Essen. Verein baut in Essen einen Treff für Hochbegabte auf. Menschen mit überdurchschnittlicher Intelligenz leiden oft unter ganz besonderen Problemen.
Angebote für Hochbegabte gibt es in den Räumen des Vereins „Das Dorf“ an der Almastraße in Essen-Rüttenscheid. Gesprächsgruppen, Freizeitangebote und Beratung finden nach der Coronapause dort jetzt in Präsenz statt. Warum Hochbegabung nicht nur Segen, sondern allzu oft auch Fluch ist.
Für viele Hochbegabte ist die Schulzeit eine Qual. Das wissen Carina Michel (19) und Simon Witte (20) aus Erfahrung. Bei den Mitschülerinnen und Mitschülern gilt man als Streber, bei den Lehrerinnen und Lehrern als Störenfried oder arroganter Besserwisser, wenn man diese auf Fehler hinweist. Keine einfache Situation für die meist besonders sensiblen Heranwachsenden, die oft Mühe haben, Freunde und ihren beruflichen Weg zu finden.
„Es müsste ein anderes Lernkonzept geben. Hochbegabte sind in der normalen Schule unterfordert, schalten dann einfach ab“, meint Simon Witte, der trotz Hochbegabung nach der vierten Klasse die Empfehlung Hauptschule, Tendenz Förderschule, bekam und in der Folgezeit mehrere Male die Schule wechselte, weil er nirgendwo richtig klarkam. Wer hochintelligent sei, kämpfe nicht mit dem Unterrichtsstoff, sondern eher auf einer sozialen Ebene.
„Das sind nicht die Schüler, die ihr Abi mit 1,0 oder besser machen. Die arbeiten in der Regel hart dafür. Ich habe keinen Tag fürs Abi gelernt, es hat mich nicht interessiert“, sagt Witte, der am Ende einen Abi-schnitt von 3,8 erreichte. Er schrieb sich für ein Maschinenbau-Studium ein, berät aber daneben schon zu Kapitalanlagen, denn eigentlich will er in die Finanzbranche einsteigen.
Oft können sich Hochbegabte schlecht für einen Beruf entscheiden
Die Erfahrung, „irgendwie falsch“ zu sein, hat auch Carina Michel gemacht, die jetzt als zweite Vorsitzende von „Das Dorf“ anderen Betroffenen helfen will. Mit einem Abi-Schnitt von 3,6 begann sie erst ein Biologie-Studium, das sie aber wieder abbrach. Jetzt macht sie eine Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin, absolviert aber parallel schon Teile der Meisterprüfung. Es sei schwierig, sich angesichts vielfältiger Interessen und Fähigkeiten für den richtigen Beruf zu entscheiden, skizzieren Carina Michel und Simon Witte ein Problem der Hochbegabten.
Der Verein hat rund 80 Mitglieder
Der Verein „Das Dorf“ wurde Ende Februar gegründet und hat rund 80 Mitglieder. Der Vereinsname geht auf den Satz „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein Dorf“ zurück. Menschen mit einem Intelligenz-Quotienten (IQ) von über 130 gelten als hochbegabt. Sie machen etwa zwei Prozent der Bevölkerung aus. Kontakt zum Verein über www.dasdorf-ruhr.de
Im Treffpunkt an der Almastraße gibt es unter anderem Hilfe von Psychologinnen und Psychologen, die sich auf Hochbegabte spezialisiert haben und teils selbst im Familienkreis mit dem Thema konfrontiert sind. In den Vereinsräumen gibt es ehrenamtliche und kommerzielle Angebote wie Kochabende, Spieletreffs oder Coachings. „Wir verstehen uns als Begegnungsstätte, wollen Menschen mit Hochbegabung helfen, ein Netzwerk zu knüpfen“, sagt Schriftführerin Cornelia Hehl.
Der Treffpunkt ist offen für Menschen jeden Alters. „Oft kommen Familien zu uns. Eltern merken meist irgendwann, dass ihre Kinder anders sind als Gleichaltrige“, sagt die Vereinsvorsitzende Alexandra Bleck. Oft werde Hochbegabung als Konzentrationsstörung fehlinterpretiert und mit ADHS verwechselt.
Geschützter Raum für Kinder und Jugendliche
„Wir wollen Hochbegabten einen geschützten Raum bieten, sie mit Menschen zusammenbringen, die ähnliche Dinge erfahren und erleben. Gerade Kinder und Jugendliche sollen erfahren: Ich bin richtig, wie ich bin“, erklärt sie. Da es nur wenige Angebote für diese Zielgruppe gebe, kämen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Ruhrgebiet.
In der Begegnungsstätte fallen Pinguinfiguren aus verschiedenen Materialien auf. Sie sind sozusagen die Wappentiere des Vereins. „Jeder muss sein Element finden, in dem er sich zu Hause fühlt“, erklärt die Vorsitzende das von Fernseharzt Eckart von Hirschhausen bekannt gemachte Pinguin-Prinzip.