Essen. Ein Essener (68) verklagt das Sozialamt auf Zahlung eines WC-Geldes von monatlich 180 Euro – und unterliegt auch vor dem Landessozialgericht.

Der hartnäckig geführte Streit des Essener Rentners Günter Maleski mit der Stadtverwaltung ums WC-Geld geht schon ins dritte Jahr. Jetzt hat auch der 20. Senat des Landessozialgerichts Essen unter Vorsitz von Richter Bernhard Weßling-Schregel seine Klage abgewiesen: Der 68 Jahre alte Sozialhilfe-Empfänger hat nach dem am Montag (30. Januar) gefällten Urteil keinen Anspruch auf die Erstattung des von ihm verlangten „Pinkelgeldes“ in Höhe von 180 Euro im Monat.

Der Anspruch und die Summe des Toilettengeldes errechnen sich für den Kläger folgendermaßen: Weil die klamme Stadt Essen im Jahr 1993 alle öffentlichen und kostenfreien Toiletten im Stadtgebiet abgeschafft habe, sei er beim Einkaufen oder bei Spaziergängen auf kostenpflichtige öffentliche Toiletten angewiesen. Bei drei Toilettennutzungen am Tag, so rechnet der Essener vor, entstünden ihm Kosten von sechs und auf den Monat hochgerechnet von insgesamt 180 Euro. In einer Art „Pinkel-Tagebuch“ hatte Maleski sogar akribisch protokolliert und dann dem Sozialamt dargelegt, wie oft am Tag und in welchen Situationen er kleine und große Bedürfnisse habe.

Zuerst arbeitslos, dann Hartz IV und nun Grundsicherung im Alter

Der Essener Rentner Günter Maleski steht (im Januar 2018) demonstrativ vor einer öffentlichen Toilette am Kopstadtplatz. Deren Nutzung ist zwar kostenlos, allerdings befindet sie sich oft in einem verwahrlosten Zustand.
Der Essener Rentner Günter Maleski steht (im Januar 2018) demonstrativ vor einer öffentlichen Toilette am Kopstadtplatz. Deren Nutzung ist zwar kostenlos, allerdings befindet sie sich oft in einem verwahrlosten Zustand. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Manfred Hermann, Maleskis Rechtsbeistand, sieht darin einen erheblichen Mehrbedarf, den der Rentner mit der Sozialhilfe allein nicht zu stemmen vermöge. Maleski war lange arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld, später lebte er von Hartz IV. Mit 63 wurde er Rentner, seitdem erhält er Grundsicherung im Alter. Hinzu kommt: Er ist seit einem Schlaganfall schwerbehindert, der Grad der Behinderung beträgt 50 Prozent. Einen Anspruch auf einen sogenannten Euroschlüssel für öffentliche Toiletten, so der Richter, habe er erst, wenn der Grad der Behinderung steige.

Mit seiner Klage gewann der Essener Rentner bislang zwar viel öffentliche Aufmerksamkeit – selbst dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ war seine Klage einen ausführlichen Bericht wert –, aber der juristische Erfolg blieb aus. Nicht nur das Sozialamt der Stadt Essen wies den Antrag auf Erstattung des „Pinkelgeldes“ mit Bescheid vom 28. Juni 2018 ab, auch vor dem Sozialgericht Duisburg kassierte Günter Maleski im März 2021 in erster Instanz eine Niederlage.

Auch der mit drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzte 20. Senat des Landessozialgerichts verneinte deutlich einen Anspruch des Rentners auf Erstattung des Toilettengeldes. Angesichts seiner knappen finanziellen Mittel legte der Vorsitzende Richter dem Kläger unmissverständlich dar, dass dieser „Einschränkungen in der Freizeitgestaltung in Kauf nehmen und sich notfalls einschränken“ müsse.

Senatsvorsitzender weist Kläger auf die Internetseite gratispinkeln.de hin

Der 20. Senat des Landessozialgerichtes NRW mit Sitz in Essen beugte sich am Montag über die sogenannten „Pinkelgeld-Klage“ eines Essener Rentners.
Der 20. Senat des Landessozialgerichtes NRW mit Sitz in Essen beugte sich am Montag über die sogenannten „Pinkelgeld-Klage“ eines Essener Rentners. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Rechtsbeistand Hermann widersprach in der knapp einstündigen Verhandlung noch einmal energisch. Die Verrichtung der Notdurft sei seiner Meinung nach völlig unabhängig vom Freizeitverhalten zu betrachten. Werde der Mehrbedarf fürs WC-Geld nicht erstattet, sei der klagende Rentner quasi wie in einem Gefängnis eingesperrt. „Das ist ein Hausarrest“, empörte sich Hermann.

Doch an dieser Stelle schüttelten die in dunkelblaue Roben gewandeten Berufsrichter den Kopf. In der Urteilsbegründung hob der Senatsvorsitzende hervor, dass der Beklagte sein knappes Geld so einteilen müsse, dass er damit auskomme. Zuvor hatte Richter Weßling-Schregel den Kläger noch auf die Internetseite gratispinkeln.de hingewiesen, die auch für Essen einige Gratis-Toiletten aufliste – etwa in öffentlichen Verwaltungen, beispielsweise im VHS-Gebäude am Burgplatz.

Der 20. Senat entschied ferner, dass eine Revision vor dem Bundessozialgericht nicht zugelassen werde. Aber auch dagegen wollen Günter Maleski und Manfred Hermann vorgehen. Nach der Verhandlung kündigten sie auf dem Gerichtsflur an, eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen und notfalls vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen.