Duisburg. Mit 23 Jahren legt Tessniem Kadiri eine steile Karriere als ARD-Moderatorin hin. Das sagt die Duisburgerin jetzt über den schlechten Ruf ihrer Heimatstadt.
„Menschen sind immer eher überrascht, wenn ich erzähle, dass ich aus Duisburg komme.“ Das sagt Tessniem Kadiri, die seit kurzem sehr viele Fernsehzuschauer in Deutschland kennen (wir berichteten). Schlagzeilen über Problemhäuser, Armut und Kriminalität würden das Bild ihrer Heimat prägen. Und dann kommt sie: 23 Jahre alt, marokkanische Wurzeln, eins der besten Nachwuchstalente ihrer Branche und jetzt Moderatorin einer Fernsehsendung, in der sonntagsabends zwei Millionen Menschen einschalten.
Am 16. Februar hat Tessniem Kadiri zum ersten Mal das Auslandsmagazin „Weltspiegel“ in der ARD moderiert, jetzt gehört sie fest zum Team. Doch nicht nur das: Sie ist für den Grimme-Preis nominiert und hat es 2024 in die Bestenliste „Top 30 bis 30“ geschafft. Die Journalistin pendelt zwischen Köln und Hamburg. Den Pott hat sie längst verlassen, doch die Liebe zu ihrer Heimat nicht verloren.
ARD-Moderatorin: „Wenn ich an Duisburg denke, habe ich immer schöne Kindheits-Momente im Kopf“
An ihre Kindheit im Revier hat sie vor allem fröhliche Erinnerungen: „Wenn ich an Duisburg denke, habe ich immer schöne Momente aus meiner Kindheit im Kopf. Zum Beispiel an der Sechs-Seen-Platte oder bei uns auf dem Parkplatz nebenan, wo wir Inliner gefahren sind.“, erzählt Tessniem Kadiri. Bevor sie nach Köln zog, um sich ihrem Studium in Bonn und ihrer journalistischen Ausbildung zu widmen, wuchs die Duisburgerin zunächst im Stadtteil Huckingen auf - „direkt an der Seite von der Einkaufsecke neben sehr viel Grün und direkt in der Nähe von einem Park“. Für sie eine tolle Kindheit mitten im Grünen im Mehrgenerationenhaus mit ihren Eltern, Geschwistern, Großeltern und zeitweise auch ihrer Tante.
Warum ihre Familie vor ihrer Geburt ausgerechnet nach Duisburg gezogen ist? Das hatte eher pragmatische Gründe. Schon ihre Großeltern mütterlicherseits seien damals als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, erzählt sie. Ihr Vater kam für sein Studium aus Marokko nach Duisburg. Auch Ihre Mutter, Onkel und Tante wuchsen schon in Huckingen auf und gingen alle auf dieselbe Schule: das Reinhard- und Max-Mannesmann-Gymansium. Beim Auswahlgespräch für die weiterführende Schule kennt der Schulleiter ihre ganze Familie. „Ich hab mich damals gefreut, dass ich da eine richtige Legacy antrete“, lacht Tessniem.
„Ich hatte nie das Gefühl, hier gehöre ich nicht hin“
Die Duisburgerin hat sich durch ihre marokkanischen Wurzeln schon früh mit ihrer Identität auseinandergesetzt. „Manchen Leuten werde ich es einfach nicht recht machen können, deswegen fällt es mir schwer einfach zu sagen: Ich bin Deutsche mit marokkanischer Migrationsgeschichte. Pott-Deutsche fasst es dagegen besser zusammenfasst. Ich fühle mich wie ein Teil vom Pott.“ Wenn sie früher durch Duisburg gelaufen sei, habe sie nie das Gefühl gehabt, sie gehöre nicht hierhin. „Es gibt hier so viele Menschen, die so aussehen wie ich, die so denken wie ich und die so aufgewachsen sind wie ich“, sagt Kadiri.
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Nach der fünften Klasse zieht die Familie gemeinsam in den Duisburger Norden in den Stadtteil Neumühl und Tessniem wechselt auf das Heinrich-Heine-Gymnasium in Oberhausen. Damit zieht die Familie aus einem eher bürgerlich geprägten Stadtteil vor die Kulissen der mächtigen Industriegiganten. Der Strukturwandel hat den Duisburger Norden hart getroffen, das ist an vielen Stellen kaum zu übersehen. Der Norden hat mit Herausforderungen durch Kriminalität und Armut zu kämpfen und bietet vor allem für junge Menschen eine eher schwierige Perspektive. Der Stadtteil Neumühl steht mit vermüllten und illegal besetzten Problemhäusern häufiger in den Schlagzeilen. Vor den Bundestagswahlen rückt der Duisburger Norden ebenfalls in den Fokus, weil er als AfD-Hochburg gilt.
Für Kadiri ist diese Entwicklung besonders bedauerlich. „Ich habe nichts gegen konservative Einstellungen an sich. Womit ich ein Problem habe: Wenn man anfängt zu hetzen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man in Duisburg aufwachsen und dann eine in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei wählen kann – und dabei auf Fake News und Populismus reinfällt. Das ist nicht das Duisburg, in dem ich persönlich das Gefühl habe aufgewachsen zu sein.“
Tessniems Lieblingsort in Duisburg: Die Stadtbibliothek
Kurz nach ihrem Schulwechsel startet Tessniem ihre journalistische Karriere und steht mit nur 15 Jahren am Mikrofon bei Radio Duisburg. In dieser Zeit wird die Stadtbibliothek direkt unter dem Radio zu einem ihrer Lieblingsorte in der Stadt. „Ich hab wirklich so viel Zeit in dieser Bibliothek verbracht“, erinnert sich die Duisburgerin. Sie ist von den hohen Fenstern der Bibliothek begeistert und lernt hier auch das erste Mal „dieses Comedy Stand-Up für ältere“ – richtig, Kabarett – kennen. Und auch das Bibliotheks-Café hat es ihr angetan. „Ich habe mich immer gefühlt wie eine der drei Ausrufezeichen, wenn ich da Kakao getrunken und eins der Bücher gelesen habe.“
Journalistisch geht es bei ihr weiter bei der Jugendredaktion der Funke Mediengruppe, zu der auch diese Zeitung gehört. Eine tolle Möglichkeit, für die sie sehr dankbar ist, trotzdem merkt sie schon früh, sie sehnt sich nach mehr „Action“, auch journalistisch und einer größeren Stadt, wie Hamburg oder Berlin. Diese Sehnsucht nach mehr hat sie bis heute beibehalten. „Ich wünsche mir als Auslandskorrespondentin für ein paar Jahre journalistisch im Ausland zu arbeiten“, erzählt die Moderatorin. Zuletzt war sie vor zwei Jahren für zwei Monate in New York und vor kurzem weitere zwei Monate in Slowenien für journalistische Projekte. „Das war total bereichernd!“
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Ob Sie sich vorstellen könne auch wieder nach Duisburg zurückzuziehen? Derzeit wohl nicht. „Ich denke, dass ich perspektivisch meinen eigenen Ort in der Welt finden werde, weil ich es schön finde eine Heimat zu haben zu der man immer wieder zurückkommen kann – so sehe ich das auch mit Marokko, meiner anderen Heimat – aber ich möchte meine eigenen Wurzeln irgendwo schlagen.“
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Das langjährige ARD-Format „Weltspiegel“ läuft immer sonntags um 19.20 Uhr im Fernsehen. Die Sendungen sind auch in der ARD-Mediathek abrufbar.