Duisburg. Zur Hafen- und Stahlstadt Duisburg gehören neben den Grillo-Werken dutzende Störfallbetriebe. Was sie machen und wie oft der Ernstfall eintritt.

Ob Chemiefabriken, Stahlwerke oder Lager für gefährliche Stoffe: In Deutschland gibt es laut Umweltbundesamt rund 3800 Anlagen, die unter die Störfallverordnung fallen, verteilt auf rund 1000 Unternehmen. Eine Duisburger Postleitzahl haben insgesamt 32 Betriebe, sagt Stadtsprecher Christoph Witte.

Die Firma Tanquid auf der Ölinsel in Ruhrort gehört zu den Störfallbetrieben von Duisburg. Passiert ist in über 30 Jahren nichts. (Archivbild)
Die Firma Tanquid auf der Ölinsel in Ruhrort gehört zu den Störfallbetrieben von Duisburg. Passiert ist in über 30 Jahren nichts. (Archivbild) © Essen | Lars Heidrich

Die meisten gehen unter dem öffentlichen Radar ihren Geschäften nach. In seltenen Ausnahmefällen bekommt das Label Störfallbetrieb plötzlich Farbe, wie gerade durch den Großbrand im Grillo-Werk.

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) zählte in den vergangenen Jahrzehnten einige hundert Störfälle in Duisburg. Überwiegend sind es Ölfilme auf Rhein oder Ruhr, die einen Einsatz von Feuerwehr und anderen Behörden nötig machen. 2017 forderten „glitzernde Partikel“ ihre Aufmerksamkeit. Es handelte sich um grafithaltige Stäube. 2015 schreckte eine Verpuffung die Nachbarschaft des Duisburger HKM-Werks auf.

Regelmäßige Kontrollen für die Störfallbetriebe in Duisburg

Große Aufmerksamkeit ziehen Brände auf der Schrottinsel im Duisburger Hafen auf sich. Recyclingbetriebe wie TSR gehören aber nicht in die Kategorie Störfallbetrieb, müssen also auch nicht regelmäßig von der Bezirksregierung Düsseldorf kontrolliert werden. 23 Betriebe der „oberen Klasse“ bekommen jährlich Besuch, die neun der „unteren Klasse“ alle drei Jahre.

Sie unterliegen gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen.

Für die Bebauung rund um Störfallbetriebe gelten außerdem Abstandsregelungen. Diese sind nicht pauschal bemessen, sondern abhängig von den Stoffen und ihrer Menge, berechnet werden sie vom Lanuv. Im letzten Jahr durfte zum Beispiel in Rheinhausen eine Kita nicht gebaut werden, weil sie „im Achtungsbereich eines Störfallbetriebs“ gestanden hätte.

Und der Traum vom Factory Outlet Center in Duisburg-Marxloh starb am Ende auch deshalb, weil Berechnungen ergaben, dass tausende Shopping-Besucher nicht schnell genug in Sicherheit gebracht werden könnten, wenn es bei Grillo zu einem Störfall gekommen wäre.

Hunderte Störfälle in Duisburg - die meisten sind vergleichsweise harmlos

Wenn man nach Störfallbetrieben in Duisburg sucht, landet man schnell bei den üblichen Verdächtigen: Chemiewerke wie Grillo und Venator, Tanklager wie Tanquid. Die großen Stahlwerke von Thyssenkrupp Steel und HKM halten eigene Werkfeuerwehren vor, um im Fall der Fälle schnell eingreifen zu können.

Die Betriebe müssen ihre Nachbarschaft informieren und Broschüren verteilen, damit die Bürger wissen, was sie im Ernstfall tun müssen. Venator (früher Sachtleben/Huntsman) etwa erklärt in der Störfallbroschüre auf seiner Webseite: „Als produzierendes Chemieunternehmen in direkter Nähe zu einem dicht besiedelten Wohngebiet sind wir uns der daraus erwachsenden Verantwortung sehr bewusst.“ Eine Karte zeigt den Bereich in Homberg, der mutmaßlich von einem Chemieunfall betroffen wäre. Die Werkfeuerwehr und die Behörden seien auf unterschiedliche Szenarien vorbereitet.

2016 brannte auf dem Huntsman-Gelände eine Halle unter anderem mit Titandioxid. Personen kamen bei dem Feuer nicht zu Schaden.

Für Chemieunfälle bei Venator gelten verschiedene Verhaltenshinweise. So soll man etwa Türen und Fenster schließen, aber auch Passanten aufnehmen oder Kindern und hilfsbedürftigen Menschen helfen, Kinder in Schule oder Kindergarten lassen und die Nachbarn im Haus informieren.

In Duisburg gibt es viele Störfallbetriebe - eine Auswahl

Das Tanklager Tanquid speichert auf der Ölinsel in über 100 Großtanks viele brennbare, explosive, giftige oder umweltgefährliche Stoffe. Hier wird um- und abgefüllt, seit über 30 Jahren störungsfrei, wie das Unternehmen betont.

Mit dem Zeppelin über Duisburg.
Im Duisburger Hafen wird viel umgeschlagen. Die Schrottinsel im Vordergrund ist kein Störfallbetrieb, obwohl es dort häufiger brennt, das neue Gateway Terminal dahinter ist es sehr wohl. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Ein weiteres Tanklager betreibt Varo in Homberg. Hier wird vor allem Heizöl und Diesel gelagert und umgeschlagen. Auch das neue Gateway Terminal wird ein Gefahrgutlager, hier sollen künftig 900 Tankcontainer stehen können.

Raincarbon und Hexion gehören zu den weniger bekannten Unternehmen. In Meiderich sind sie auf dem Gelände der ehemaligen Gesellschaft für Teerverwertung zu finden. Per Tankschiff, Kesselwagen, Lkw oder Tankzug werden Stoffe an- und abgeliefert, die entzündbar, giftig oder ätzend sein können. Hauptgeschäft ist die Umwandlung von Rohstoffen durch chemische Prozesse.

Hexion stellt Produkte aus Epoxid- und Phenolharzen her, Rain Carbon setzt auf Kohlenwasserstoff-Harze, Klebstoffe, Farben und Lacke. Durch Brand und Leckagen könnten Gase freigesetzt werden, weshalb hier zur Sicherheit eine eigene Werkfeuerwehr angesiedelt ist.

Die Gefahrstoffe können ätzend, giftig, entzündlich oder explosiv sein

Mit Spezialchemikalien und Holzschutz geht die Kurt Obermeier GmbH um. Sie lagert in Wanheimerort Gefahrstoffe und füllt sie auch um. Sicherheitsrelevant sind vor allem Chlorgas und gewässergefährdende Stoffe, mit denen man „verantwortlich“ umgehe.

Die Köppen-GmbH ist ein Logistikunternehmen, das auch Werkstatt- und Reinigungsbetrieb sowie Depot- und Lagerbetrieb ist. Stoffe, mit denen am Standort Meiderich umgegangen wird, sind zum Teil ätzend, entzündlich, giftig oder umweltgefährdend. Gefahren können durch Leckagen oder Brände entstehen. Zum Schutz von Menschen und Umwelt gebe es eine „Brandmeldeanlage, die direkt zur Berufsfeuerwehr Duisburg aufgeschaltet ist“.

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Auf der Stahlinsel in Duisburg Ruhrort betreibt Hutchison Ports eine Lagerstätte für Container mit Gefahrgütern. Leckagen, Brände oder Explosionen könnten trotz Vorbeugung „nicht gänzlich ausgeschlossen werden“, informiert das Unternehmen auf einem Flyer für die Nachbarschaft. Im Umkreis von 700 Metern könne es im Störfall zu einer Gasausbreitung kommen.

Gase fließen durch Leitungen in Richtung Stahlwerke

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Thyssenkrupp Steel Europe zählt zu den Störfallbetrieben in Duisburg und hält eine eigene Werkfeuerwehr vor. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

In Meiderich hat die Firma Linde ihren Sitz. Sie produziert Gas, das per Leitung zu den Stahlwerken fließt. Kleinere Mengen werden per Tankfahrzeug transportiert, es gibt einen entsprechenden Parkplatz. Wenn bei einer Störung Sauerstoff, Stickstoff oder Argon freigesetzt wird, könnte ein dichter Nebel entstehen, der die Sicht behindert. Im unmittelbaren Gefahrenbereich gebe es eine erhöhte Brand- sowie Erstickungsgefahr, klärt das Unternehmen auf.

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Die Firma Feralco hat die Venator Wasserchemie GmbH übernommen und produziert in Homberg „Prozesschemikalien für die Trink-, Abwasser- und Papierindustrie“, die dafür benötigte Salpetersäure fällt in die Störfall-Verordnung. Sie ist giftig, kann korrosiv und ätzend wirken sowie Brände verstärken.

Auf dem Hafengelände von Logport I in Rheinhausen befinden sich einige Störfallbetriebe, etwa der Logistiker Raben.
Auf dem Hafengelände von Logport I in Rheinhausen befinden sich einige Störfallbetriebe, etwa der Logistiker Raben. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Das Logistik-Unternehmen Raben hat seinen Sitz auf Logport 1 in Rheinhausen. Einige Stoffe, die hier gelagert werden, gelten als leicht oder extrem entzündbar und deshalb als störfallrelevant, weshalb auch dieses Unternehmen eine Information für die Öffentlichkeit vorhalten muss.

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