Essen-Stadtwald. Mitglieder des Arbeitskreises Essen 2030 plädieren für eine städtische Satzung, um den Abriss von Häusern in Essener Siedlung zu verhindern.

Entsetzt reagieren Mitglieder des Arbeitskreises Essen 2030 auf die Pläne der GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft, innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Häuserzeile an der Angerstraße in Essen-Stadtwald abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Die Experten aus unterschiedlichen Berufen wollen die Stadt auffordern, eine Erhaltungssatzung zu erlassen. Damit wollen sie den Abriss der Bauten in der historischen Eyhof-Siedlung verhindern oder zumindest erschweren.

Der Arbeitskreis kümmert sich seit über 30 Jahren ehrenamtlich um Themen wie Architektur und Stadtentwicklung. „Der Abriss der Häuserzeile wäre eine Katastrophe. Er würde die komplette Symmetrie der Siedlung zerstören, die kurz nach der denkmalgeschützten Gartenstadt Margarethenhöhe erbaut wurde und architektonisch einen durchaus vergleichbaren Stellenwert einnimmt“, erklärt der Kunsthistoriker Johannes von Geymüller, der Mitglied im Arbeitskreis Essen 2030 ist und sich intensiv mit der Entstehungsgeschichte der Eyhof-Siedlung beschäftigt hat.

Unterstützung für die betroffenen Bewohner an der Angerstraße

„Wir sind durch die Berichterstattung in der Stadtteilausgabe der WAZ/NRZ auf den geplanten Abriss der Häuser Angerstraße 17 bis 29 durch die GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft aufmerksam geworden und sind entsetzt“, erklärt der Jurist und ehemalige vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Gerd-Ulrich Kapteina, Sprecher des Arbeitskreises. „Wir unterstützen die Bewohner der Häuser, die sich gegen den Abriss wehren, und werden unseren Wunsch nach einer städtebaulichen Erhaltungssatzung zeitnah an die Stadt herantragen.“

Die Ornamente an den Fassaden finden sich an den vom Abriss bedrohten Gebäuden an der Angerstraße und auch sonst an vielen Häusern der Eyhof-Siedlung.
Die Ornamente an den Fassaden finden sich an den vom Abriss bedrohten Gebäuden an der Angerstraße und auch sonst an vielen Häusern der Eyhof-Siedlung. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Nicht nur die unmittelbar betroffenen Bewohner, die beim Abriss der Häuser ausziehen müssten, sondern auch die Nachbarn im Umfeld wehren sich gegen die Pläne. Sie fürchten um den Charakter ihres historisch gewachsenen Quartiers, das als Eyhof-Siedlung bekannt ist, ursprünglich aber Stadtwald-Siedlung hieß. „Der Abriss der Häuserzeile könnte der Beginn einer städtebaulichen Katastrophe sein und weitere Eingriffe nach sich ziehen“, befürchtet Johannes von Geymüller.

Die Eyhof-Siedlung steht nicht unter Denkmalschutz

Im Gegensatz zur Gartenstadt Margarethenhöhe steht die Siedlung Stadtwald nicht unter Denkmalschutz. „Der ist aber für eine Erhaltungssatzung auch nicht erforderlich. Das Baugesetzbuch gibt Städten ganz bewusst die Möglichkeit, mit einer solchen Satzung den Erhalt von Quartieren mit stadtteilprägenden Eigenarten zu beschließen, auch unterhalb der Schwelle des Denkmalschutzes“, erläutert Gerd-Ulrich Kapteina. Entscheidend sei die historische, künstlerische oder sonstige Bedeutung solcher baulicher Ensembles.

Architekt Josef Rings arbeitete auch für Krupp

Der Architekt der Siedlung Stadtwald, Josef Rings (1878-1957), sei von 1912 bis 1919 im Baubüro Krupp tätig gewesen und habe auch mit Georg Metzendorf, dem Architekten der Margarethenhöhe, zusammengearbeitet. Während die Margarethenhöhe vor dem Ersten Weltkrieg entstand, fand die Gartenstadt-Architektur in den 1920er Jahren ihre Fortsetzung in der Eyhof-Siedlung in Stadtwald.

Diese erstreckt sich unterhalb der Frankenstraße zungenförmig Richtung Wald. Die Angerstraße bildet parallel zur Frankenstraße den breiten Rand und damit eine wichtige Achse der symmetrisch konzipierten und durch ein Torhaus zu erreichenden Siedlung, so der Kunsthistoriker Johannes von Geymüller.

Eine solche Satzung schließe nicht aus, dass trotzdem neu gebaut werden könne. „Aber es werden viel mehr Kriterien geprüft. Der Abriss würde dadurch viel schwieriger und nur mit besonderer Genehmigung möglich“, so Gerd-Ulrich Kapteina. Er plädiert dafür, dass Essen – wie andere Städte auch – seine erhaltenswerten Quartiere und baulichen Raritäten schützen solle.

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Betroffene Häuser weisen die typischen Ornamente auf

Die Siedlung Stadtwald entstand zwischen 1920 und 1924 unter der architektonischen Leitung von Josef Rings. Die Häuser aus den einzelnen Bauphasen wiesen zwar Unterschiede auf, aber eben auch deutliche Gemeinsamkeiten wie die grafischen Ornamente an den Fassaden oder die Loggien. Genau diese Elemente hätten auch die vom Abriss bedrohten Häuser an der Angerstraße und gehörten deshalb zweifelsohne zur Eyhof-Siedlung.

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Dieses historische Foto zeigt den Blick in den Grünhof in der Stadtwald-Siedlung.
Dieses historische Foto zeigt den Blick in den Grünhof in der Stadtwald-Siedlung. © FUNKE Foto Services | Repro: Julia Tillmann

Johannes von Geymüller zitiert zur Bedeutung der Siedlung aus einem Werk des Essener Beigeordneten Hermann Ehlgötz von 1925: „Das große Gegenstück zur Margarethenhöhe bildet in diesem Bauzweige die mit hervorragender städtischer Beteiligung erstellte Stadtwaldsiedlung für den Mittelstand, ein Muster von Sachlichkeit und Zweckmäßigkeit, mit verbindlichster Liebe in die prächtige, grüne Umgebung hineinkomponiert.“

Arbeitskreis befürchtet die Verdrängung bestimmter sozialer Schichten

Die Mitglieder des Arbeitskreises befürchten beim Abriss der rund 100 Jahre alten Häuser den Verlust von Grünflächen, da Neubauten wahrscheinlich mehr Raum beanspruchten. Auch eine Gentrifizierung, also die Verdrängung bestimmter sozialer Schichten aus dem Umfeld, sei zu befürchten, so Gerd-Ulrich Kapteina. „Noch sind die Mieten, gerade auch für die älteren, oft langjährigen Mieter an der Angerstraße vertretbar. Ob sie sich später die Wohnungen in den Neubauten im Essener Süden noch leisten könnten, sei dagegen fraglich.

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