Essen. Für den ausgebrannten Komplex gibt es wohl keine Rettung. In der Debatte um die Fassade schließt die Bauministerin schärfere Gesetze nicht aus.

Behutsam tastet sich „Herbie“ durch die verkokelte Ruine an der Bargmannstraße, doch egal, welche Erkenntnisse der Roboterhund in Polizeifarben an diesem Dienstag noch zusammentragen sollte – ein Ergebnis steht bereits fest: Der gerade mal sechs Jahre alte Bau wird weichen. „Ich gehe davon aus, dass wir das Gebäude abreißen müssen und dann neu errichten“, sagte der Chef der Wohnungsgesellschaft Vivawest Uwe Eichner bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz zur Brandkatastrophe. In Rede steht ein zweistelliger Millionenbetrag.

Zuvor hatte Eichner gemeinsam mit NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach im „Welcome“-Hotel an der Schützenbahn einige Mieterinnen und Mieter des ausgebrannten Gebäudekomplexes getroffen. Eine menschliche Geste gegenüber all jenen, die bei dem verheerenden Feuer in der Nacht zum Montag alles verloren haben – und doch scheint klar, dass es der Brand auch zum Politikum werden könnte.

Feuerwehrchef: Ohne den Einsatz wäre das Feuer auf Nachbarbauten übergesprungen

Im Zuge der Ursachenforschung, so deutete Ministerin Scharrenbach sogar an, dürften sich womöglich auch „Fragen an den Gesetzgeber stellen“, sobald gesicherte Erkenntnisse vorliegen, schärfere Vorschriften etwa. Der Gedanke knüpft an das ungeheure Tempo an, mit dem sich das nächtliche Feuer ausgebreitet hatte – sehr zur Verblüffung selbst erfahrener Feuerwehrleute.

An Spekulationen wollen sie sich ausdrücklich nicht beteiligen: NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach und Vivawest-Chef Uwe Eichner bei der Pressekonferenz im „Welcome“-Hotel.
An Spekulationen wollen sie sich ausdrücklich nicht beteiligen: NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach und Vivawest-Chef Uwe Eichner bei der Pressekonferenz im „Welcome“-Hotel. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Vor Ort hätten Temperaturen von gut und gerne 600 bis 700 Grad Celsius geherrscht, sagt Essens Feuerwehr-Chef Thomas Lembeck. Geschmolzene Jalousien selbst an gegenüberliegenden Gebäuden sprächen dafür, dass auch dort noch über 100 Grad erreicht wurden. Hinzu kamen Funken durch „Flugfeuer“: Hätten die Einsatzkräfte die angrenzenden Komplexe nicht mit Wasser gekühlt, so Lembeck, dann wäre das Feuer wohl auch auf andere Wohnblocks übergesprungen.

Warten auf das Brandgutachten: „Spekulationen bringen uns nicht weiter“

Bei solchen Dimensionen schießen die Mutmaßungen ins Kraut: Lag die Ursache für die Feuersbrunst, deren Start der erste nächtliche Anrufer auf einem Balkon verortete, im verbauten Material? Und wenn kein brennbares Polystyrol als Dämmstoff genutzt wurde, wie Vivawest beteuert, muss man den Einsatz Mineralwolle neu bewerten?

Jetzt über Auslöser und Hergang des Brandes zu sinnieren, sei pure Spekulation, warnen alle Beteiligten unisono. „Wir beteiligen uns daran nicht, denn solche Spekulationen bringen uns nicht weiter“, so bringt es Feuerwehr-Chef Lembeck auf den Punkt. Auch Ministerin Scharrenbach pocht auf belastbare Aussagen der Brandsachverständigen, doch die könnten auf sich warten lassen: Bis sie die Katastrophe aufgearbeitet haben, dürften „mehrere Tage, vielleicht auch Wochen“ vergehen, hieß es am Dienstag.

Stadt hat keine Anhaltspunkte, dass beim Bau etwas nicht korrekt gelaufen wäre

Bis dahin bleibt vieles im Ungefähren. So betont etwa Ordnungsdezernent Christian Kromberg, die Stadt sei nach einem ersten Blick in die Bauakten zu der Erkenntnis gekommen, dass beim Bau des Komplexes wohl „alles korrekt gelaufen ist“ – sowohl im Baugenehmigungsverfahren als auch später bei der Bauabnahme.

Das sei die Sachlage „zum jetzigen Zeitpunkt“.

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