Essen. Beim Hochwasser im Juli hat der Deilbach in Essen-Kupferdreh große Schäden angerichtet. Auch im Tunnel vor der Mündung. So läuft die Reparatur.

Die Reparatur des lädierten Deilbach-Tunnels im Kupferdreher Gewerbegebiet Prinz Friedrich beginnt an diesem Morgen in aller Frühe. Schon um halb acht verstauen die Industrietaucher Material, Arbeitsgeräte und Kleidung im Arbeitsboot namens „Rosi“, das sie nahe der Anlegestelle der Weißen Flotte vertäut haben. Das Team geht konzentriert zur Sache. Jeder einzelne Handgriff sitzt, alle wissen, was zu tun ist. Dann werfen sie den Außenbordmotor an und die blaue „Rosi“ tuckert auf dem Baldeneysee leise los in Richtung Deilbach-Mündung.

An der Mündung: Hier fließt der Deilbach in den Baldeneysee.
An der Mündung: Hier fließt der Deilbach in den Baldeneysee. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Kopf der Duisburger Spezialtruppe ist der junge Nick van Kooten. Der Industrietaucher ist erst 31, aber mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung längst ein Routinier. Der Auftrag, den die vier Männer in Essen zu erledigen haben, ist anspruchsvoll. Sie müssen unter Wasser und in völliger Finsternis zuerst Stahlplatten andübeln und dann die gefährlichen Ausspülungen dahinter mit Spezialbeton verfüllen.

Jede Stahlplatte ist einen Quadratmeter groß, fünf Millimeter stark und 40 Kilogramm schwer. Auf sieben Metern Länge zusammengeschweißt erfüllen die Stahlplatten dieselbe Aufgabe wie Schaltafeln im Hochbau.

Arbeitsstelle Deilbach-Tunnel: Es ist finster, und geschweißt wird unter Wasser

Ohne Strahler geht im Deilbach-Tunnel nichts. „Die Sicht an der Arbeitsstelle ist relativ gut, das Wasser ist klar“, sagt van Kooten. „Nur wenn’s regnet, wird es trüber.“

Beim Ablegen tragen die Taucher noch normale Arbeitskleidung und einen Sicherheitshelm samt Kopflampe, wie sie auch Bergleute unter Tage nutzen. Erst wenn das Arbeitsboot gut 400 Meter von der Mündung entfernt an der Schadensstelle direkt unter der Prinz-Friedrich-Straße angekommen ist, schlüpfen die Taucher in die bereitliegenden Neopren-Anzüge. Ein Kollege packt mit an und stülpt von Kooten den schweren Taucherhelm über den Kopf. Die Sauerstoffflaschen liegen im Alu-Boot. Von dort geht’s über die Leiter langsam in den Deilbach, der hier zwei bis drei Meter tief ist.

Rein in die Finsternis: Arbeitsboot „Rosi“ tuckert langsam den Deilbach flussaufwärts, hier geht es in den Tunnel. Bis zur Schadensstelle sind es jetzt noch gut 200 Meter.
Rein in die Finsternis: Arbeitsboot „Rosi“ tuckert langsam den Deilbach flussaufwärts, hier geht es in den Tunnel. Bis zur Schadensstelle sind es jetzt noch gut 200 Meter. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Berufstaucher springen aus Sicherheitsgründen nie ins Wasser“, sagt Oliver Hoffmann, der Geschäftsführer der TSB Duisburg GmbH, die sich auf komplizierte Reparaturen von Unterwasser-Schäden spezialisiert hat. Ein Metier, das hochspezialisiert ist: „Nur elf Firmen in Deutschland beherrschen das Unterwasser-Schweißen“, sagt Hoffmann, der in Burgaltendorf aufgewachsen ist und inzwischen am Niederrhein lebt.

Oliver Hoffmann, ein gebürtiger Burgaltendorfer, ist Geschäftsführer des Tauchspezial-Unternehmens TSB Duisburg GmbH.
Oliver Hoffmann, ein gebürtiger Burgaltendorfer, ist Geschäftsführer des Tauchspezial-Unternehmens TSB Duisburg GmbH. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Der TSB-Geschäftsführer beruhigt: „Einsatz ist für unsere Taucher nicht gefährlich“

Beim Anblick der Kraterfotos mit dem abgestürzten Tanklastzug auf dem Speditionsgelände Torwesten beschleichen den Außenstehenden immer noch mulmige Gefühle, die durch die gefundenen Ausspülungen noch verstärkt werden. Ist der Tunnel nach dem Hochwasser wirklich sicher? Doch Oliver Hoffmann beruhigt: „Der Einsatz ist für unsere Taucher nicht gefährlich.“ Strenge die Arbeit unter Wasser zu sehr an, würden sich drei Taucher unten in der Betonröhre sofort abwechseln. Luigi Bellissimo, der vierte Mann, muss nicht in den Neoprenanzug schlüpfen: Als Tauchwerker hält er den Tauchern den Rücken frei und sorgt für Nachschub.

Sicherheit ist das oberste Gebot, aber zügig gearbeitet werden muss trotzdem. In sieben bis acht Arbeitstagen wollen sie die erste von zwei Gefahrenstellen entschärft haben. Daran sind die Beschäftigten in dem kleinen Gewerbegebiet interessiert, aber auch ihre Kunden. Erst wenn die Einsturzgefahr gebannt ist, können die Straßensperren in der Prinz-Friedrich-Straße wieder abgebaut und die Security-Leute dort abgezogen werden.

Das Licht zieht Fische an, die für gefräßige Fischreiher eine leichte Beute werden

Den Beginn des Berufstaucher-Einsatzes verfolgt auch Angelika Siepmann, die Fachbereichsleiterin des Umweltamtes. Sie scshätzt, dass die Reparatur der ersten Schadensstelle rund 300.000 Euro kosten wird. Achten muss sie übrigens nicht nur darauf, dass sicher gearbeitet werden kann. Auch das Tierwohl liegt ihr am Herzen. Gemeint sind die schützenswerten Fledermäuse, die in dem feuchten, dunklen und deshalb für sie idealen Ambiente eine neue Heimat gefunden haben. Doch seit der Juli-Flut hat niemand mehr eine Fledermaus gesehen.

Sehr wohl gesichtet werden jetzt andere Flussbewohner wie Hechte und Forellen, Brassen und Rotaugen. Letztere seien besonders typisch für Baldeneysee und Deilbach. Seitdem die Deilbach-Flut das Speditionsgelände aufgerissen hat, dringt nach hundert Jahren Finsternis an dieser Stelle wieder viel Licht in den Untergrund. „Die Helligkeit zieht die Fische an“, so Angelika Siepmann.

Doch tatsächlich begeben sie sich in dem Krater in allergrößte Gefahr, denn neuerdings haben auch Fischreiher Gefallen an dem Tagesbruch gefunden. „Sie holen sich die Fische einfach raus“, berichtet Taucher-Chef Hoffmann.