Duisburg. Zum ersten Mal wurde im Bethesda-Krankenhaus ein Baby ohne ärztliche Unterstützung geboren. Wie läuft eine Geburt im neuen Hebammenkreißsaal?
Im Duisburger Bethesda-Krankenhaus können Frauen ihr Baby seit neustem ohne ärztliche Unterstützung auf die Welt bringen. Allein Hebammen kümmern sich um die Geburt. Für die gebärenden Frauen soll das viele Vorteile haben. Wie aber ist so eine Geburt im Krankenhaus, doch ohne Arzt?
Anne Wagemans hat‘s selbst erlebt. Vor wenigen Wochen hat sie im neuen Bethesda-Hebammenkreißsaal (HKS) ihren zweiten Sohn Fiete geboren und damit den neuen HKS in Hochfeld eingeweiht: Sie war die erste Frau, die hier von Anfang bis Ende der Geburt auf ärztliches Personal verzichtet hat.
„Normale“ Geburt oder Geburt im HKS – ein Vergleich
Ihr erstes Kind, Oskar, hatte Wagemans „ganz normal“, also in einem herkömmlichen Kreißsaal, geboren. Deswegen – und weil die 35-Jährige selbst als Hebamme arbeitet – kann sie gut vergleichen zwischen beiden Geburtsarten.
Im HKS, wo eine 1:1-Betreuung durch die Hebamme gewährleistet ist, sei die Atmosphäre sehr schön und ruhig, beschreibt Wagemans. „Es werden zwar dieselben Räumlichkeiten genutzt, aber ohne Arzt gibt es weniger Interventionen und weniger Schmerzmittel.“ Denn weil immer eine Hebamme anwesend sei, die sich jeweils um nur eine Frau kümmere, sei die Schmerzempfindlichkeit geringer, sagt die junge Mutter.
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Sie traute sich die Geburt allein mit Hebammen ohne Weiteres zu – obwohl (oder gerade weil) es im HKS weder regelmäßige CTGs noch Ultraschall-Untersuchungen gibt. Auch ein Zugang „für alle Fälle“ wird nicht gelegt. Die beteiligte Hebamme hört lediglich immer wieder nach den Herztönen des Kindes. Für Anne Wagemans ein großer Pluspunkt. „Denn so entstehen Freiräume, die man nutzen kann.“
Routine-Untersuchungen können „eher kontraproduktiv“ sein
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Die Routine-Untersuchungen, die in traditionellen Kreißsälen stattfinden, hält sie in vielen Fällen für „eher kontraproduktiv“. „Sie können behindern und falsch interpretiert werden“, so Wagemans. Die intime Atmosphäre im HKS hingegen sei für sie und ihren Mann perfekt gewesen „Wir konnten uns wunderbar aufeinander einlassen.“
Freilich: Was für Familie Wagemans eine Freiheit war, die alles erst recht perfekt machte, könnte für andere Familien einen Kontrollverlust bedeuten. Nicht jede Frau hat den Mut, eine Geburt „nur“ mit Hebammen anzugehen. Nicht jede kann oder will sich komplett auf den eigenen Körper verlassen.
Tatsächlich ist der HKS auch nicht für alle Schwangeren geeignet: Nur Frauen, die gesund sind, keine Vorerkrankungen, keine Geburtsrisiken und einen unauffälligen Schwangerschaftsverlauf haben, dürfen im Hebammenkreißsaal gebären.
Für den Notfall stehen immer auch Ärzte bereit
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Für den Notfall steht im Hintergrund immer noch ärztliches Personal bereit. Das unterscheidet die Geburt im HKS von einer Hausgeburt. Die hätte sich Anne Wagemans grundsätzlich auch vorstellen können. Denn die 35-Jährige glaubt fest an die Natürlichkeit der Geburt. „Frauen können Kinder kriegen, das regeln allein schon die Hormone.“
Im Wochenbett würden drei Stunden Schlaf schließlich auch ausreichen, sagt die gelernte Hebamme. Sie ist davon überzeugt, dass Frauen viel selbstbewusster mit dem Thema Gebären umgehen könnten. Man müsse die Schwangeren nur stark machen. „Und ihnen das Vertrauen in den eigenen Körper zurückgeben.“
Erster HKS Duisburgs öffnete im Helios St. Anna
- Der erste hebammengeführte Kreißsaal in Duisburg wurde vor zwei Jahren im Helios St. Anna eröffnet. Bei der Planung hatte man von den positiven Erfahrungen der Geburtshilfe am Helios Klinikum Niederberg in Velbert profitiert, das bereits 2008 als erste Klinik in NRW einen hebammengeleiteten Kreißsaal einrichtete.
- In Hochfeld ist eine Geburt im HKS seit Anfang September möglich. Bisher gab es hier zehn Geburten. (Insgesamt kamen im Bethesda im September und Oktober 137 Babys zur Welt.) Weitere 14 Paare haben sich für den HKS angemeldet.
- Vorteile einer hebammengeleiteten Geburt seien niedrigere Interventionsraten bezüglich Wehentropf, Dammschnitt oder Schmerzmittelgabe. „Die Schwangeren sind zufriedener mit der 1:1-Betreuung und gebären häufiger spontan (vaginal), in aufrechten Geburtspositionen oder im Wasser“, erklärt eine Sprecherin. All dies sei in Studien belegt worden.
- Ein weiterer Vorteil sei die bessere kollegiale Zusammenarbeit im Hebammen- und Ärzteteam.