Duisburg. Die Heizung in einem Duisburger Wohnblock ist schon wochenlang kaputt. Die Bewohner leiden in ihren kalten Wohnungen. So reagiert der Vermieter.
Die Kinder frieren und weinen, ihre Eltern können nicht helfen. Ohnmächtig und hilflos fühlen sich die Anwohner eines Marxloher Wohnblocks, bei dem seit über einem Monat die Heizanlage ausgefallen ist. In den Mehrfamilienhäusern an der Dahlstraße und Bertramstraße im Duisburger Norden ist es „unerträglich kalt“, beklagen die Mieter. Seit Tagen liegen die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und auch in den Wohnungen wird es frostig.
- Die WAZ-Lokalredaktion Duisburg hält Sie auch hier auf dem Laufenden: zum WhatsApp-Kanal +++ Duisburg-Newsletter gratis ins E-Mail-Postfach schicken lassen +++ WAZ Duisburg bei Instagram +++ WAZ Duisburg bei Facebook
„Mein Sohn hat richtig geweint“, erzählt Fatima Mouyr, dem Sechsjährigen war es in der Wohnung so eisig kalt, dass „seine Hände gebrannt“ haben. Mutterliebe, Kuscheln, Pullis, Decken, Wärmflaschen konnten weder ihm noch seinen drei Geschwistern helfen. Auch der kleine Heizlüfter nicht. Eines Nachts hat die 13 Jahre alte Tochter sogar so stark gezittert und sich so schlimm verkrampft, dass sie am nächsten Morgen nur mit Schmerzen laufen konnte.
Auch ihre erwachsene Tochter leidet, erzählt die Mutter weiter, die 18-Jährige kann wegen ihrer eiskalten Finger ihren Tablet-Computer nicht vernünftig benutzen. Das führt zu Problemen bei den Hausaufgaben und bei Prüfungsvorbereitungen.
Heizung für 16 Wohnungen seit fünf Wochen kaputt: Besonders Kinder leiden unter der Kälte
Solche Leidensgeschichten kennen alle Mieterinnen und Mieter im Wohnblock aus den vergangenen fünf Wochen, sagt Aycan Yıldırım, vor allem die Eltern kleiner Kinder. Erkältungen, Husten oder Grippe gehen um im Viertel. Alle Bewohner fühlen sich von der Hausverwaltung ZBVV alleine gelassen. Der Totalausfall wurde am 16. Dezember gemeldet, aber kein weiterer Anruf und keine weitere Mail führte zu einer funktionierenden Heizanlage.
Deshalb hat Aycan Yıldırım ihre Nachbarn zusammengetrommelt und die Stadt Duisburg eingeschaltet. Daraufhin ist eine Handwerkerfirma an Heiligabend gekommen, erinnert sie sich, aber die Reparatur ist fehlgeschlagen. „Meine Heizung war voll aufgedreht, aber noch nicht mal lauwarm“, ordnet Aycan Yıldırım den Reparaturversuch ein. Wenige Stunden später gab‘s einen erneuten Totalausfall. Ein nächster Handwerkerbesuch, gut zwei Wochen später, brachte ebenfalls keine Besserung.
Was Aycan Yıldırım und ihre Nachbarn besonders ärgert: Durch frühere Heizungsausfälle im November ist der Handwerkerfirma und auch der Hausverwaltung längst bekannt, dass provisorische Reparaturen nicht mehr ausreichen. Die Heizkessel müssen ausgetauscht werden. Das bestätigte die Firma unlängst einigen Mieterinnen, die mal wieder die Notdienstnummer gewählt hatten.
Zwischenzeitlich ließ die ZBVV einige Heizlüfter verteilen, erreichte aber längst nicht alle 16 Haushalte. Zudem befürchten viele Familien horrende Stromrechnungen, die sie vom teils kleinen Gehalt, der niedrigen Rente oder von ihrer staatlichen Unterstützung nicht bezahlen können.
Mietminderung? „Die meisten kennen ihre Rechte gar nicht“
Eine Mietminderung soll kaum jemand in Anspruch genommen haben. „Die meisten kennen ihre Rechte gar nicht. Beim Mieterschutzbund sind wir hier alle nicht“, sagt Gülcan Coşgun. Die junge Frau pflegt ihren schwerkranken Vater, der wegen seines Gesundheitszustandes „unbedingt eine warme Wohnung haben muss“.
Immerhin gibt es in den Wohnungen noch Boiler und damit warmes Wasser. Das sei aber keine Lösung, betont Gülcan Coşgun. „Duschen ist einfach schrecklich.“ Denn die Kälte im Bad und in den übrigen Räumen sei danach umso stärker zu spüren. Am stärksten ist jedoch die Hilfsbereitschaft unter den Nachbarn.
Auch interessant
Da nicht jeder gut genug Deutsch spricht, um selbst beim Notdienst anzurufen oder Mails an die ZBVV zu schreiben, unterstützen sich die Menschen im Viertel gegenseitig. Von Balkon zu Balkon und auch sonst im Innenhof werden Neuigkeiten rasend schnell ausgetauscht. Daran beteiligt sich auch Detlef Kirsch. Aufgrund einer chronischen Krankheit kann der Rentner die Wohnung nicht verlassen, verrät er, „höchstens mal kurz in den Hof oder zum Arzttermin“.
Die meisten anderen Nachbarn, ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, wollen natürlich nicht den ganzen Tag Zuhause sein und frieren. Mütter spazieren mit Kinderwagen durch den Stadtteil, und Schüler freuen sich auf den Unterricht in warmen Klassenzimmern. Der Student Abdel Lfakir ist froh, dass er sich in die Uni-Bibliothek zurückziehen kann, um dort zu lernen. Sein Bruder hat es ungleich schwerer, er arbeitet im Homeoffice.
Von zuhause aus kann Mahmut Kutlutürk sein Geld zwar nicht verdienen, er hat aber trotzdem Nachteile. „Ich gehe mit vier, fünf Pullovern, mit Mütze und Decken ins Bett und wache trotzdem nachts total durchgefroren auf“, sagt er. Durch den Schlafmangel ist er auf der Arbeit völlig gerädert.
Besonders schlimm hat es eine alleinerziehende Mutter aus Bulgarien erwischt
Im Wohnblock müssen alle Bewohner zittern, betont Detlef Kirsch. Ob jung, alt, Akademiker oder Malocher, „keiner hat hier Heizung“. Bei Stefka Dimitrova und ihrer Tochter ist die Situation jedoch besonders drastisch. „Wir haben schon seit gut drei Jahren keine Heizung mehr“, sagt die alleinerziehende Mutter aus Bulgarien auf Türkisch. Ihre Nachbarn übersetzen beim Pressegespräch und bestätigen das jahrelange Heizungsproblem. Es habe nichts mit dem Kessel zu tun, sondern mit dem geringen Wasserdruck zur Wohnung im zweiten Obergeschoss. Dennoch denkt die Südosteuropäerin nicht ans Umziehen: „Man gewöhnt sich an alles.“ Auch an eine Wohnung ohne Heizung.
Alles aushalten? Sich dran gewöhnen? Dem Beispiel von Stefka Dimitrova möchten die anderen Mieter und Mieterinnen nicht folgen. Sie wollen den Totalausfall nicht hinnehmen und haben jetzt sogar die alleinerziehende Bulgarin überzeugt, dass alle gemeinsam für ihre Rechte einstehen müssen. Sich wehren müssen. Die Anwohner wollen endlich nicht mehr schlottern und nicht länger zusehen, wie ihre Kinder, Geschwister oder Eltern leiden.
Hausverwaltung ZBVV verspricht eine schnelle Reparatur
Die Hausverwaltung ZBVV macht ihren Mietern jetzt Hoffnung auf muckelig warme Zimmer. Eine weitere Fachfirma werde beauftragt, den Schaden in Marxloh erneut zu überprüfen. „Im Anschluss werden die notwendigen Arbeiten an der Heizungsanlage schnellstmöglich erledigt werden“, teilt ein ZBVV-Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion mit.
Tags darauf war der angekündigte neue Fachmann bereits im Heizungskeller. Er war erfolglos. „Es ist weiterhin eiskalt“, sagt Aycan Yıldırım. Ihre fast täglichen Anrufe beim Notdienst pausieren vorerst. Ebenso Mails an die ZBVV, um zu erfahren, wann der Heizkessel endlich ausgetauscht wird.
Alle Mieterinnen und Mieter sind ernüchtert. Zusätzlich zittern sie jetzt vor der Nebenkostenabrechnung. Sie befürchten, dass sie damit für die vielen erfolglosen Handwerkereinsätze zur Kasse gebeten werden. Und für die neuen Heizkessel, die sie sehnsüchtig erwarten. Jedoch darf ein Vermieter solche Reparaturkosten nicht auf seine Mieter umlegen.
„Wir geben nicht auf“, gibt sich Aycan Yıldırım kämpferisch. Sie hofft auf die Stadt und dass es zusätzlich hilft, die Situation im Marxloher Wohnblock öffentlich zu machen.