Ich bin zufällig zur Kultur gekommen“, so Anne Falk. Sie wollte sich verändern und bewarb sich für das Kindermanagement des Andrew-Lloyd-Webber-Musicals. „Bei ,Joseph‘ hat sich mir eine neue Welt eröffnet. Bis dahin war Arbeit Geldverdienen. Heute ist Theater ein Teil meines Lebens. Ich liebe es.“ Die Offenheit, die damit einhergeht, nimmt sie für sich ebenso in Anspruch wie Teamfähigkeit, über den Tellerrand hinausschauen und Widrigkeiten mit einem Lächeln begegnen zu können. Davon hat sie einige erlebt bei Musicals wie „Dirty Dancing“, „Shrek“, „Tabaluga & Lilli“ oder „Cats“ und in Projektarbeit bei „Ruhr.2010“ über „Essen – Grüne Hauptstadt Europas“ bis zu den Ruhrfestspielen.
Sie war Company Managerin, Leiterin des Betriebsbüros, Produktionsleiterin und vieles mehr. Doch hat die 49-Jährige bisher stets an gut ausgestatteten Produktionen mitgearbeitet und nie an freien Theatern. „Da kommt mir meine Ausbildung zugute. Ich bin eine penible Rechnerin“, betont Anne Falk. Das muss sie auch sein, um Fördergelder aufzutreiben und Spenden. Nur mit dem Eintritt lässt sich das Theater nicht finanzieren. Zunächst verschafft eine dreijährige Förderung vom Land einen Puffer, um „neue Formate auszuprobieren und jüngere Zuschauer zu finden“.
Der Traum vom neuen Job in der Heimatstadt
Allein das Nachbarschaftsprojekt „Auf der Suche nach der Seele von Steele“, das bereits vor ihrem Start losging, findet sie wunderbar. Aber auch Traditionelles wie das Kult-Stück „Freunde der italienschen Oper“, das sie bei Auffrischungsproben sah, müsse erhalten und mit Zukünftigem zusammengeführt werden. Wenn sie vom geplanten Sommertheater spricht oder dem Rahmenprogramm für die Hofmärkte, von „Gretchen 89ff.“ oder „Die Kriegerin“, bricht ihre Begeisterung immer wieder durch.
Wie das dann in der Corona-Zeit umgesetzt werden kann, müsse sich noch zeigen. „Ich werde das Haus nicht neu erfinden, aber Presse und Marketing genau anschauen und eventuell digitale Wege gehen“, erklärt sie. Mit dieser Position in ihrer „Heimatstadt“ geht für sie ein Traum in Erfüllung. Und dass ihr mit den Künstlern eine weitere Familie geboten wird, gefällt ihr auch. Schließlich studiert ihr älterer Sohn in Berlin, der jüngere macht gerade Abi und will Comedian werden.
Conni Sandmann verlässt die Freudenhaus-Familie nach 18 Jahren. Auf ihrem Sweatshirt steht: Ihr schafft das schon – auch ohne mich. „Es hat was von zu Hause ausziehen. Ein neuer Lebensabschnitt steht bevor. Nur, dass ich jetzt nichts mehr beweisen muss“, sagt Conni Sandmann. 26 Produktionen und drei künstlerische Leiter hat sie begleitet, zwei Todesfälle und schätzungsweise vier oder fünf Geburten mitbekommen. „Das kleine Theater ist mir sehr nah.“ Die Kollegen wussten, als ihr Vater und ihr Bruder starben, dass sie Gemüse anbaut und ein Faible für Kunst, Mathematik und Astronomie hat.
Richtiger Zeitpunkt für den Abschied
Sie geht vorzeitig in Rente, weil ihr der Zeitpunkt angesichts der Förderung gerade richtig erscheint. Angst, dass sie in ein Loch fallen könnte, hat sie nicht. „Die 18 Jahre waren immer auch mit Druck verbunden. Ich stelle mir das sehr schön vor, die Verantwortung nicht mehr zu tragen“, meint sie. Sie wird ihren Garten beackern, die Füße hochlegen und puzzeln. Und wie Anne Falk, die Gesamtschülern im Essener Norden mit Paten für Arbeit in Essen e. V. die Bedeutung einer Ausbildung nahebringt, wird sie sich weiter sozial engagieren. Sie wird, wie seit 20 Jahren, Menschen in den Tod begleiten, während die neue Geschäftsführerin um das Überleben des Theaters kämpft.