Essen. Das ist ein bisher nie gewagter Ausnahmezustand: Der hochfrequentierte Ruhrschnellweg wird bei Essen drei Monate lang gesperrt. Ab dem 7. Juli ist die A 40 dicht. Autofahrer im Ruhrgebiet stehen vor einer Belastungsprobe. 70 000 Fahrzeuge müssen bis zum 30. September neue Wege durch das Ruhrgebiet suchen.
Der Countdown läuft. Den Auto-Pendlern im Revier wird die nächste Zeit einigen Frust abverlangen und viel Findigkeit. 6. Juli, 21 Uhr: Der Landesbetrieb Straßen.NRW unterbricht die A 40 in Essen für drei lange Monate – in Richtung Dortmund auf 1,4 Kilometer, in Richtung Duisburg auf 2,2 Kilometern Strecke. 70 000 Fahrzeuge, die heute täglich diese Abschnitte passieren, müssen bis zum 30. September neue Wege durch das Ruhrgebiet suchen.
Die Pläne
Im siebten Stock des Bürohauses an der A 40 in Bochum steht Annegret Schaber und guckt auf eine der dichtbefahrensten Schnellstraßen Deutschlands. „Wir haben sehr lange nachgedacht, wie wir das machen“, sagt die Projektleiterin von Straßen.NRW. „Wir hätten den Verkehr auf jeder Seite über eine Spur führen können, bei Vollsperrungen von Zeit zu Zeit. Das dann zwei Jahre lang. Wollen das die Autofahrer?“ Die Planer entschieden sich für die Kompaktlösung. „Wir hatten keine Alternative“. Zumal die Bundesregierung, die auf den Vorgang „ihr Augenmerk“ halte, ihr Okay gab. Auch Michael Schreckenberg, der Duisburger Stauforscher, unterstützt das Prozedere: „Die Lösung ist richtig. Die Fahrer werden sich darauf einrichten.“
Zuglinien an Rhein- und Ruhr
Die Schäden
Kompaktlösung heißt: Mehrere Baustellen werden zeitlich zusammengelegt. In Essen sind sanierungsbedürftig: die Stadtwaldbrücke der A 40 über die S-Bahn Werden-Hauptbahnhof. Totalabriss unvermeidbar. Die Helbingbrücken am Essener Hauptbahnhof. Sie erhalten einen neuen Belag, eine Abdichtung und neue Ränder.
Der A 40-Tunnel, dessen Sicherheit der ADAC als „bedenklich“ bewertet hatte. Er bekommt neue Beleuchtungen, eine Feuerlöschanlage und eine neue Entwässerung. Außerdem bauen die Ingenieure eine Tunnelsperranlage ein, die im Notfall die Einfahrt verhindert.
Im Windschatten der Essener Sperrung stattet die Landesgesellschaft die Fahrbahn bei Mülheim in Richtung Venlo mit dem schallschluckenden Belag „Opa“ aus. „Wir rechnen auf diesem Streckenabschnitt dann mit weniger Verkehr“, beruhigt Schaber.
Die Umleitung und die Engpässe
Die Arbeiten
Sieben Tage in der Woche wird in zwei Schichten gearbeitet. Es gibt eine Ruhezeit von 22 bis sechs Uhr – aus Rücksicht auf die Anlieger. „Wir können keinen Tag verschenken“, sagt Annegret Schaber. Vier Abrissbagger beginnen am 7. Juli um Mitternacht ihr Werk. Der S-Bahn-Verkehr unter der Stadtwaldbrücke ruht sechs Wochen, die Schienen werden abgedeckt. 48 Brückenteile, je 32 Meter lang, sind vorfabriziert. Sie kommen zum August mit Tiefladern aus Niedersachsen.
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Die Umleitung
Das schwierigste Kapitel. An manchen Stellen fahren täglich bis zu 130 000 Autos auf der fast 100 Kilometer langen Autobahn zwischen Venlo und Dortmund. Umleitungen sind also kompliziert. Aus Richtung Dortmund (Sperrung: zwischen Essen-Ost und Essen-Zentrum) ab der Ausfahrt Essen-Ost über A 52 und A 3, der überregionale Verkehr wird über die A 45 oder die A 43 und A 42 gesteuert. Aus Richtung Duisburg (Sperrung: Essen-Zentrum bis Essen-Huttrop) über die Friedrich-, Hohenzollern-, Kronprinzen-, Kurfürsten- und Markgrafenstraße zur Auffahrt Huttrop.
Die Engpässe
Wo wird es knapp? „Im Essener Stadtgebiet“ sagt die Projektleiterin. „Essens Innenstadt wird alles nicht aufnehmen können“, sagt der Stauforscher. Deshalb die Vorarbeiten: Der Übergang von der A 40 zur A 52 in Essen-Ost wird zweispurig sein, ebenso in der entgegengesetzten Richtung.
Die A 42, der Emscherschnellweg und die A 52 Essen-Düsseldorf sind ab 7. Juli bis zur Freigabe der A 40 am 29. September baustellenfrei. In Essen gibt es nicht nur angepasste Ampelschaltungen. 260 einfach zu lesende Schilder weisen den Umleitungsweg. „Wir haben Sommer“, sagt Schaber. „Im Hellen finden die Leute den fremden Weg besser.“
Kritik und Mäßigung
Kritik kommt aus der Wirtschaft. Der Geschäftsführer des Rhein-Ruhr-Zentrums hat seine Bedenken vorgetragen. Er fürchtet Umsatzeinbußen. Essens Unternehmerverband sieht ganz schwarz: „100 000 Autos werden durch die Stadt geleitet. Das sind 20 000 Kilometer Autoschlange in der Innenstadt. An gutes Durchkommen ist nicht mehr zu denken“.
Vorsicht, sagt Schreckenberg: „Die A 40 ist eine Pendlerautobahn. Sie hat während der Ferienzeit zehn Prozent weniger Verkehr“. Viele Nutzer würden die Autobahn nur auf kurzen Abschnitten befahren. „Bilden Sie Fahrgemeinschaften“, empfiehlt Annegret Schaber, „Oder nutzen sie die Bahn. Oder Umleitungen“. Sie muss es selbst auch machen.