Essen-Rüttenscheid. Mitten im Lockdown startete der Lieferservice ratz-fatz.com. Nun ist bereits nach neun Monaten Schluss. Warum die Firma ihren Dienst einstellt.

  • Mitten im Lockdown ging der Lieferdienst „Ratz.fatz.com“ an den Start mit großer Hoffnung und ehrgeizigen Zielen.
  • Nachdem sich zunächst die Erwartungen auch zu erfüllen schienen, ging der Plan aber nicht auf, einen Investor ins Boot zu holen. Nun hat der Betreiber die Reißleine gezogen.
  • Aus der Kundschaft ist Bedauern zu hören. Die Mitarbeiter werden gelobt: zuverlässig, freundlich und stets die Corona-Regeln beachtend.

Der Lieferservice ratz-fatz.com hat seinen Dienst eingestellt - und das nur knapp neun Monate nach dem Start. Hoffnungsvoll habe es begonnen, sagt Geschäftsführer Georg Moser. Er hat darauf gesetzt, einen Investor zu finden, um über Essen hinaus weitere Regionen zu erschließen. Doch das sei nicht gelungen.

Essener Lieferdienst konnte nicht mehr als 100 Abo-Kunden gewinnen

Damit wollte der 34-Jährige ein ähnliches Modell wie auch andere Lieferdienste fahren, die gern im engen Schulterschluss mit Lebensmittelriesen die Ware zu den Kunden bringen. Es habe zwar schon Kontakte gegeben, doch zu einem Vertrag sei es am Ende nicht gekommen, so Moser. Ratz-fatz.com war mit dem Versprechen für den Abo-Kunden an den Start gegangen, dass er aus 50.000 Artikeln auswählen könne und innerhalb von drei Stunden die Ware erhalten würde. Der monatliche Lieferpreis war fix, lag bei 29 Euro und richtete sich somit nicht nach der Menge, die ein Kunde haben wollte. Voraussetzung war allerdings schon, dass die Bestellung einen Mindestwert von drei Euro hatte. Mitarbeiter sorgten dann dafür, dass die Waren eingekauft wurden und innerhalb von maximal drei Stunden an ihren Bestimmungsort gelangten.

Insgesamt konnte das Unternehmen rund 100 Kunden gewinnen. Aufgrund der Datenanalyse über das Nutzerverhalten derer, die die Internetseite besucht haben, „wissen wir, das deutschlandweit 8000 Leute Interesse an unserem Unternehmen hatten“. Doch ratz-fatz.com hatte sich auf das Stadtgebiet von Essen beschränkt, wollte in den nächsten Jahren wachsen. Wäre alles gut gegangen, hätte sich Moser durchaus vorstellen können, an 360 Standorten in Deutschland präsent zu sein. Spätestens dann, aber auch schon deutlich früher, hätte er auch über eine Größe an Liefermengen gesprochen, die ausreichend Gewinne abwerfen. „Dass im Lebensmittelsektor die Gewinnmargen bei einzelnen Artikeln recht niedrig sind, das ist natürlich bekannt.“ Deshalb sei es eben wichtig gewesen, hohe Verkaufszahlen zu erzielen.

Beinharter Wettkampf unter einer steigenden Zahl an Lieferdiensten in Essen

Dass nun in den vergangenen Monaten weitere Lieferdienste dazukamen, darunter solche mit sehr finanzstarken Partnern, habe den Konkurrenzkampf verschärft. Ferner seien nach dem Ende des Lockdowns Lieferungen weniger gefragt gewesen. Der Bedarf habe erheblich nachgelassen.

Bei den Investitionen in die neue Firma hatte Moser sich allerdings zurückgehalten, zwar Büroräume angemietet, aber bei der Werbung darauf geachtet, dass Ausgaben nicht überhand nehmen. Nach und nach wollte er allerdings die Reklame schon noch verstärken. Ein Fahrzeug brachte er selbst in die Firma ein. Mitarbeiter bekamen bei Benutzung eigener Wagen ihre Aufwendungen bezahlt.

Standort am Grugaplatz

„Preise wie im Laden“: Der Slogan gehörte zum Konzept des Lieferdienstes, der in dem Gebäude am Grugaplatz untergebracht ist, das früher Standort für den Energiedienstleister Ista war.Neben dem vierköpfigen Gründerteam und drei Vollzeitbeschäftigten gehört noch rund ein Dutzend Aushilfskräfte zum Team der Servicefirma.

In der Kundschaft selbst wurde das Aus mit Bedauern aufgenommen. Ein Kunde schreibt beispielsweise, wie vorteilhaft es doch sei, dass die Firma keine Lager brauche, sondern die Einkäufer für die Kunden in die Läden gehen und dort vor Ort einkaufen würden. Zudem hätten sie dann die Artikel in einer recycelbaren Kühltasche und großen Pappkartonagen zum Kunden bis vor die Wohnungstür gebracht. „Ratz-fatz.com hat in der kurzen Zeit, die wir es nutzen konnten, unser Leben extrem vereinfacht, verbessert und wieder aufgewertet“, heißt es in dem Brief. Der Absender gehören wie seine Frau zur Corona-Hochrisikogruppe und bemängelt, in vielen Läden würden die Corona-Regeln mehr schlecht als recht eingehalten. „Der Service war toll, die Einkäufe wurden kontaktlos abgestellt, das Geld online abgebucht und sogar Leergut mitgenommen“, heißt es zusammenfassend. Zudem schreibt der Essener: Die monatlichen Abokosten waren absolut in Ordnung. Für den Sprit, den man sonst verfahren würde, würde man mehr zahlen. „Die Einkäufer waren stets freundlich und trugen Masken und oftmals sogar Handschuhe.“

Betreiber des Essener Lieferdienstes hat aber noch nicht alle Hoffnung aufgegeben

Die Internetseite hat Moser allerdings noch nicht aus dem Netz genommen. Die wird er erst abschalten, wenn das letzte Fünkchen Hoffnung erloschen ist, doch noch jemanden als Geschäftspartner zu finden. Momentan sehe es zwar nicht so aus, sagt Moser, aber was ist nicht ist, könne ja noch werden.

Er selbst bleibt weiter Gesellschafter von Staige, das früher soccerwatch.tv hieß und auch auf ihn zurückgeht. Der Sender überträgt Spiele aus dem Amateurfußball. Die Firma, deren Geschichte in einer Rüttenscheider Studenten-WG begann, habe sich sehr gut entwickelt, sagt Moser. Damals sei er in eine Marktlücke gestoßen. Dieses Mal hatte er sich das auch erhofft.