Duisburg. Vor Weihnachten fällt die Heizung einer ganzen Wohnsiedlung in Duisburg aus. Kinder und Eltern werden krank, Betroffene verzweifeln und rufen um Hilfe.

Kurz vor Weihnachten fällt in einer Duisburger Wohnsiedlung mit mehr als 70 Wohnungen die Heizung komplett aus. Für die Mieterinnen und Mieter dieser Mehrfamilienhäuser in Neumühl ist die Situation „unerträglich“, wie es in ihrem Hilferuf heißt. „Zahlreiche Familien, darunter Kinder, ältere Menschen und gesundheitlich beeinträchtigte Nachbarn, leiden unter der extremen Kälte.“ Die Hausverwaltung ZBVV reagiert zunächst nicht. Die Betroffenen sind verzweifelt.

„Die Lage ist bei uns extrem schlimm geworden“, sagt Serengül Demirkaya im Gespräch mit der Redaktion. Sie klingt geschwächt, immer wieder unterbricht sie ein kurzes Husten. Seit dem 20. Dezember sei die Heizung der ganzen Siedlung an der Lüneburger Straße komplett ausgefallen. Warmes Wasser bekommt die Neumühlerin zwar noch über den Boiler, doch für ihre erst drei Jahre alte Tochter ist es in der Wohnung viel zu kalt.

Bellender Husten, Nierenschmerzen: Frierende Mieter in Duisburg-Neumühl brauchen Hilfe

Die kleine Mirihmah leide inzwischen an Pseudokrupp, einem bellenden Husten, und habe in der Kälte erst kürzlich wieder einen Hustenanfall bekommen. Ihr Kind leiden zu sehen, „tut einfach nur weh“. Ihr Ehemann sei auch krank, erzählt sie, er habe nun sogar Nierenschmerzen.

Die für die Wohnsiedlung an der Lüneburger Straße zuständige Hausverwaltung ZBVV spricht von einer umgehenden Reaktion auf den Heizungsausfall.
Die für die Wohnsiedlung an der Lüneburger Straße zuständige Hausverwaltung ZBVV spricht von einer umgehenden Reaktion auf den Heizungsausfall. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Tagsüber kommt die Familie aus dem Duisburger Norden notgedrungen bei Verwandten unter, deren Heizungen funktionieren. Über Weihnachten und Neujahr wollte Serengül Demirkaya eigentlich „eine schöne Zeit“ mit ihren Liebsten verbringen, „die wurde uns genommen“. Täglich und mehrfach rufe die 34-Jährige bei der Hausverwaltung ZBVV und bei der zuständigen Handwerkerfirma an. Doch die Heizung bleibt tagelang kalt. „Wir brauchen ganz dringend Unterstützung, Hilfe“, schildert die Mieterin.

Einige Betroffene flüchten aus „eiskalten Wohnungen“ zu Verwandten

„Abgewimmelt“ und „immer nur vertröstet“ fühlt sich auch die junge Mutter Ferhan Topal. „Es war richtig kalt“, schildert die 29-Jährige. Das Thermometer sei in der Wohnung nur auf knapp 14 Grad Celsius geklettert. Besonders gelitten hätten ihr dreijähriger Sohn und ihre sechsjährige Tochter, die sich sogar eine Bronchitis eingefangen habe. Mit ihrer Familie ist Ferhan Topal spontan nach Frankfurt zu ihrer Mutter gefahren, um so der kalten Wohnung ein paar Tage zu entfliehen.

Aber längst nicht alle Betroffenen haben solch eine Möglichkeit. „Es fühlt sich an, als würden wir in einem Kühlschrank leben“, sagt Aylin El Rifai und schildert die „gravierenden Missstände“ in dem Wohnviertel, „die nicht nur mich, sondern auch viele andere Mieter erheblich belasten“. Seitdem die Heizung ausgefallen ist, harren die Anwohner „in unseren eiskalten Wohnungen“ aus. „Selbst mit mehreren Decken war es kaum möglich, sich warmzuhalten.“

Nach einer Woche frieren: Hausverwalter ZBVV hat fast alle Heizungen wieder repariert

Nach einer Woche frieren, so erzählen es mehrere Anwohner übereinstimmend, lässt die ZBVV dann am vergangenen Freitag kostenlos Heizstrahler austeilen. Dagegen sagt die Hausverwaltung auf Nachfrage: Der Heizungsausfall sei der ZBVV erst seit Montag, 23. Dezember, bekannt und „der zuständige Servicedienstleister vor Ort hat den Mietern umgehend Heizlüfter als Sofortmaßnahme zur Verfügung gestellt“. Noch am Freitagnachmittag berichten einige Anwohner, dass ihre Heizungen wieder laufen, das Zuhause wieder warm wird.

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„Das Problem geht nach Kenntnisstand der ZBVV auf einen Stromausfall am 20. Dezember zurück“, ergänzt ein ZBVV-Sprecher am Montag. Nachdem die Schadensmeldung am 23. Dezember, am Tag vor Heiligabend, eingegangen sei, „war ein Monteur vor Ort“ und demnach erneut am 27. Dezember. „Für eines der Häuser steht noch die Lieferung eines Ersatzteils aus, das nach Empfang natürlich umgehend eingebaut wird. Alle anderen Häuser werden wieder regulär beheizt.“

Tagelanger Heizungsausfall im Winter war ein Weckruf für die Mieter

Obwohl die meisten Heizungen wieder funktionieren, ist der Vorfall für einige Betroffene, die nun wieder ein warmes Zuhause haben, noch nicht komplett abgeschlossen. So ist der Ärger in der Siedlung groß, dass die Reparatur so lange gedauert hat. „Wir fühlten uns alleingelassen und überfordert, da es keine klaren Antworten gab“, sagt Aylin El Rifai. Und manche Rückmeldungen der Handwerker seien widersprüchlich gewesen, „was die Verwirrung und Frustration der Mieter noch verstärkte“. Sie fordert, wie viele ihrer Nachbarn, jetzt „einen funktionierenden Notfallplan“, wenn in Zukunft wieder ein größerer Schaden im Viertel auftritt.

Zumal sich Aylin El Rifai große Sorgen um ihren Sohn macht. Das Kind ist ein Extremfrühchen, das nach nur 23 Wochen im Mutterleib lange auf der Intensivstation war und das sie erst kürzlich aus dem Krankenhaus nach Hause holen durfte. „Sein Zustand bleibt kritisch. Eine kalte Wohnung, Schimmel und zugige Räume sind für ihn lebensgefährlich“, sagt seine Mutter.

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Deshalb erwartet sie demnächst weitere Auseinandersetzungen mit der ZBVV und ihren Dienstleistern. Denn sie berichtet von „massiven Schimmelproblemen“ und undichten Fenstern. Solche Mängel seien in der Siedlung weit verbreitet, ergänzt Serengül Demirkaya, auch in ihrer eigenen Wohnung.

Für sie und weitere Nachbarn war der Heizungsausfall über die Weihnachtstage ein Weckruf: Sie wollen sich einem Mieterschutzverein anschließen, damit sie ihre Rechte besser durchsetzen können, wenn die Heizung wieder ausfällt oder andere Mängel ihre Gesundheit und die ihrer Kinder gefährden.