Duisburg. Außenministerin Annalena Baerbock in Duisburg: Sie joggt am Innenhafen, spricht mit Obdachlosen und Stahlarbeitern und teilt gegen CSU-Chef Söder aus.

Stahlkrise, Obdachlosigkeit, Bürgernähe: Mit diesem Dreiklang unter hohen Sicherheitsanforderungen begann der Bundestagswahlkampf für Bündnis 90/Die Grünen in Duisburg. Außenministerin Annalena Baerbock, Grünen-Bundesvorsitzender Felix Banaszak und Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor besuchten HKM, die Notschlafstelle Wolfgang-Eigemann-Haus der Diakonie und luden zur Mittagspause zum politischen Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern.

Frühaufsteher-Jogger könnten Annalena Baerbock schon am Morgen bei einer Laufrunde um den Innenhafen gesehen haben. Obdachlose konnten im ganz kleinen Kreis persönlich mit ihr sprechen. Am Calaisplatz drängten sich dann fast 170 vom BKA gegengecheckte Gäste. Obwohl per Los nur 40 Grünen-Mitglieder darunter waren, war es für die Partei ein Heimspiel im Home. Viele Selfie-Möglichkeiten mit der Politprominenz, lautstarker Applaus und das Bekenntnis eines jungen Mannes: „Ich bin ein Fan!“

Wahlkampfveranstaltung Grüne in Duisburg
Bei einem Besuch der Notschlafstelle der Diakonie in Duisburg sprach Annalena Baerbock mit Obdachlosen, mit Pfarrerin Barbara Montag (li.) vom Diakoniewerk und Einrichtungsleiter Christian Horbach (re.). Auf dem Weg entlang der Ruhrorter Straße ist sie im Gespräch mit Felix Banaszak, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. © DPA Images | Fabian Strauch

Wärmende Erinnerungen an Duisburg-Besuche

„Wärmende Erinnerungen“ verbinde sie mit Duisburg, sagte Baerbock, die zuletzt 2021 als Kanzlerkandidatin in Duisburg war. Seither stand eher Damaskus auf ihrer Agenda. Aber sie erinnert sich, dass sie nach einem Stahlwerk-Termin vor sechs Jahren Socken in einem Laden gekauft habe. Nicht sicher ist sie sich beim Stadtteil: „Überleben?“ Den gibt es hier zwar nicht, aber das Überleben – politisch und als Gesellschaft –war an diesem Tag durchgängiges Thema.

An Schwarz-Weiß-Debatten wolle sie sich nicht beteiligen, das sei „unseriös und hochgefährlich“. Auch wenn die „Verfassungsfeinde“ damit zweistellige Zuspruchszahlen generieren, würde es das Land von innen kaputt machen, glaubt die Grünen-Politikerin. Sie wolle Antworten haben, wenn ihre Kinder sie irgendwann fragen, ob sie alles getan habe, um den Frieden zu sichern. Ihr sei es wichtig, mit den Jüngeren zu sprechen, auch wenn die noch nicht wählen können. Im Übrigen gelte: „Föderalismus ist keine Ausrede dafür, dass das Bildungssystem ungerecht ist“ und Abschlüsse von Postleitzahlen abhängen.

Annalena Baerbock macht Wahlkampf in Duisburg
Annalena Baerbock von den Grünen, flankiert von Personenschützern, scheute nicht das Bad in der dicht gedrängten Menge im Home am Calaisplatz in Duisburg © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

TKS-Aufsichtsrat: Die grüne Transformation der Stahlwerke darf kein „Rohrkrepierer“ sein

Unter den Gästen war auch Tekin Nassikol, Konzernbetriebsratschef von Thyssenkrupp Steel. Er betonte, dass Überkapazitäten aus China „alles zerstören“ würden. Es gebe zur grünen Transformation keine Alternative, sie dürfe „kein Rohrkrepierer“ werden, das wäre ein „Riesen-Schaden“. Baerbock bestätigte, dass China die EU nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen mit Billigstahl „überflutet“, sondern damit auch die demokratischen Gesellschaften „ins Wanken“ bringen wolle. „Die Industrie ist das Rückgrat unserer Gesellschaft“, betonte die Außenministerin und sie stehe für eine Politik, die die Industriestandorte retten will.

Dirk Riedel, Vertrauenskörperleiter bei TKS, dankte Banaszak für seine Besuche bei der Mahnwache vor Tor 1, die schon über 170 Tage dauert. Er betonte, dass Menschen, die Angst haben um ihre Zukunft, „anfällig werden für Populismus“. Einen Seitenhieb auf CSU-Chef Markus Söder konnte sich Baerbock da nicht verkneifen. Die Betriebsräte sollten ihn mal einladen, es sei schließlich seine Idee, „eine Rolle rückwärts zu machen“ bei der Transformation.

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Duisburg soll Industriestandort bleiben

Duisburg soll Industriestandort bleiben, dafür aber klimaneutral werden, „das ist unser Angebot“, sagte Felix Banaszak, der für den Wahlkreis II (Norden, Stadtmitte, Homberg, Baerl) kandidiert. Der Umbau werde aber nicht von heute auf morgen gehen und auch Zumutungen bedeuten, aber die Alternative sei, „dass hier irgendwann nichts mehr steht“. Während andere Parteien Probleme überhöhen würden, sei es Ziel der Grünen, Zuversicht zu zeigen, „das ist Hoffnung mit Substanz“.

Dafür müsse in einer Stadt wie Duisburg mit großen soziale Herausforderungen Leben und Wohnraum bezahlbarer gemacht werden. Familien zu entlasten, das Deutschlandticket bei 49 Euro zu deckeln, das Elterngeld zu erhöhen, seien weitere Ziele der Partei.

Annalena Baerbock macht Wahlkampf in Duisburg
Gut gelaunt begrüßte die amtierende Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beim Wahlkampfauftakt von Bündnis 90 / die Grünen in Duisburg das Publikum. Gemeinsam mit den Bundestagskandidaten Felix Banaszak und Lamya Kaddor will sie für den Industriestandort Duisburg kämpfen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor tritt im Wahlkreis I an (Altstadt, West, Süd) an. Sie hat selbst als Tochter syrischer Einwanderer die doppelte Staatsbürgerschaft, betonte, dass die Einwanderungsgesellschaft Realität sei und man die Chancen neuer Bürger durch Integrationskurse mehren müsse. Um Extremismus und Radikalisierung von Jugendlichen durch Soziale Netzwerke zu bremsen und die Gesellschaft zu schützen, sei es außerdem wichtig, Präventionsprogramme auszubauen. Beim Publikum rannte sie mit diesen Vorschlägen offene Türen ein.

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>> WAHLKAMPF DER GRÜNEN IN DUISBURG

  • „Es kann sein, dass wir an Ihre Tür klopfen“, kündigt Felix Banaszak für die kommenden Wochen an. Auch wenn er selbst als Bundesvorsitzender diesmal weniger vor Ort sein kann als beim letzten Wahlkampf, werde es Möglichkeiten zum direkten Austausch geben. So wollen Bündnis 90/Die Grünen bis zur Wahl am 23. Februar samstags in der Innenstadt und auf Wochenmärkten in der ganzen Stadt vertreten sein.
  • Hinter dem kurzen Winterwahlkampf stecke „eine irre Logistik“, erklärt der Bundesvorsitzende. Zu den neuen Routinen gehöre auch, dass Auftritte in Fernseh-Talkshows nun „Teil der Normalität“ seien.
  • Zum „Bier mit Banaszak“ lädt er am 23. Januar nach dem Motto „Ihr die Fragen, ich die Rechnung“.
  • Die Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor hat für ihr Format „Nachsitzen“ einige Gäste nach Duisburg eingeladen: Am 20. Januar kommt der Publizist Michel Friedmann, am 17. Februar der Migrations- und Bildungsforscher Aladin El-Mafaalani.
  • Weitere Infos stehen auf der Webseite der Grünen in Duisburg: https://gruene-duisburg.de/

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