Duisburg. Im Restaurant Faktorei serviert ein Ex-Sternekoch Gourmetküche für 15 Euro. Überzeugt das Fine Dining zum Kampfpreis? Wir haben es in Duisburg getestet.

  • Fine Dining statt Burgern und Steaks: Die Faktorei im Innenhafen hat ihr Konzept geändert
  • Einzigartig in Duisburg: Im Restaurant gibt es jetzt Gourmetküche für 15 Euro
  • Die Gastrokritik: Wir haben das neue Konzept in der Faktorei unangekündigt getestet

Gourmetküche für 15 Euro: Die neue Karte der Faktorei ist eine Kampfansage an die Fine-Dining-Adressen in Duisburg. Auch die Gäste müssen sich umstellen: Statt Burgern und Steaks tischt Koch Christian Krüger jetzt Ziegenfrischkäse und Hummer-Bisque auf. Das Tapas-Konzept soll dazu einladen, die Teller am Tisch zu teilen. Wir haben es kurz nach dem Start getestet.

Atmosphäre: Statt der großformatigen Kühe, deren Blick sich beim Essen deplatziert bis vorwurfsvoll anfühlte, prangen geschmackvolle Kunstdrucke an der Wand. Holztische und dunkelbraun bezogene Stühle verströmen Gemütlichkeit, zurückhaltend eingesetzte Großpflanzen lockern den Raum auf.

Neues Konzept in der Faktorei: Restaurant ist sichtbar an Fine Dining angepasst

Und fungieren als Schallschlucker: Jedenfalls an unserem Randtisch ist ein Gespräch den ganzen Abend mühelos möglich; das war in der Faktorei früher aufgrund des oft hohen Lautstärkepegels nicht immer so. Im Hintergrund läuft leise Musik: Jazz-Piano mit Gesang. Die Karte, in Leinen gebunden mit dezentem Golddruck, komplettiert den Fine-Dining-Gesamteindruck.

Auch von innen wurde die Faktorei behutsam an das neue Fine-Dining-Konzept angepasst.
Auch von innen wurde die Faktorei behutsam an das neue Fine-Dining-Konzept angepasst.

Service: Freundlich, zügig und sachkundig begleitet die Restaurantleiterin durch den Abend. Fragen zur Karte und zu Gerichten beantwortet sie aus dem Stegreif, sei es nach dem Fang des Tages oder zur Zubereitung des Zwiebelchutneys. Einzig die Frage, ob noch ein Glas Wein gewünscht ist, kommt etwas zu spät – „Brot und Spiele“, sprich mit drei verschiedenen Dips, dafür leider zu früh, nämlich gleichzeitig mit den übrigen Gängen.

Je später der Abend wird, desto voller wird das Restaurant – und desto länger werden die Abstände zwischen den Besuchen am Tisch. Das ist nachvollziehbar und bewegt sich im Rahmen, so dass die Gäste zwar mitunter Ausschau halten, aber nicht ungeduldig werden.

15 Euro pro Teller Gourmetküche: Diese Gänge bietet die Speisekarte

Angebot & Geschmack: Wer für 15 Euro pro Teller Gourmetküche essen möchte, hat die Wahl zwischen neun Gängen von Roter Beete mit Ziegenfrischkäse bis Rinderbacke. „Selektionsgänge“ nennt die Faktorei das, laut Speisekarte sind sie „ideal für eine Menü- oder Tapas-Auswahl“. Dafür sollte man sich allerdings besser nahestehen: Das Teilen der Gänge gestaltet sich schwierig, so dass wir die Teller lieber rumgeben.

Ein weiteres Problem der Tapas-Teller: Unser Zweiertisch ist einfach zu klein für Teller, Gläser und Besteck und dazu noch vier Probierteller. Hinzu kommt: Bis wir uns durch die ersten drei Gerichte geschlemmt haben, ist die Short Rib des „Umamai-Streich“ leider kalt geworden.

Neues Konzept in der Faktorei: Warum der Sharing-Gedanke scheitert

Ratsam wäre es, den Tapas-Gedanken beiseite zu schieben und sich stattdessen sein eigenes Menü aus den Selektionsgängen zusammenzustellen. Wer das versuchen möchte, sollte früh in den Abend bei der Faktorei starten: Solange der Betrieb in der Küche noch entspannt ist, kann der Tisch auch Gang für Gang separat bestellen; später, das bestätigt auf Nachfrage die Bedienung, dürfte das schwierig werden.

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Mögliche Alternative: gleich das Degustationsmenü bestellen. Das gibt es in drei bis fünf Gängen für 55 bis 85 Euro, darunter auch drei der 15-Euro-Gänge (“Brot und Spiele“ ist bei jedem Menü inklusive). Für Menü wie Selektionsgänge gilt: Vegetarier werden auf der Speisekarte nur sehr eingeschränkt fündig; zwei der 15-Euro-Teller sind vegetarisch, ansonsten nur ein „Klassiker“ mit dem Namen „Quer Beet“ (Gemüse, Polenta, Beurre Blanc, 16,50 Euro).

Wir starten in den Abend bei der Faktorei mit einem Gin Basilikum Smash (8,50 Euro, gibt es auch ohne Alkohol). Der leicht bittere Aperitif bekommt durch das Basilikum eine fast schon fruchtige Note. Dann kommen auch schon die vier Selektionsteller unserer Wahl.

Einzelne Gänge im Restaurant Faktorei bieten Fine Dining auf hohem Niveau

Rote Beete, Ziegenfrischkäse und Beurre Blanc bilden für „Ackergold“ einen exzellenten Gang.
Rote Beete, Ziegenfrischkäse und Beurre Blanc bilden für „Ackergold“ einen exzellenten Gang. © Monique de Cleur

Das „Ackergold“ – Rote Beete, Ziegenfrischkäse, Beurre Blanc – stufen wir als Vorspeise ein. Schon beim ersten Bissen steht fest: Das ist ein exzellenter Gang, der sich vor keinem anderen Restaurant in Duisburg verstecken muss. Die Rote Beete überzeugt in allen Texturen, ob als zarte Gelhaube auf dem köstlichen Ziegenkäse, als Crunch oder in den zarten, nicht zu erdigen Würfeln. Die Beurre Blanc verleiht dem Ganzen die hervorragend passende, lauwarme Temperatur.

„Entenglück“ heißt unser zweiter Teller. Die Enten-Krokette (das Plural-„n“ aus der Karte finden wir auf unserem Teller nicht) wird begleitet von Belugalinsen, Chorizo und Lauch. Letzterer ist angenehm zart und nicht zu zwiebelig, die Chorizo verleiht dem Gericht eine sanfte Schärfe. Das schmeckt wirklich gut, der Wow-Effekt des Ziegenkäse-Ganges bleibt hier aber aus.

Lecker, aber kein Wow-Effekt: der Gang „Entenglück“.
Lecker, aber kein Wow-Effekt: der Gang „Entenglück“. © Robin de Cleur

Das gilt auch für das Koji-Hähnchen aus dem „Alchemie-Werk“, das mit einer ganz anderen Geschmackswelt daherkommt. Selbst gegen die kräftige Ente zuvor verblasst das aromatische, schön saftige und zarte Fleisch nicht, gerösteter Kohl und Säure-geprägter Couscous harmonieren gut, rotes Curry verleiht dem Ganzen eine dezente Schärfe. Das gepoppte Quinoa auf dem Gericht gefällt meiner Begleitung gut; ich selber nehme es weder als Crunch noch als Geschmackskomponente wahr – überflüssig.

Gut oder doch überflüssig? Am gepoppten Quinoa auf dem Hähnchen im „Alchemie-Werk“ scheiden sich die Geister.
Gut oder doch überflüssig? Am gepoppten Quinoa auf dem Hähnchen im „Alchemie-Werk“ scheiden sich die Geister. © Robin de Cleur

Leider als Letztes wenden wir uns dem „Umami-Streich“ zu. Das ist schade um die schöne Short Rib, die sich heute hinter dem „Rind“ aus der Speisekarte verbirgt. Das Fleisch mit der feinen Marmorierung ist bis zum Verzehr kalt, das tut dem Geschmack des Fettes nicht gut. Zusammen mit dem Gurken-Kimchi wirkt der Gang somit eher wie eine Variante von Ochsenschwanzsalat, immerhin schön abgerundet durch die gelungene geräucherte Hollandaise.

Der Gang „Umami-Streich“ wird zum Opfer des Tapas-Gedankens in der Faktorei: Weil der Teil-Gedanke nicht aufgeht, 
ist die Short Rib kalt, bis wir sie probieren.
Der Gang „Umami-Streich“ wird zum Opfer des Tapas-Gedankens in der Faktorei: Weil der Teil-Gedanke nicht aufgeht, ist die Short Rib kalt, bis wir sie probieren. © Robin de Cleur

15 Euro pro Teller in der Faktorei: Wie viele Gänge machen satt?

Nach diesen vier Gängen (jeweils geteilt, also etwa zwei pro Person) sind wir angenehm gesättigt, es bleibt aber noch Platz im Nachtischmagen. Wir finden das angenehm; Gästen mit größerem Hunger ist zu drei Selektionstellern pro Person zu raten.

Auch beim Dessert erwischen wir wieder zwei Teller mit unterschiedlichem Niveau: „Mandel d‘Or“ (14 Euro) mit Mandel, Apfel und Tonkabohne entpuppt sich als leckerer Kuchen, eine hübsche und schmackhafte Überraschung sind die getrockneten Apfelschalen, die als Knusper fungieren. Mein Begleiter lässt keinen Krümel übrig; aber: Fine Dining ist das nicht zwingend.

Sehr lecker – aber nicht zwingend Fine Dining: das Dessert „Mandel d‘Or“.
Sehr lecker – aber nicht zwingend Fine Dining: das Dessert „Mandel d‘Or“. © Monique de Cleur

Essen gehen in der Faktorei am Innenhafen: Diese Gänge müssen Sie probieren

Eine Offenbarung und ebenso wie der Rote-Beete-Gang eine unbedingte Empfehlung ist hingegen der „Erfrischer“ (11,50 Euro). Hier passiert das, was an manch anderem Gang zur herausragenden Küche gefehlt hat: Da ist Bewegung am Gaumen, es gibt Geschmacksspitzen, der Löffel entwickelt sich auf der Zunge. Erstaunlich, wie spannend ein Joghurtsorbet mit schwarzem Tee und Holunderblüte sein kann! Tipp: Unbedingt das darüberliegende Blatt zerbröseln und mitessen – es handelt sich um ein fermentiertes, in Läuterzucker eingelegtes Walnussblatt, das dem Nachtisch nochmal eine ganz andere Tiefe verleiht.

Das Dessert „Erfrischer“ ist eine unbedingte Empfehlung.
Das Dessert „Erfrischer“ ist eine unbedingte Empfehlung. © Monique de Cleur

Fazit: Die schöne Idee mit den Tapas-Tellern geht leider nicht auf – vielleicht ändert sich das noch, wenn die Abläufe in der Küche sich mit der Zeit optimieren; immerhin gilt die neue Karte erst seit wenigen Tagen. Dazu gälte es allerdings ebenso, sämtliche Selektionsgänge so zu konzipieren und anzurichten, dass ein Teilen unkompliziert möglich ist. Was wiederum schade wäre um so manchen Gang, der dazu nicht geeignet ist.

Gerade wegen des Sharing-Konzepts haben die Gäste der Faktorei noch ein ganz anderes Problem: Wer für die 15-Euro-Teller hingeht und die Gerichte wie gedacht teilt, hat nach spätestens zwei Besuchen im Restaurant die Karte durch.

Vegetarier haben beim Essen im Restaurant Faktorei ein Problem

Vegetarier haben schon beim ersten Besuch ein Problem; drei vegetarische Gerichte auf der Speisekarte sind zu wenig. Die Konkurrenz macht es vor: Die Küppersmühle serviert sogar ein veganes Menü, beim Sternerestaurant Mod gibt es ein vegetarisches. Nicht umsonst hören wir in der Faktorei vom Nachbartisch zum Thema Gerichte ohne Fleisch oder Fisch die Frage: „Und was mache ich, wenn ich in zwei Wochen wiederkommen will?“

Dennoch, das muss klar gesagt werden: Duisburg ist um ein Fine-Dining-Restaurant reicher, das sich hinter den übrigen Adressen nicht verstecken muss. Das Potenzial des ehemaligen Sternekochs Christian Krüger zeigen bislang nicht alle Gänge; wenn sie es tun: dann allerdings mit einem Ausrufezeichen.

Bewertung:

Geschmack: 4/5 Punkten

Atmosphäre: 4/5 Punkten

Service: 4/5 Punkten

Preis-Leistungs-Verhältnis: 5/5 Punkten

Adresse: Philosophenweg 21, 47051 Duisburg

Kontakt: 0203 34 68 379

Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag von 18 bis 23 Uhr

Hinweis der Redaktion: Diese Gastro-Kritik entspricht dem subjektiven Geschmacksurteil der Verfasserin. Bei unseren Tests geben wir uns nicht zu erkennen, bewerten unabhängig und bezahlen das Essen selbst.