Essen. Der Impfpass als Eintrittskarte für Restaurant, Theater und Kirmesplatz? Betreiber aus Essen sehen in der Idee Chancen und Gefahren.
Wo andere einen negativen Schnelltest vorlegen müssen, bekommen Geimpfte und Genesene nun auch ohne Test Einlass. Sollte der Impfpass Eintrittskarte für viel mehr sein? Ob Geimpfte zusätzliche Freiheiten bekommen sollten, um zum Beispiel ein Konzert oder Theater zu genießen, sich im Kinosessel niederzulassen, in der Innenstadt zu shoppen oder wieder Restaurants zu besuchen – dazu gibt es in Essen sehr unterschiedliche Meinungen.
„Ich finde es gut, wenn Geimpfte und Genesene ihre Grundrechte zurückbekommen, daher ist die Gleichstellung mit negativ Getesteten genau richtig“, sagt Moritz Mintrop. Aber der Vorsitzende der Essener Kreisgruppe im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) spricht sich gegen eine Öffnung von Restaurants und Hotels exklusiv für Geimpfte aus. Seiner Meinung nach sollte es in der Branche genauso wie im Einzelhandel Regeln geben, die für die Geimpften und Genesenen genauso gelten wie für Menschen, die einen aktuellen negativen Schnelltest vorlegen können.
Und genau auf ein solches Szenario hofft er. Die nötigen Kontrollen von Impfnachweisen und Testergebnissen in den Betrieben schrecken ihn nicht ab. „Unsere Branche ist so schnell und so flexibel, wenn der entsprechende Rahmen in der Politik gesetzt ist, mache ich mir um die Umsetzung unsererseits keine Sorgen“, sagt er.
Lesen Sie auch zwei Kommentare aus der Essener Lokalredaktion zum Thema:
Warnung vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft
Ähnlich sieht es der Sprecher der Essener Schausteller, Albert Ritter. „Wir sträuben uns gegen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, Kirmes ist für alle da“, sagt er. „Die Oma kommt schließlich nicht allein, sondern mit ihren Enkeln. Wir wollen ganze Familien begrüßen, es darf nicht zur Ausgrenzung kommen.“ Mehr Impfungen plus Hygienekonzepte in enger Abstimmung mit den Behörden, das sieht er als Weg zu Volksfesten. „Wir haben geprüfte Hygienekonzepte, mit denen wir bei den temporären Freizeitparks im vergangenen Sommer gute Erfahrungen gemacht haben“, argumentiert er. Sie könnten wieder zum Einsatz kommen, die Schausteller seien bereit.
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Geimpfte an Bord zu lassen, während alle anderen selbst mit negativem Test am Ufer stehen bleiben müssten, das kann sich auch Boris Orlowski als Geschäftsführer der Weißen Flotte nicht vorstellen. Obwohl es unter den Fahrgästen der Schiffe auf dem Baldeneysee mit einem Durchschnittsalter von etwa 63 Jahren schon jetzt einen höheren Anteil an Geimpften geben dürfte, hält der Geschäftsführer von einem Ausschluss der übrigen Bevölkerung nichts. Allerdings macht er auch klar, dass eine solche Entscheidung nicht bei ihm liegt. „Grundsätzlich sind wir bereit und werden uns Öffnungsschritten nicht verwehren, wenn es sie gibt“, sagt er.
Probelauf im Theater ist erwünscht
Wie Essener Clubs in der Corona-Krise ums Überleben kämpfen „Aus kaufmännischer Sicht würde ich mich gegen eine Öffnung für Geimpfte und Genese nicht sperren“, sagt Peter Siewert, Betreiber des Essener Metal-Clubs „Turock“. Auch wenn sein Zielpublikum mit Mitte 20 nicht unbedingt zu der Gruppe gehöre, die bislang von den Impfungen profitiert. Aus Sicht der Jüngeren habe eine Sonderreglung natürlich „ein Geschmäckle“, findet Siewert. Er hofft darauf, dass Besucher mit negativem Schnelltest dann gleichgestellt sind.
Angesichts der derzeit geltenden Corona-Schutzverordnung setzt der Clubbetreiber zunächst vor allem darauf, im Sommer wieder die Außengastronomie öffnen zu können. Auch dahinter stehe momentan aber noch ein großes Fragezeichen. An einen „ernsthaften Clubbetrieb mit Konzerten und Disco“ glaubt Siewert nicht vor Ende des Jahres. „Und vielleicht müssen wir selbst dann noch mit Einschränkungen leben.“
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Weil noch ungewiss ist, ob und wie die neue Normalität im Herbst wieder eintritt, hält René Heinersdorff, Betreiber des Essener Rathaus-Theaters, eine Öffnung zunächst für Geimpfte und Genese für absolut sinnvoll. Der Theatermann nennt es „einen geradezu erforderlichen Testlauf. So können wir absehen, auf was wir uns im Herbst einlassen, wenn vielleicht alle wieder dürfen: Kommen die Leute überhaupt zurück ins Theater und fühlen sie sich sicher?“ Grund für eine Neiddebatte sieht Heinersdorff überhaupt nicht. „Ich würde sofort mitmachen.“ Derzeit könnten mit Max Schautzer, Horst Janson und Christian Wolff eigentlich drei geimpfte Schauspieler im besten Biontech-Alter auf der Bühne stehen. „Warum sollen die nicht für Geimpfte spielen dürfen?“, fragt Heinersdorff.
„Grundsätzlich halte ich die Debatte für schräg“, sagt Marianne Menze, Chefin der Essener Filmkunsttheater. Dass Menschen, die geimpft oder von Covid-19 genesen seien, ihre Grundrechte zurückbekommen, hält Menze eigentlich für selbstverständlich. „Da habe ich keinerlei Neidgefühl.“
Den Kinobetreibern nützten derlei Sonderrechte allerdings wenig. Den Betrieb für einen derart eingeschränkten Kreis wieder hochzufahren, könne sich nicht rechnen, fürchtet Menze. Vor allem die Verleihe bräuchten eine langfristige und flächendeckende Öffnungsperspektive, um wieder neue Filme ins Kino zu bringen. Sollte eine Sonderregelung kommen, „würden wir uns überlegen, eines der kleinen Kinos zu öffnen“. Fest geplant sei allerdings, in diesem Sommer wieder Open-Air-Kino auf dem Burgplatz anzubieten – und das für möglichst viele.
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