Essen. Nach der blutigen Fehde im Essener Clan-Milieu soll ein „Friedensrichter“ geschlichtet haben. Nun scheint klar, was überhaupt der Auslöser war.

Die jüngste Fehde unter Essener Clans gilt spätestens seit der Schlichtung eines so genannten „Friedensrichters“ als beigelegt. Doch was war der Auslöser? Wie sich inzwischen herausstellt, könnte eine Bagatelle die Ursache der Auseinandersetzungen gewesen sein, die die Essener Polizei tagelang in Atem hielt und zu mehreren Großeinsätzen führte.

Es ist – wie so häufig in diesen Kreisen – von verletzter Ehre unter libanesisch-stämmigen Männern die Rede.

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Clan-Mitglied soll vor Jahren in Video bloßgestellt worden sein

Wie aus dem Milieu verlautet, soll ein Mitglied des Essener El Zein-Clans schon vor einigen Jahren mit seinem Smartphone ein Video aufgenommen haben, in dem er einen anderen jungen Mann aus einer rivalisierenden Familie angeblich bloßgestellt hatte. Letzterer soll der Großfamilie entstammen, die unter anderem am Flachsmarkt die Buddy-Bar betrieben hat.

Eigentlich galten die Streitigkeiten, die das Video damals auslöste, als Schnee von gestern. Doch ein Mitglied einer weiteren kurdisch-libanesischen Großfamilie aus Essen soll das Video vor einigen Tagen wieder hervorgekramt und erneut in Umlauf gebracht haben. Über einschlägige Plattformen und Messengerdienste wie Whatsapp verbreiten sich solche Clips im Clan-Milieu wie ein Lauffeuer. So anscheinend auch jetzt. Der uralte Streit war erneut entfacht worden.

Als der Streit erneut entflammt ist, drohen Massenschlägereien

Wie berichtet, kam es zuerst auf dem Altenessener Markt zu einer Konfrontation der verfeindeten Großfamilien. Am vergangenen Mittwoch (2. Dezember) riefen Zeugen die Leitstelle der Polizei an und berichteten von einer größeren Menschenmenge, die mit Knüppeln und Eisenstangen bewaffnet aufeinander losgehen wollte. Als die Polizei eintraf, hatte sich die Szenerie jedoch schon aufgelöst.

Abermals flammte der Konflikt zwei Tage später auf. Am Freitag (4. Dezember) wurde ein 27 Jahre alter Mann in Vogelheim durch einen Angriff schwer verletzt. Fotos die im Umlauf sind, zeigen den Schwerverletzten mit einer tiefen und stark blutenden Fleischwunde im Nackenbereich. Zwei Stunden später zerlegten bislang Unbekannte ein Bekleidungsgeschäft in der Viehofer Straße. Auch der Inhaber wurde dabei verletzt. Eine geplante Massenschlägerei am selben Nachmittag auf einem Lidl-Parkplatz in der Altenessener Hövelstraße konnte nur verhindert werden, weil die Essener Polizei mit einem Großaufgebot einschritt.

Die Federführung der Polizeieinsätze lag bei der „Besonderen Aufgabenorganisation (BAO) Aktionsplan Clan“, die seit bald zwei Jahren systematisch gegen Clan-Kriminalität in Essen vorgeht. Den vorläufig letzten Großeinsatz gab es am Samstag (5. Dezember) in einem Bergeborbecker Industriegebiet, wo sich erneut mehrere Dutzend Männer von Clan-Familien eingefunden hatten.

Was die aktuelle Clan-Fehde mit dem Attentat auf Profiboxer Manuel Charr zu tun haben könnte

Unbestätigten Angaben zufolge, soll das brisante Video von einem „El-Zeiner“ gefilmt worden sein, der auch an dem Attentat auf den Profiboxer und späteren WBA-Schwergewichts-Weltmeister Manuel Charr beteiligt gewesen sein soll.

Der Sportler, der eigentlich Machmoud Omeirat Charr heißt, wurde am 2. September 2015 in einem Döner-Imbiss auf der Altendorfer Straße durch einen Pistolenschuss in den Unterleib lebensgefährlich verletzt. Nur durch eine Not-OP konnte er gerettet werden. Beleidigungen seien das Tatmotiv gewesen, gab Manuel Charr später zu Protokoll. Der Täter, Youssuf H., stellte sich zwölf Tage später und wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren Haft verurteilt.