Duisburg. Ein nicht bebaubarer Garten direkt an der Schnellstraße soll laut Finanzamt 500.000 € wert sein. Wie sich der Besitzer gegen den Grundsteuer-Wucher wehrt.

Dieser Garten darf niemals bebaut werden. Besitzer Robert Kalus weiß das seit fast 70 Jahren. Gerichtsurteile, die Lage direkt an der B288 und ein Bebauungsplan der Stadt verhindern es. Dennoch stuft das Finanzamt das Grundstück bei der Neuberechnung der Grundsteuer beharrlich als wertvolles Bauland ein, für das er künftig wohl über 2500 Euro Grundsteuer zahlen soll. Für den Duisburger wird die Auseinandersetzung mit den Behörden zu einer Reise an die Grenzen des menschlichen Verstands.

Garten oder teures Bauland: Robert Kalus aus Duisburg-Ungelsheim streitet mit dem Finanzamt über die Bewertung seiner Grünfläche. Sie ist nur durch die Lärmschutzwand (im Bild rechts) von der B288 getrennt.
Garten oder teures Bauland: Robert Kalus aus Duisburg-Ungelsheim streitet mit dem Finanzamt über die Bewertung seiner Grünfläche. Sie ist nur durch die Lärmschutzwand (im Bild rechts) von der B288 getrennt. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Einen Lotterie-Gewinn investierte der Großvater von Robert Kalus 1956 in den Kauf von zwei Grundstücken an der Wildunger Straße in Ungelsheim, hinter denen damals schon die Bundesstraße verlief. Vor deren Lärm schützt jetzt eine begrünte Wand. „Er wollte eigentlich das hintere Grundstück bebauen und das vordere verkaufen“, erinnert sich der Enkel. Sechs D-Mark habe damals der Quadratmeter gekostet, heute kostet Bauland an dieser Stelle das Hundertfache.

Garten als Bauland: Stadt Duisburg scheiterte schon vor 50 Jahren

Doch schon vor 70 Jahren scheiterte dieser Plan. Zu nah an der Bundesstraße, keine Baugenehmigung, heißt es in einem Schreiben der Stadt Duisburg, das der 73-Jährige aufbewahrt hat. Also baute der Großvater ein schmuckes weißes Häuschen auf dem vorderen, ebenfalls 980 Quadratmeter großen Grundstück. Die Fläche an der Schnellstraße wird seither als Garten genutzt, in dem Obstbäumchen gedeihen und mehrere Bienenvölker Honig produzieren.

Aus 1974 datiert der erste Versuch der Stadt, den Garten als Bauland zu deklarieren. Auch da ging es schon um die Grundsteuer. Da klagte der Vater von Robert Kalus erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Der Garten blieb, wegen der Nähe zur B288,, unbebaubare Grünfläche, entschied der Richter, dessen Entscheidung der Ungelsheimer ebenfalls aufbewahrt hat.

Auch Bebauungsplan aus 2022 schränkt Neubau am Heidberg ein

Seit dem Oktober 2022 wähnte sich Kalus eigentlich auf der sicheren Seite. Da beschloss der Stadtrat für den Süd-Ortsteil den Bebauungsplan Nr. 1263 „Am Heidberg“. Die in der Siedlung vorhandene „aufgelockerte, höchsten Ansprüchen genügende Einzelhaus-Struktur, soll im Bebauungsplan durch die Einzelhaus-Festsetzung auch künftig planungsrechtlich gesichert werden“, heißt es da. „Besonders wertvoll“ sei der teilweise alte Baumbestand der unbebauten Grundstücke.

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Eine Hinterland-Bebauung seines Gartens, schließt Robert Kalus daraus, sei angesichts des geltenden Mindestabstandes von 40 Metern zur Bundesstraße damit ausgeschlossen. Stutzig wurde er aber, als er zur Abgabe seiner Grundsteuer-Erklärung vom Finanzamt nur ein Infoschreiben für sein Wohngrundstück bekam. Bemerkt hatte er da bereits, dass sein Garten im amtlichen Bodenrichtwert-Portal (www.boris.nrw.de) weiterhin als baureifes Grundstück für eine ein- bis zweigeschossige Bebauung gekennzeichnet war.

Garten an der Schnellstraße soll 500.000 Euro wert sein

Mit der Sachbearbeiterin im Finanzamt Duisburg-Süd habe er ein „sehr freundliches Telefonat“ geführt, berichtet Robert Kalus. Sie habe das Aktenzeichen für den Garten erteilt und ihn gebeten, den korrekten Richtwert im Kommentar zur Grundsteuererklärung zu vermerken und die Gründe kurz zu schildern.

„Das habe ich gemacht und danach zunächst ein Jahr lang nichts vom Finanzamt gehört“, berichtet er. Im Dezember 2023 kam dann der Schock mit dem Grundsteuer-Bescheid des Finanzamtes: „Es unterstellt einen fiktiven Wert für meinen Garten von 500.000 Euro, zugrunde gelegt wird ein Bodenrichtwert von 520 Euro, der um das Zehnfache höher ist als bisher.“

Das Luftbild zeigt am unteren Bildrand die Gärten in der Heidberg-Siedlung in Ungelsheim, die nur durch die Lärmschutzwand von der B288 getrennt sind. Das Finanzamt stuft sie als hochwertiges Bauland ein.
Das Luftbild zeigt am unteren Bildrand die Gärten in der Heidberg-Siedlung in Ungelsheim, die nur durch die Lärmschutzwand von der B288 getrennt sind. Das Finanzamt stuft sie als hochwertiges Bauland ein. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Widerspruch abgelehnt: Finanzamt beruft sich auf Bodenrichtwert-Portal

Seit der Rat im vergangenen November die neuen Hebesätze beschloss, kennt er die genauen Beträge: Statt bislang etwa 200 Euro werden für das Wohnhaus künftig rund 700 Euro fällig (Hebesatz 886 % für Wohngrundstücke), für den Garten werden es 2545 Euro sein: Für unbebaute Grundstücke gilt der höhere Hebesatz von 1469 Prozent.

Gegen die Einstufung des Gartens legte Kalus fristgerecht Widerspruch mit den Formularen von Haus & Grund ein. Der wurde abgelehnt. Begründung: Man übernehme die Bodenrichtwerte aus dem amtlichen Boris-Portal, dabei bleibe es. Zusammengestellt werden die Portal-Daten vom Oberen Gutachterausschuss im Land NRW, lokale Werte liefern die Gutachterausschüsse den Städten und Gemeinden zu.

Gutachterausschuss: Individuelle Bewertung ist nicht vorgesehen

Also versuchte es Robert Kalus beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte der Stadt Duisburg. „Eine individuelle Bewertung eines Grundstücks sieht die Ermittlungsverordnung nicht vor“, antwortet Alexander Bernt, Vorsitzender des Duisburger Gutachterauschusses für Grundstückswerte. Zu grundsteuerlichen Bewertungen seien Regelungen der Verkehrswert-Ermittlung und Korrektur-Faktoren von der Finanzverwaltung NRW „außer Kraft gesetzt“ worden. Zunächst setzten die Finanzämter die Werte aus dem Boris-Portal an.

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Eine Chance bleibt dem Ungelsheimer noch: Er könnte um eine Aussetzung auf Vollzug des Grundsteuerbescheids bitten und einen Gutachter beauftragen, der feststellt, dass der tatsächliche Quadratmeter-Preis seines Gartens um mehr als 40 Prozent unter den angesetzten 520 Euro liegt. Kosten der Expertise: zwischen 2000 und 2500 Euro.

„Das Finanzamt will mich offensichtlich zu einem reichen Mann machen“

Als qualifizierten Fachmann empfiehlt seine freundliche Sachbearbeiterin im Finanzamt-Süd den örtlichen Gutachter-Ausschuss. Ein Tipp, der den Ungelsheimer fassungslos macht: „Warum soll ich dafür zahlen, dass die nicht in der Lage sind, die Bodenrichtwerte anzupassen anhand der Bebauungspläne, die im gleichen Haus beschlossen werden?“ Es könne doch nicht sein, „dass ich erst klagen muss, damit eine offensichtliche Falsch-Bewertung korrigiert wird.“

Immerhin hat der Grundsteuer-Ärger ihn noch nicht um seinen Humor gebracht. „Das Finanzamt will mich offenbar zu einem reichen Mann machen“, sagt Robert Kalus, „schön wär‘s, wenn ich es wäre.“ Vielleicht sollte er einen Bauantrag für seinen Garten mit dem Grundsteuer-Bescheid begründen – das würde bestimmt lustig.

>> TAUSENDE WIDERSPRÜCHE AUS DUISBURG NOCH NICHT ENTSCHIEDEN

  • Zahlreiche Duisburger haben Einspruch gegen die Neubewertung ihrer Immobilien eingelegt. Rund 18.600 Verfahren, die die sich gegen die Art der Bemessung richten, ruhen bis zur Entscheidung über Musterklagen, die im Frühjahr erwartet wird.
  • Seit die Städte und Gemeinden die Grundsteuer-Bescheide verschicken, werden immer mehr Fälle bekannt, in denen es um Steigerung um mehrere tausend Prozent gekommen ist.
  • Zumeist geht es dabei um unbebaubare Grün- und Waldflächen, die bei der Neubewertung als hochwertiges Bauland eingestuft wurden.
  • In ersten Fällen, etwa aus Essen, hat das Finanzamt den Vollzug der Steuer außer Kraft gesetzt und eine Neubewertung der Grundstücke angekündigt.