Duisburg. Zwei Chemieunternehmen produzieren mitten in Meiderich. Für die Sicherheit von Mitarbeitern und Anwohnern sorgt Duisburgs kleinste Werkfeuerwehr.
Das Unternehmen hat keine eigene Webseite, kaum Spuren im Internet. Dabei beschäftigt die Infratec Duisburg GmbH über 80 Leute und betreibt Duisburgs kleinste Werkfeuerwehr. Auf dem Gelände der Unternehmen Rain Carbon und Westlake in Meiderich sorgen 35 Infratec-Mitarbeiter, darunter 25 Feuerwehrleute, rund um die Uhr für die Sicherheit von insgesamt fast 500 Beschäftigten in den beiden Störfallbetrieben.
Schon bei der Anmeldung an der Pforte ist ein Alarm zu hören – zur Überprüfung der Brandschutzeinrichtungen, wie sich schnell herausstellt. Und für die Sicherheit. Die vielen Maßnahmen sind bei der Runde über das Werksgelände unübersehbar, man fährt über die Ammoniakstraße, die Teerstraße, und sieht an jeder Ecke eine Not- und Augendusche, mit der man sich im Falle einer Kontamination abspülen könnte.
Rote Säcke mit dem Wort „Gully“ darauf könnten bei auslaufenden Gefahrstoffen die Abflüsse abdichten, damit nichts in die geländeeigene Wasseraufbereitung gelangen kann. Sammelplätze sind weit sichtbar markiert, auf halbstationäre Löschanlagen entlang der Wege kann die Werkfeuerwehr an vielen Stellen zugreifen.
Hohe Sicherheitsstandards auf dem Gelände zweier Chemiewerke in Duisburg
Überhaupt, die Wege: Die wenigsten sind wortwörtlich im grünen Bereich, also ohne besondere Schutzbekleidung zu begehen. Ein Helm mit integrierter Schutzbrille, geschlossene Kleidung, feste Schuhe, sie sind auf den gelben Wegen Pflicht. Verlässt man sie, kommen weitere Schutzanforderungen hinzu.
Mit 350.000 Quadratmetern ist das Gelände rund 49 Fußballfelder groß. Es grenzt nahe der A3 an den Rhein-Herne-Kanal an, ist mit einem eigenen Anleger für Binnenschiffe ausgestattet. Schienen führen darüber, hier und da stehen Kesselwagen auf den Gleisen. Rund 70 Laster passieren täglich das Haupttor, werden gewogen, auf ihre Sicherheitsstandards hin geprüft und dann auf das Gelände gelassen.
Das Tankschiff Gomastad liefert gerade Methanol an. Für den Alkohol gibt es gleich drei Warnhinweise mit Totenkopf und Flammen, weil er brennbar ist, giftig und ätzend zugleich wirken kann. Der Rohstoff wird über hunderte Meter lange Rohre zur Formalin-Anlage transportiert. Andere Stoffe werden in Tankwagen angeliefert, die Lkw-Fahrer sind während der Verladung teilweise komplett verhüllt mit Chemikalienschutzanzügen.
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Experten im Umgang mit gefährlichen Stoffen
Der gefährlichste Stoff hier ist Phenol: Eine leicht rötliche Flüssigkeit, hochtoxisch mit Einfluss auf den Herz-Kreislauf. „Selbst nach kleinsten Spritzern würden wir die Betroffenen vorsorglich zur Kontrolle in die BGU bringen“, sagt Sibylle Morstadt. Der letzte Fall ist Jahre her, betont die Umweltschutzingenieurin, die den Bereich Sicherheit bei der Infratec leitet, die eine 100-prozentige Tochter der beiden produzierenden Unternehmen ist.
Die Feuerwehrleute seien alle ausgebildete Rettungssanitäter, die jährliche Fortbildungen zusammen mit den Kollegen der Berufsfeuerwehr machen und so den Standard hochhalten. Als „First Responder“ könnten sie mit speziellen Pufferlösungen sofort Verletzungen neutralisieren. Eine Sanitätsstation ist 24/7 besetzt, ein Betriebsarzt mehrmals die Woche vor Ort.
Auf dem Gelände passiert im großen Stil, was im übertragenen Sinne auch auf dem heimischen Herd passiert: „Unter definierten Bedingungen werden verschiedene Zutaten zusammengeführt, die Temperatur reguliert, dass nichts überkocht, bis etwas Neues entstanden ist“, erklärt Sibylle Morstadt anschaulich. In Meiderich sind es überwiegend Epoxidharze.
Werkfeuerwehr ist mit Löschfahrzeugen und Drehleiter ausgerüstet
Damit während der „Koch“-Prozesse in den vielen Reaktoren der Chemiewerke nichts ungeplant passiert, sind viele Sicherheitsmechanismen in die Prozesse eingebaut. Darüber hinaus gibt es zahlreiche vorbeugende Brandschutzeinrichtungen, mit deren Wartung und Optimierung die hauptberuflichen Feuerwehrleute täglich beschäftigt sind. Für Ernstfälle sind sie mit zwei Löschfahrzeugen und einer Drehleiter ausgestattet. Weil man in einem Chemiewerk mit Wasser nicht allzu viel ausrichten kann, haben sie zudem eine „One Seven“-Anlage an Bord: Schon auf dem Fahrzeug kann damit Schaum als Löschmittel hergestellt werden.
Das Einsatzgeschehen der rund 100 Einsätze im Jahr dreht sich im Wesentlichen um technische Hilfeleistungen, weil sich im Hochregallager Paletten verkantet haben, weil ein Gebinde ausläuft oder eine Pumpe undicht ist, sagt Nadine Schulte, die Leiterin der Werkfeuerwehr. „Echte Feuer gibt es schon lange nicht mehr.“
24-Stunden-Schichten für die Berufs-Feuerwehrleute
Die wenigsten Einsätze seien nachts, weshalb sich die Feuerwehrleute in ihren 24-Stunden-Bereitschaftsschichten in aller Regel über eine „95 % Durchschlafgarantie“ freuen können. Nicht ganz unwichtig, denn im Vergleich zur Berufsfeuerwehr, wo acht Schichten pro Monat Standard sind, werden hier zwölf pro Einsatzkraft verlangt, umgerechnet 52,5 Stunden wöchentlich. Aber mit entsprechend höherer Vergütung, lockt Nadine Schulte. Wie bei allen Feuerwehren sind auch bei ihr Stellen zu besetzen.
Nadine Schulte ist eine der nur zwei Frauen im Team. Vier silberne Streifen auf der Schulter zeichnen die Chefin als Brandoberinspektorin aus. Sie ist wie ihr Stellvertreter Robert Schäfer ein „Eigengewächs“, machte ursprünglich eine Ausbildung zur Chemikantin, bis sie sich bei der Berufsfeuerwehr zur hauptamtlichen Brandmeisterin fortbilden ließ.
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Die Chemiewerke sind im Stadtteil „tief verwurzelt“
Ihre volle Expertise musste sie bislang nicht ausspielen. Das letzte größere Ereignis muss vor fast 25 Jahren gewesen sein, einen richtigen Störfall erinnert keiner von ihnen. „Das spricht für den Standort“, findet Sibylle Morstadt. Die Freiburgerin gehört zu den wenigen Zugezogenen, hier arbeiten vor allem Duisburger, die Werke seien „tief verwurzelt im Stadtteil, hier arbeiten Familien über mehrere Generationen“.
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Neben den hauptamtlichen Feuerwehrleuten werden deshalb bei Bedarf auch nebenberufliche Kräfte alarmiert, die entweder bereits am Standort sind oder in unmittelbarer Nähe wohnen. „Unsere Stärke ist, dass alle den Standort und die Produkte kennen“, sagt Schulte. Die Infratec sorgt dafür, dass die Unternehmen ihrer Verpflichtung nachkommen, alle Ereignisse selbst in den Griff zu bekommen, ergänzt Morstadt.
Nur bei großen Lagen werde die Berufsfeuerwehr dazu geholt. Damit auch sie sich auf dem Gelände orientieren kann und die Kommunikation reibungslos läuft, werden regelmäßige Störfallübungen gemeinsam absolviert. Nur so ist auch hier alles im grünen Bereich.
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>> Sie produzieren in Duisburg: Westlake Epoxy und Rain Carbon Germany
1905 startete die Gesellschaft für Teerverwertung mit der ersten Teerdestillation in Meiderich. Nach Übernahmen durch die Rütgerswerke AG und Bakelite bespielen nach mehrmaligem Eigentümerwechsel heute zwei Unternehmen die Fläche: Die Firmen Westlake und Rain Carbon produzieren hier verschiedene Epoxid- und Kunstharze.
Epoxidharz, wie es die Westlake Epoxy GmbH herstellt, wird als Klebstoff in der Automobil- und Flugzeugindustrie eingesetzt, außerdem dient es zur Faserverstärkung bei Bauelementen. Die Rain Carbon Germany GmbH produziert Spezialharze für die Klebstoff-, Reifen- sowie Farben- und Lackindustrie.