Essen. Nach dem Kaufhof-Aus in Essen sind die meisten ehemaligen Mitarbeiter noch auf der Suche nach einer neuen Arbeit. Corona erschwert diese.
Ein halbes Jahr ist es her, dass sich die ehemaligen Essener Kaufhof-Mitarbeiter ein letztes Mal vor dem Warenhaus am Willy-Brandt-Platz trafen, Trauerkranz und rote Rosen ablegten und mit Tränen in den Augen ein Abschiedslied sangen. Wenige Tage zuvor, am 14. Oktober 2020, hatte der Kaufhof seine Türen endgültig geschlossen.
Ulrich Bartel, der ehemalige Betriebsratsvorsitzende, wird diese letzte Kundgebung vor dem Kaufhof nicht vergessen. Die meisten seiner ehemaligen Kollegen hat er seither nicht mehr persönlich gesehen. Corona lässt dies nicht zu. Mit vielen steht der 58-Jährige nur über den Nachrichtendienst Whatsapp in Kontakt. In ihrer Chatgruppe tauschen sie sich auch darüber aus, welche Erfahrungen sie bei der Suche nach einem neuen Job machen.
Transfergesellschaft für die Kaufhof-Mitarbeiter läuft Ende April aus
Ulrich Bartel weiß aus diesen Gesprächen: Den meisten ist es bisher nicht gelungen, wieder Arbeit zu finden. Genaue Zahlen hat Ulrich Bartel nicht. „Aber es ist der überwiegende Teil, bestimmt zwei Drittel“, schätzt er.
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Knapp 80 der insgesamt 95 Kaufhof-Mitarbeiter waren am 1. November zunächst in eine Transfergesellschaft gewechselt. Das hieß: Die Betroffenen rutschten nicht gleich in die Arbeitslosigkeit. Doch Ende April läuft die Transfergesellschaft aus. Die Gewerkschaft Verdi und die Betriebsräte hatten im vergangenen Jahr vergebens darum gekämpft, die Transfergesellschaft mithilfe des Landes auf insgesamt ein Jahr zu verlängern. Das hätte den Kaufhof-Mitarbeitern länger Zeit für die Jobsuche gegeben. Nun aber droht vielen die Arbeitslosigkeit schon ab dem 1. Mai.
22 ehemalige Kaufhof-Mitarbeiter aus Essen melden sich arbeitslos
Bei der Arbeitsagentur Essen haben sich 22 einstige Kaufhof-Mitarbeiter zum 1. Mai arbeitslos gemeldet. Das sind aber nur diejenigen, die gleichzeitig auch in Essen wohnen. Viele Beschäftigte im Kaufhof kamen aus umliegenden Städten, so dass die Arbeitslosigkeit sicher deutlich mehr Personen treffen dürfte.
„Die Situation ist sehr sehr hart, vor allem für diejenigen, die weiter im Handel arbeiten wollen“, berichtet Ulrich Bartel. Die Arbeitsagentur bestätigt das. In der Pandemie sei es aktuell schwierig, im Einzelhandel eine neue Arbeitsstelle zu finden, heißt es dort. Die Schließung des Hauses, die mitten in die Corona-Krise fiel, sei deshalb zur Unzeit gekommen, beklagt Bartel.
Die Schilderungen seiner ehemaligen Kollegen zeigen: Wer sich auf die wenigen freien Stellen im Handel bewirbt, müsse mit deutlich schlechteren Verdiensten rechnen. „Die Kollegen berichten von Angeboten unter zehn Euro die Stunde.“ Das ist Mindestlohn-Niveau. Außerdem seien viele Verträge nur befristet. Beim Kaufhof dagegen habe man trotz des geltenden Sanierungstarifvertrages gutes Geld verdient. Das wieder zu erreichen, sei sehr schwer.
Ältere haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt
Erschwerend kommt hinzu, dass viele der ehemaligen Kaufhof-Mitarbeiter jenseits der 50 Jahre sind. Viele seien zwar bereit, sich beruflich umzuorientieren, doch die Erfahrungen, die sie machten, seien ernüchternd: „Oftmals scheitert dieser Wunsch am Alter“, sagt Bartel.
Die Arbeitsagentur wird dennoch mit den Betroffenen über mögliche Umschulungen und Weiterbildungen sprechen. Denn gerade weil es derzeit im Einzelhandel so schwierig sei, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, „kann eine berufliche Neuorientierung ein Weg aus der Arbeitslosigkeit sein“, heißt es. Erste Erfolgsbeispiele gibt es bereits: So schult ein 53-Jähriger, der 37 Jahre bei Kaufhof arbeitete, gerade zum Lokführer um.
Stadt Essen stellte Kaufhof-Beschäftigte ein
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Auch Ulrich Bartel hat eine neue Arbeitsstelle gefunden. Seit Januar 2021 ist er bei der Stadtverwaltung Essen beschäftigt, sitzt dort am Bürgertelefon und beantwortet Fragen rund um das Thema Corona. Die Stelle ist zwar zunächst für ein Jahr befristet, aber der 58-Jährige ist froh über diese neue Chance. „Ich habe Glück gehabt.“ Die Arbeit gefalle ihm und er macht auch kein Hehl daraus, dass er die geregelten Arbeitszeiten von 8 bis 16 Uhr sehr schätzt. Wie Ulrich Bartel kamen im Übrigen vier weitere ehemalige Kaufhof-Beschäftigte bei der Stadt unter. Auch sie arbeiten beim Bürgertelefon bzw. bei der städtischen Telefonzentrale.
Ulrich Bartel hofft, dass auch seine Kollegen, denen nun die Arbeitslosigkeit droht, möglichst bald eine berufliche Perspektive bekommen und sie sich guter Dinge nach Corona wiedersehen können. Denn die Betriebsfeier, die im vergangenen Oktober wegen der Pandemie ausfallen musste, soll auf jeden Fall nachgeholt werden. Das gesammelte Geld dafür liegt immer noch in der Kasse.