Essen. Für eine Theatercollage befragt das Freudenhaus-Team Bürger über ihren Stadtteil. Wie das Leben an der Ruhr den Steelenser Dieter Kunst bewegt.
Das Theater Freudenhaus geht an die frische Luft. Schließlich gilt es, mit Bürgern auf Spaziergängen den Stadtteil zu ergründen und eine solide Plattform für einen Theaterabend zu schaffen: „Auf der Suche nach der Seele von Steele“. Das vom Land geförderte Projekt trägt zur Neuausrichtung des Kulturzentrums Grend bei. Im Herbst soll die Premiere gefeiert werden und das 25-jährige Bestehen in Steele.
Als Rainer Besel, künstlerischer Leiter des Theater Freudenhaus, mit dem alteingesessenen Dieter Kunst loszieht, fisselt es. Sie laufen runter zur Ruhrpromenade begleitet von Raphael Batzik an der Kamera, der ursprünglich zum Theater Essen Süd gehört. Beim Kunstobjekt „Zwei Stelen für Steele“ von Uli Krämer machen sie Halt. Das sollte vor gut zehn Jahren der Beginn eines Skulpturenpfads werden. Doch nach dem 2014 aufgestellten „Ruhrspringer“ am Schwimmverein, fand sich nicht die erhoffte Unterstützung für das Anliegen der Steeler Bürgerschaft. „Alleine können sie das nicht stemmen“, erklärt Kunst, dessen Name Programm ist.
Sein Lieblingsort ist das Spillenburger Wehr
Bis zum Bergbaudenkmal für die Zeche Johann Deimelsberg führt der Weg noch, wobei sein Lieblingsort, das Spillenburger Wehr, ein Stück weiter liegt. Der gelernte Fotograf war in der Werbung und für verschiedene Bildagenturen tätig und betreibt eine Galerie. Inzwischen bezieht er Rente, befindet sich aber im Unruhestand. Er mischt bei Steele TV mit und setzt sich in unterschiedlichen Fotoserien mit Menschenbildern auseinander. An ihm muss Rainer Besel keinen Fragenkatalog abarbeiten. Er erzählt gerne von seinen vielfältigen Aktivitäten und wie tief er in Steele verwurzelt ist.
1835 siedelten sich seine Vorfahren an, 1842 gründeten sie den ersten Installationsbetrieb, der bis vor zehn Jahren existierte. „Steele war ein Zentrum des metallverarbeitenden Handwerks. Da hat man die Zukunft gesehen“, berichtet Dieter Kunst. Er ist ein echter Steelenser. Auf dem Areal eines Fast-Food-Restaurants stand sein Geburtshaus. „Früher hieß es ,das braune Haus’, weil dort die Nationalzeitung ein Büro hatte. Ich bin nicht stolz darauf“, betont er distanziert. „Es ist ein Stück Zeitgeschichte.“
Lieber in Steele leben als an der Atlantikküste
Gefragt, was er tun würde, wenn er König von Steele sei, meint er gerade heraus: „Einmal im Monat ein Fest veranstalten, bei dem sich alle Kulturen treffen.“ Seine Antwort kommt aus dem Herzen. Für ihn ist es daher keine Frage, wo er seinen Lebensmittelpunkt sieht. Die Stadtteilsanierung in den 1960er und 1970er Jahren, die Fachwerkhäuser und Gründerzeitbauten vernichtete für Hochhäuser und mehrspurige Straßen, schlug ihn nicht wie andere in die Flucht. Er hat zwar einen zweiten Wohnsitz an der französischen Atlantikküste, sagt aber: „Ich bin lieber hier. Heimat ist Sprache und es sind die Menschen. Sie sind bodenständig und nahbar.“ Vielleicht sind sie die Seele von Steele.
Rainer Besel und seine Mitstreiter werden es herausfinden. Neben dem technikaffinen Schauspieler und Regisseur Raphael Batzik vom Theater Essen Süd, sind die freien Akteure Aless Wiesemann und Thos Renneberg noch dabei. Sie führen die Gespräche mit gebürtigen und zugezogenen Einwohnern, machen Bild- und Tonaufnahmen und werden später auf der Bühne stehen, um das Erzählte als Lesung, in gespielten Szenen sowie multimedial auf die Bühne zu bringen. Dabei spielen die Live-Musik-Bar Freakshow, das Grend, nicht mehr existierende Kinos, der Kaiser-Otto-Platz, die Kirche St. Laurentius, natürlich die Ruhr und vieles andere mehr eine Rolle, das Steele ausmacht.
Mit den Menschen ins Gespräch kommen
„Ich habe eigentlich nichts zu erzählen, sagen viele vor dem Gespräch und dann hören sie gar nicht mehr auf“, ist die Erfahrung des Theater Freudenhaus-Leiters Rainer Besel. Wie sich die Theatercollage, die in der kommenden Saison Premiere haben soll, konkret gestaltet, kann er noch nicht sagen. „Eines haben wir aber schon geschafft“, sagt Besel. „Wir sind mit den Menschen ins Gespräch gekommen.“ Ganz unabhängig von der Wetterlage.