Duisburg. Dramatische Entwicklung beim Duisburger Jugendamt: Nur mit einem besonderen Kniff konnte die Behörde vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden.

Wenn der Jugendhilfeausschuss am Donnerstag, 7. November, zusammenkommt, wird er nur noch abnicken können, was der Oberbürgermeister in einem Dringlichkeitsbeschluss bereits unterzeichnete: Um das Jugendamt der Stadt Duisburg vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, wurden 32,2 Millionen Euro überplanmäßig ausgezahlt.

In einer jetzt veröffentlichten Vorlage wird deutlich, dass das Jugendamt spätestens Ende Oktober kein Geld mehr gehabt hätte. Nichts übrig von den im Haushalt veranschlagten 340,80 Millionen Euro. Dass jetzt über 32 Millionen Euro hinzukommen als „Mehraufwendungen“, ist vor allem dem Bereich Hilfen zur Erziehung geschuldet. „Dem landesweiten Trend folgend stiegen einerseits die Fallzahlen, andererseits wirken sich die allgemeinen Kostensteigerungen bei den Entgelten für Jugendhilfemaßnahmen aus“, erklärt die Stadtverwaltung.

Finanzspritze für das Jugendamt in Duisburg ohne Gegenfinanzierung genehmigt

Wie die zusätzlichen 32 Millionen Euro perspektivisch gedeckt werden können, sei noch nicht „vollumfänglich“ klar. Die Mittel werden vorerst ohne spezifizierte Gegenfinanzierung bereitgestellt, was gemäß der Gemeindeordnung NRW zulässig ist. Rund 11,5 Millionen sollen aus den Mitteln der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe aus den Kindergartenjahren 2021 bis 2024 kommen, seien wegen des späteren Zahlungseingangs aber derzeit noch nicht verfügbar. Falls es darüber hinaus zum Jahresabschluss keine ausreichende Deckung gebe, müsste entweder auf Rücklagen zurückgegriffen werden oder der „Liquiditätskreditbestand“ ausgeweitet werden, sprich die Stadt müsste ihren Kassenkredit erweitern, um zahlungsfähig zu bleiben.

Die finanzielle Notlage des Jugendamtes sei erst im Laufe des Septembers so deutlich geworden. Wegen des drohenden Zahlungsstopps sei es nicht möglich gewesen, die reguläre Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 7. November abzuwarten. Alternativen zu dieser Lösung gebe es nicht, weil die Aufgaben der erzieherischen Hilfen gesetzlich verpflichtend sind.

Wochenendarbeit führt zusätzlich zu knappen Kassen

Dass es ausgerechnet jetzt klamm wird auf den Konten des Jugendamtes, hängt neben den anderen Gründen mit einer besonderen Maßnahme zusammen: Wie berichtet, hatten sich bis zum Frühjahr bereits unbezahlte Rechnungen in Höhe von fast 40 Millionen Euro aufgehäuft. Um ihrer Herr zu werden, hatte das Amt Brandbriefe geschrieben und die Mitarbeiter dazu aufgerufen, abends und an den Wochenenden mit bezahlter Mehrarbeit Abhilfe zu schaffen.

Diese Maßnahmen seien effektiver gewesen als prognostiziert, weshalb die Mittel des Jugendamtes nun nicht mehr ausreichen, heißt es in der Vorlage von Dezernent Paul Bischof.

Auch interessant

Grundsätzlich werden die Aufgaben der Jugendhilfe aus Steuergeldern getragen, die den Kommunen zugewiesen werden. Hier gilt aber die gleiche Argumentation wie oben: Steigende Fallzahlen und Kostensteigerungen führen dazu, dass diese Schlüsselzuweisung für die gesetzlich zwingend zu leistenden Aufgaben nicht reicht.

Hilfen zur Erziehung sind ein vielseitiges Angebot

Im vergangenen Jahr hat das Jugendamt allein nach Meldungen zur Kindeswohlgefährdung in 344 Familien eine Hilfe zur Erziehung platziert. Hinzu kommen aber viele weitere, mitunter kostenintensive Angebote.

Über den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) werden Leistungen nach dem Achten Buch der Sozialgesetzgebung vermittelt, beispielsweise bei Konflikten in Trennungssituationen, bei Krankheit oder Behinderung, bei Gewalt in der Familie oder sexuellem Missbrauch.

Auch interessant

Zum Unterstützungsrepertoire gehören etwa Erziehungsberatung oder Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche. In Krisen- und Konfliktsituationen werden über Erziehungsbeistandschaften Fachkräfte in Familien vermittelt, um das Miteinander von Eltern und Kindern zu verbessern.

Wenn solche ambulanten Angebote nicht greifen, sind auch Tagesgruppen möglich, vollstationäre Heimunterbringungen oder sozialpädagogische Einzelbetreuungen. Für diese Hilfen werden in der Regel freie Träger beauftragt, die dann wiederum ihre Dienste in Rechnung stellen. Zuletzt hatten ein paar Träger erklärt, nicht mehr für die Stadt Duisburg arbeiten zu wollen, weil sie Sorge hatten, durch verzögerte Zahlungen selbst in Schwierigkeiten zu geraten.

Auch interessant