Essen-Stadtwald. Seit Monaten kämpfen Bürger und Experten gegen den Abriss von über 100 Jahre alten Häusern in Stadtwald. Das Thema beschäftigt auch die Politik.

Gegen den Teilabriss der rund 100 Jahre alten Eyhof-Siedlung in Essen-Stadtwald läuft derzeit eine Online-Petition, die schon über 800 Bürger unterstützen. Mit der Petition will die Bürgerinitiative Eyhof-Siedlung gegenüber der Stadtspitze deutlich machen, dass viele Bürger den Kampf um den Erhalt von sieben Häusern an der Angerstraße unterstützen. Eine mögliche Erhaltungssatzung für die Eyhof-Siedlung soll außerdem Thema in der nächsten Sitzung des Stadtplanungsausschusses, voraussichtlich am 18. Februar, sein.

CDU und Grüne sowie die Linken wollen dazu gesonderte Anträge einbringen. Während die Linken eine Erhaltungssatzung für die Siedlung fordern, will die CDU erst einmal klären, welche Folgen eine solche Satzung für die gesamte Siedlung und ihre Bewohner haben würde. „Es kann ja sein, dass eine Erhaltungssatzung dazu führen würde, dass man nichts mehr an den Häusern verändern darf. Außerdem soll die Verwaltung darlegen, was rechtlich überhaupt möglich ist“, erklärt der örtliche CDU-Ratsherr Sven Köhler, der sich auch zu gegebener Zeit eine Bürgerversammlung zur Klärung dieser Fragen vorstellen kann.

Die alten Häuser in Essen-Stadtwald sollen Neubauten weichen

Die GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft eG plant den Abriss der Häuser an der Angerstraße 17 bis 29 neben dem markanten Torbogen, der den Eingang zur historischen Eyhof-Siedlung bildet. An der Stelle sollen Neubauten entstehen. Seit Monaten regt sich massiver Widerstand gegen diese Pläne, sowohl von Bürgern, die dort teils seit Jahrzehnten wohnen und ihre Wohnungen verlassen müssten, als auch von Architektur-Experten, die den Verlust der Symmetrie der Siedlung befürchten.

Sechs Häuser an der Angerstraße sollen für Neubauten weichen.
Sechs Häuser an der Angerstraße sollen für Neubauten weichen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Bürger befürchten, dass der Neubaukomplex größer als die vorhandene Bebauung ausfallen und damit Grünflächen und Frischluftschneisen verloren gehen könnten. Sie plädieren für den kompletten Erhalt der bauhistorisch und stadtgeschichtlich bedeutsamen Siedlung und fordern eine Erhaltungssatzung für das Ensemble. Die Bezirksvertretung II hatte sich bereits im August 2020 mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Abriss eines wesentlichen Teils der Siedlung zu verhindern.

Wegbereiterin des „Neuen Bauens“

Die Eyhof-Siedlung gilt in der Fachliteratur als Wegbereiterin des „Neuen Bauens“ der 1920er-Jahre. Sie steht jedoch nicht unter Denkmalschutz, weil es zahlreiche bauliche Veränderungen von einzelnen Häusern zur Anpassung an heutige Normen gebe.

„Das sozialpolitische Anliegen des Architekten war es, durch die entsprechend unterschiedlichen Haustypen dieser Siedlung verschiedene Einkommensschichten zusammenzuführen. Durch die oben genannten Neubaupläne würde diese in der Architektur sich spiegelnde soziale Bedeutung einer Gentrifizierung zum Opfer fallen, mit verheerenden konkreten Folgen: Alt eingesessene Bewohner würden aus ihrem heimatlichen Quartier vertrieben, weil sie die zu erwartenden, hohen Mieten in den Neubauten nicht mehr bezahlen könnten“, heißt es in der Begründung der Petition. Die Wohnungen seien sanierungsfähig, der geplante Abriss und anschließende Neubau eine Energie- und Ressourcenverschwendung. Statt Nachhaltigkeit werde der geplante Neubaukomplex zu weiterer klimaschädlicher Bebauungsverdichtung und Bodenversiegelung führen.

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Das sieht auch Hannah Feldhammer so, die die Petition als Bewohnerin der Eyhof-Siedlung und promovierte Kunsthistorikerin unterstützt. Wegen Corona sei eine Unterschriftensammlung nur auf diese Weise möglich. Mit der Resonanz auf die Online-Petition sei sie bisher sehr zufrieden. Aber: „Ich bedauere, dass es in Essen so wenig Interesse an Architektur gibt“, sagt sie.

Sitzung des Planungsausschusses wurde coronabedingt verschoben

Auch der Arbeitskreis Essen 2030 setzt sich dafür ein, die Siedlung wegen ihrer städtebaulichen Bedeutung in ursprünglicher Form zu erhalten. Eine Erhaltungssatzung könne gerade solche Quartiere auch unterhalb der Schwelle des Denkmalschutzes sichern. Für eine solche Satzung wollen sich auch die Linken in ihrem Antrag für den Planungsausschuss aussprechen. So könne in Zukunft verhindert werden, dass Häuser dort ohne Genehmigung abgerissen würden. Der Ausschuss sollte eigentlich am 4. Februar tagen, der Termin wurde aber coronabedingt abgesagt. Nächster turnusmäßiger Termin wäre der 18. Februar. Ihren Antragsentwurf haben die Linken laut Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Jannoff den anderen Fraktionen zugesandt, aber noch keine Antwort erhalten.

Die Siedlung wurde von Architekt Josef Rings geplant

Laut Experten kommt der von dem Architekten Josef Rings geplanten und von 1920 bis 1924 gebauten Siedlung ein besonderer Platz in der Geschichte des Siedlungsbaus zu. Sie nehme im Sinne der Gartenstadtidee eine Position ein zwischen der Gartenstadt im Heimatstil, etwa der Margarethenhöhe, und einer Siedlung im Stil der Moderne, beispielsweise der unter Denkmalschutz stehenden Spinnstuhl-Siedlung in Gelsenkirchen-Hassel. Letztere wurde ebenfalls von Josef Rings geplant und gebaut.

Die setzen auf einen eigenen Antrag. Guntmar Kipphardt (CDU), Vorsitzender des Planungsausschusses, will sich zu dem geplanten Antrag noch nicht konkret äußern. Er betont aber, dass es sich bei der Eyhof-Siedlung um ein „optisch wunderschönes Ensemble“ handele. Eine so spiegelgleich aufgebaute Siedlung suche in Essen ihresgleichen, auch wenn er zum baulichen Zustand nichts sagen könne. Eine Erhaltungssatzung beschäftige sich nicht nur mit dem optischen Erscheinungsbild, sondern auch mit der sozialen Struktur, erklärt Kipphardt.

Wie weit die Pläne des Eigentümers gediehen sind, ist unklar. Laut GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft gibt es in Bezug auf die Eyhof-Siedlung aktuell keine Neuigkeiten, da man coronabedingt keine weiteren Gespräche habe führen können.

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