Essen. Immer mehr Bürger suchen einen Kleingarten. Die Stadt Essen soll Flächen für neue Kleingartenanlagen ausweisen, fordert die SPD und weiß auch wo.
Das Kleingartenwesen erlebt derzeit eine Renaissance. Viele Bürger wünschen sich einen eigenen Kleingarten, in dem sie Obst und Gemüse anbauen und sich vom Stress des Alltages erholen können. Nur: Das Angebot an freien Parzellen kann die steigende Nachfrage bei weitem nicht decken. Die SPD im Rat der Stadt reagiert darauf mit einer politischen Initiative mit dem Ziel, derzeit unbebaute Flächen für neue Kleingartenanlagen zu erschließen.
Essens Sozialdemokraten denken dabei an jene Auswahl, welche die Stadtverwaltung den Essenerinnen und Essenern 2019 als potenzielle Flächen für den Wohnungsbau vorgelegt hatte. Zur Erinnerung: 500 per Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger stellten sich in der Messe Essen der Frage: „Wo wollen wir wohnen?“ Zur Debatte standen rund 100 Freiflächen; in Kleingruppen wurde darüber diskutiert, ob dort neue Wohnungen entstehen sollten oder nicht. Die allermeisten auf der Liste fielen bei den Teilnehmern durch, am Ende blieben gerade einmal sieben Flächen übrig, die bebaut werden könnten.
Kleingärten stehen in Essen in Konkurrenz zu Wohn- und Gewerbeprojekten
„Die Verwaltung hat uns im Zuge der Bürgerbeteiligung ,Wo wollen wir wohnen?’ einen reichhaltigen und detailliert ausgearbeiteten Flächenpool zusammengestellt“, sagt Julia Kahle-Hausmann, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion und gerade erst von den Bürgerinnen und Bürgern im Westen der Stadt neu in den Landtag gewählt. Kahle-Hausmann wirbt dafür, sich diesen mit Blick auf mögliche neue Kleingartenanlagen noch einmal anzusehen.
Einen entsprechenden Antrag hat die SPD für die kommende Sitzung des Umweltausschusses vorgelegt. Kleingartenflächen stünden häufig in Konkurrenz zu dringend benötigten Wohn- und Gewerbeprojekten. In der Vergangenheit hätten Kleingärten – die SPD spricht von einem „Kulturgut“ – oft das Nachsehen gehabt, nach und nach seien Parzellen abgebaut worden.
Für den Emscherumbau mussten in Essen 100 Kleingärten weichen
So gingen beispielsweise durch den Umbau der Emscher und ihrer Nebenläufe rund 100 Kleingartenparzellen verloren, betont der Stadtverband der Kleingartenvereine, der dieses Jahrhundertprojekt gleichwohl ausdrücklich begrüßt. Auch wie für soziale Vorhaben wie aktuell den Bau einer Kindertagesstätte in Frohnhausen habe der Stadtverband bereitwillig Parzellen aufgegeben, sagt Vorstandsmitglied Karl Wiemer. Doch statt weniger Kleingärten brauche es mehr.
Aktuell gebe es 3500 Bewerber. Zum Vergleich: „2019 hatten wir 750 Bewerber für 50 freie Parzellen“, berichtet Wiemer. Die Corona-Krise, aber auch steigende Preise für Lebensmittel haben die Nachfrage noch einmal beschleunigt. Fast alle Kleingartenvereine haben ihre Wartelisten inzwischen geschlossen, so Wiemer.
Das „Kleingarten-Entwicklungskonzept“, das die Stadt Essen jüngst vorgelegt hat, beschreibt eindrucksvoll, welche Bedeutung Kleingartenanlagen nicht nur in sozialer Hinsicht haben. Kleingärten leisteten einen Beitrag für die Artenvielfalt und den Klimaschutz. Auch die SPD hebt darauf ab.
Der Stadtverband sieht vor allem im Essener Norden Bedarf für weitere Kleingärten
Klaus Wiemer nennt das rund 500 Seiten starke Entwicklungskonzept eine hervorragende Bestandsaufnahme. Nur wie es nun weitergehen soll mit dem Kleingartenwesen, darüber sagt das Entwicklungskonzept sehr wenig aus. Zwar wurden zehn potenzielle Entwicklungsflächen identifiziert, auf denen neue Parzellen entstehen könnten. „Dabei handelt es sich um Begleitgrün bestehender Kleingartenanlagen“, so Wiemer. Es wäre Platz genug für gerade einmal 70 bis 80 Kleingärten.
114 Vereine mit 9000 Kleingärten
In Essen bewirtschaften 114 Kleingartenvereine unter dem Dach des Stadtverbandes 203 Kleingartenanlagen mit insgesamt 9000 Gärten. Die durchschnittliche Parzelle ist nach Angaben des Verbandes 350 bis 400 groß.Statistisch betrachtet gibt es in Essen 1,5 Kleingärten pro 100 Einwohner. Der mit der Erstellung des Kleingarten-Entwicklungskonzeptes beauftragte Gutachter nennt zwei Kleingärten pro 100 Einwohner als Zielmarke.
Bedarf für neue Parzellen sieht der Stadtverband insbesondere im Essener Norden, aber auch im Westen und Osten. Überall dort, wo viele Menschen auf vergleichsweise engem Raum wohnen und das Einkommen für ein Haus mit eigenem Garten nicht reicht. „Es macht keinen Sinn eine Kleingartenanlage in Heidhausen zu bauen, wenn die Leute durch die ganze Stadt fahren müssen, um zu ihrem Garten zu kommen“, sagt Klaus Wiemer. Fast sehnsüchtig blickt das Vorstandsmitglied nach Dortmund, wo 1000 neue Kleingärten entstehen sollen.
Die SPD will deshalb mehr als im Kleingarten-Entwicklungskonzept beschrieben steht. Wobei nicht jede Freifläche aus dem Bürgerbeteiligungsprojekt „Wo wollen wir wohnen?“ für eine neue Kleingartenanlage geeignet sein dürfte, wie Julia Kahle-Hausmann einräumt. Andererseits: „Wir müssen aber auch nicht alles, was wir bebauen könnten, einfach brachliegen lassen.“
Nicht auf jeder Freifläche müsse gleich eine Kleingartenanlage mit eigenem Vereinsheim entstehen. „Wir können auch klein anfangen mit einigen wenigen Parzellen“, sagt Kahle-Hausmann. Zehn Parzellen auf einer Fläche würden nach Ansicht der Sozialdemokraten schon genügen.