Essen. . Der Essener Unternehmensverband (EUV) kritisiert die Pläne von Straßen.NRW zur Sperrung der Autobahn 40. Die Unternehmer fürchten einen riesigen wirtschaftlichen Schaden. Er fordert von der Landestochter einen Masterplan.

Der Wecker klingelt, mit dem linken Bein geht’s zuerst aus dem Bett heraus und direkt im Schlafanzug ins Auto. Dort wird dann während der Fahrt gefrühstückt, Katzenwäsche gemacht und sich in den Büro-Dress geschmissen. Für viele Pendler, die ab 9. Juli auf dem Weg zur Arbeit unweigerlich mit der dreimonatigen Sperrung der A40 konfrontiert werden, dürfte die Vorstellung, die der britische Komiker Rowan Atkinson alias Mr. Bean einmal in einem britischen Mini vollführte, blanker Horror sein. Dass es zu solchen Szenen in der Essener Blechlawine kommen könnte, ist eher auszuschließen. Arbeitnehmer und Schüler werden aber nicht darum herumkommen, früher aufzustehen als gewöhnlich, denn die Sperrung ist frühzeitig angekündigt worden. Der Essener Unternehmensverband (EUV) sieht ihr dennoch mit sehr gemischten Gefühlen entgegen und äußert deutliche Kritik.

300 Mitgliedersensibilisieren

Auch Ulrich Kanders, Hauptgeschäftsführer des EUV, blüht das Frühaufsteher-Schicksal. Aus dem niederrheinischen Sonsbeck startet er gegen 8.15 Uhr, um ab 9 Uhr im Büro zu sitzen. „Ich überlege künftig um 6.30 Uhr loszufahren“, sagt er und schiebt lachend hinterher: „Früher werde ich abends aber leider nicht wegkommen.“ Der Verband versucht derzeit, soweit es geht, seine 300 Mitglieder für die Sperrung zu sensibilisieren und fit zu machen. Die Fragen drehen sich ums Arbeitsrecht, die Informationspolitik gegenüber Mitarbeitern und Kunden oder die logistischen Herausforderungen fürs produzierende Gewerbe. Tipps dazu hat der EUV bereits herausgegeben.

„Den wirtschaftlichen Schaden kann man zwar nicht in Euro-Beträgen beziffern, aber es könnte ein riesiger werden“, sagt Kanders. Er kann die Ruhe der Verantwortlichen nicht verstehen, die etwa gegenüber der NRZ von Kaffeesatzleserei sprachen, als es um eine Prognose des Verkehrschaos ging. Man bekomme das Gefühl, dort herrsche das Prinzip Hoffnung, kritisiert der EUV-Hauptgeschäftsführer. „Sie müssen sich vorstellen, 100.000 Autos werden durch die Stadt geleitet, das sind 20.000 Kilometer Autoschlange durch die Innenstadt, da ist an ein gutes Durchkommen nicht zu denken“, meint er. Ebenfalls kämen in der Diskussion die Pendler zu kurz, er geht von 200.000 insgesamt aus, 140.000 die in die Stadt wollen, 60.000 die herauswollen. „Die Firmen werden mit Einbußen rechnen müssen, etwa im Service oder im Außendienst“, erklärt Kanders. Wie sollten sie allen Aufträgen nachgehen, im administrativen Bereich könne man über die Gleitzeit noch etwas machen, aber das produzierende Gewerbe nicht. Schichtbetriebe seien darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter pünktlich am Arbeitsplatz sind.

Betriebe wollen Lieferungen vorziehen 

„Wir erwarten von Straßen.NRW einen Masterplan, bisher gibt‘s nur sichtbare Angebote in Form von großflächigen Umleitungen, das hilft aber nur dem Durchgangsverkehr, nicht den Berufspendlern“, moniert Kanders. Er macht keinen Hehl daraus, dass der EUV lieber 24 Monate mit Teilsperrungen gehabt hätte. Denn: „Nicht jeder hat die Möglichkeit, auf einen Hubschrauber umzusteigen“, klagt Kanders, selbst er nicht. Er befürchtet Stress und Verärgerung bei den Betroffenen, was wiederum Auswirkung auf den Krankenstand haben werde.

Sorgen machen dem Niederrheiner auch die Rückmeldungen, die er von Firmen bekommt: Viele hätten die Sperrung bisher nicht so im Bewusstsein gehabt, sie sei für viele noch weit weg. Auch herrsche der Eindruck, die Unternehmen würden von Stadt und Straßen.NRW allein gelassen. Kanders berichtet von Industriebetrieben, die auf Rohstoffe angewiesen sind, etwa in der Chemie-Branche. Diese wollten nun versuchen, Lieferungen vorzuziehen, aber dafür müssten auch entsprechende Lagerkapazitäten und Anlagen vorhanden sein.

Das wichtigste Instrument, so sieht es auch der EUV, dürfte die Gleitzeit sein, die man auflockern könnte. „In der Stadtverwaltung ist sie von 6.30 bis 8.30“, berichtet etwa Michaela Lippek vom Presseamt. Kanders schwebt vor, die Zeiträume zu vergrößern, etwa von 7 bis 11 Uhr morgens und von 15 bis 19 Uhr nachmittags bzw. abends. Eines ist ihm aber auch bewusst: „Wenn alle früh losfahren, bringt es nichts.“

Was der Unternehmensverband rät 
  • Dienstliche Telefonate kann man unterwegs erledigen, um die Stauzeit optimal zu nutzen – natürlich nur mit Freisprechanlage oder Headset versteht sich.
  • Sanktionen gegen verspätete Mitarbeiter sind nicht dringend notwendig. Flexible Regelungen wie Gleitzeit können helfen, ferner könne die verpasste Arbeitszeit nachgeholt werden. Wichtig sei, dass der Arbeitnehmer seiner Anzeigepflicht nachkommt, das heißt, er informiert den Arbeitgeber per Mobiltelefon, wenn absehbar ist, dass er nicht püntklich kommt.
  • Früher aufstehen, um pünktlicher zu kommen, sei zumutbar. Bei wiederholtem oder bewusstem Zuspätkommen sei nach mündlicher Ermahnung auch eine formelle Abmahnung gerechtfertigt.
  • Wie sollten Unternehmen sich vorbereiten? Der EUV rät zu Gelassenheit und empfiehlt eine rechtzeitige Informationspolitik gegenüber Kunden und Zulieferern. Mitarbeitern sollte die Angst vor Sanktionen genommen werden, indem Personalchefs vorher Hinweise geben, was wann berücksichtigt werden sollte.
  • Betriebe sollten ihre Mitarbeiter zu Fahrgemeinschaften ermuntern. Ein Hinweis auf den öffentlichen Nahverkehr sei nicht optimal, da bis auf S-, Regional- und U-Bahnen auch Straßenbahnen und Busse im Stau stehen können.