Essen. Trotz Ermittlungen der Staatsanwaltschaft will Essen will die „Müll-Ehe“ mit dem Entsorger Remondis verlängern. Aber es gibt ein Hintertürchen.

Ungeachtet staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen bei den Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) wird die Stadt die Zusammenarbeit mit dem privaten Müllentsorger Remondis fortsetzen. Darauf haben sich CDU und Grüne vor der nächsten Sitzung des Stadtrates verständigt. Am kommenden Mittwoch entscheidet der Rat über die Verlängerung der Leistungsverträge mit der EBE, an der Remondis mit 49 Prozent beteiligt ist. Eine Mehrheit dafür darf als sicher gelten.

„Wir haben uns die Entscheidung für eine weitere Zusammenarbeit nicht leicht gemacht, aber die von der Stadtverwaltung ausgehandelten verbesserten Leistungsverträge haben uns überzeugt“, sagt Fabian Schrumpf, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat der Stadt.

Eine Rekommunalisierung der EBE würde Essen mindestens 38 Millionen Euro kosten

Die Stadtverwaltung legt dem Rat eine Verlängerung bis zum Jahr 2028 nahe. Erst dann müssen die Verträge über die Müllentsorgung europaweit ausgeschrieben werden. Von einer vorzeitigen Rückführung der EBE in kommunale Hände rät die Verwaltung ab. Eine solche Rekommunalisierung würde die Stadt nach Berechnung des Kämmerers mindestens 38 Millionen Euro kosten.

Remondis würde also eine Stange Geld einstreichen, sollte sich die Stadt von ihrem privaten Partner vorzeitig trennen. Remondis hat aber offensichtlich großes Interesse daran, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Der Branchenriese sei der Stadt in den Verhandlungen sehr weit entgegengekommen, heißt es. Das Geschäft mit dem städtischen Müll scheint sich also zu lohnen. Zwischen sieben und acht Millionen Euro warf die EBE in den vergangenen Jahren ab, 43 Prozent davon gingen an Remondis. Der Entsorger will sich künftig mit 40 Prozent zufrieden geben.

Containerstandorte sollen künftig mindestens zwei Mal pro Woche von der EBE gereinigt werden, bei Bedarf auch öfter.
Containerstandorte sollen künftig mindestens zwei Mal pro Woche von der EBE gereinigt werden, bei Bedarf auch öfter. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

CDU und Grüne versprechen sich von den nachgebesserten Leistungsverträgen, dass die Müllabfuhr reibungslos funktioniert, die Straßen im Winter zeitig geräumt werden und das Stadtbild insgesamt ansprechender aussieht. In der Vergangenheit hagelte es Kritik an den Entsorgungsbetrieben, im Sommer 2020 attestierte der Rat Stadt der EBE gar per Ratsbeschluss mangelhafte Leistungen erbracht zu haben. Das soll sich nicht wiederholen.

Beide Fraktionen wollen aber noch mehr. So soll die Stadt Verhandlungen mit einem privaten Partner über den Bau einer Vergärungsanlage für Bioabfälle aufnehmen, ein Herzensthema der Grünen. Auch hier böte sich Remondis als Partner an, heißt es.

Ob es so kommt, bliebe abzuwarten. So oder so soll sich einiges verbessern in Sachen Müllabfuhr und Stadtreinigung.

Flächen rund um Sammelcontainer für Altglas und Altpapier sollen künftig mindestens zwei Mal pro Woche gereinigt werden. Die EBE soll sicherstellen, dass die Mülltonnen auch in schmaleren Wohnstraßen zuverlässig geleert werden, dafür sollen genügend kleinere Fahrzeuge angeschafft werden. Hintergrund: In stadtweit 250 Straßen dürfen Müllfahrwagen aus Sicherheitsgründen nicht rückwärts hineinfahren. Wenden können sie dort aber auch nicht.

Rückwärts fahren ist für große Müllfahrzeuge in schmalen Straßen ein Problem. Die EBE soll deshalb mehr kleinere Fahrzeuge anschaffen.
Rückwärts fahren ist für große Müllfahrzeuge in schmalen Straßen ein Problem. Die EBE soll deshalb mehr kleinere Fahrzeuge anschaffen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Die Mülltonnen sollen mit Barcodes oder Chips ausgestattet werden, sodass sie einem Grundstück eindeutig zuzuordnen sind. Der Winterdienst soll effizienter werden, die Recyclinghöfe sollen länger öffnen, sofern die Bezirksregierung zustimmt. Apropos Recyclinghöfe: Die Stadtverwaltung soll nach dem Willen von CDU und Grünen im gesamten Stadtgebiet nach geeigneten Grundstücken für weitere Wertstoffhöfe suchen. In Katernberg hatten Anwohner gegen den Bau eines zentralen Hofes an der Emscherstraße protestiert. Die Pläne sind mittlerweile vom Tisch.

Die EBE soll mehr Leistungen erbringen, die Gebühren sollen aber nicht steigen

„Na klar, das kostet mehr Geld“, sagt Fabian Schrumpf zu den mit Remondis vereinbarten Leistungen. Die Müllgebühren sollen dennoch nicht steigen. „Das ist das politische Ziel“, sagt Schrumpf. Die Stadt Essen und Remondis müssten dafür auf einen Teil ihres jährlichen Gewinnes verzichten.

Linke fordert Rekommunalisierung der EBE

Anders als CDU und Grüne drängt die Linke im Rat der Stadt auf eine Rekommunalisierung der Entsorgungsbetriebe Essen. Müllabfuhr und Straßenreinigung gehörten als Bestandteile der Daseinsvorsorge komplett in städtische Hand. Die Zusammenarbeit mir Remondis sollte nach Ansicht der Linken fristgerecht zum 31. Dezember 2023 beendet werden. Für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem privaten Entsorger sieht die Partei in Anspielung auf die Vorgänge um die „Harmuth-Offensive“ keine Basis.

Während politisch bereits alles auf eine Fortsetzung der Müll-Ehe hinauszulaufen scheint, zeigt sich der Betriebsratsvorsitzende der EBE verwundert über das, was Remondis da bereits zugesagt hat. Vieles von dem sei mitbestimmungspflichtig, betont André Tielke. Nur sei mit dem Betriebsrat darüber noch gar nicht gesprochen worden.

Stimmt der Rat der Stadt in der kommenden Woche der Verlängerung der Leistungsverträge mit der EBE zu, wäre eine Rekommunalisierung der Abfallentsorgung vorerst vom Tisch, frühestens 2028 würde sich die Frage erneut stellen. Es sei denn, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der sogenannten „Harmuth-Offensive“ führen zu eine Verurteilung von Personen aufseiten von Remondis.

Mitarbeiter des EBE-Containerdienstes hatten zunächst interne Untersuchungen ins Rollen gebracht, als sie sich darüber wunderten, dass sie angewiesen wurden, Preise eines Mitbewerbers konsequent zu unterbieten. Im Raum steht der Vorwurf der Untreue, des Geheimnisverrats und weitere Vergehen. Eine vom Aufsichtsrat mit der Aufarbeitung des Falles beauftragte Kanzlei sieht genügend Hinweise, die einen Anfangsverdacht rechtfertigen. Für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, behält sich die Stadt Essen vor, von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. Die Müll-Ehe mit Remondis würde vorzeitig geschieden.