Duisburg. An der Grundschule Brückenstraße in Duisburg gibt es jetzt Lernpaten. Die sollen helfen, Probleme aus den Familien der Grundschüler aufzufangen.

„Fühlt sich richtig gut an“, sagt Mayas, „so eine Vorbildfunktion zu haben.“ Die Neuntklässlerin des Mercator-Gymnasiums sitzt in den OGS-Räumen der Grundschule Brückenstraße in Hochfeld – und hilft. Wobei? Bei allem eigentlich, sie ist „Lernpatin“, eine Aktion der „Urbanen Zukunft Ruhr“, die Schüler der weiterführenden Schule mit Grundschülern an Brennpunktschulen zusammenbringt. Das Projekt hat hier in Hochfeld gerade sein erstes Halbjahr absolviert und soll eine Blaupause werden – „denn Hochfeld gibt es nicht nur in Duisburg“, sagt Urbane-Zukunft-Ruhr-Geschäftsführer Ibrahim Yetim.

Doppel-S oder ß? Brückenstraßen-Schülerin Efnan (l.) mit ihrer Lernpatin Mandaline vom Duisburger Mercator-Gymnasium.
Doppel-S oder ß? Brückenstraßen-Schülerin Efnan (l.) mit ihrer Lernpatin Mandaline vom Duisburger Mercator-Gymnasium. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Und das Lernpatenprojekt, es scheint das Potenzial zu haben, wirklich etwas ändern zu können. Viermal in der Woche kommen die Paten an die Brückenstraße, von 13.30 Uhr bis 15 Uhr, und helfen. So wie Mayas eben, die mit Josef am Tisch sitzt und ein „Suchsel“ absolviert. Wie Dennis, wie Ali, wie Mandaline, die bei allem helfen, was so anfällt.

Duisburger Lernpaten senden klare Botschaft: „Du schaffst das“

Aber die Mercator-Schüler sind nicht bloß glorifizierte Nachhilfelehrer, sondern Vorbilder, wie Mayas ganz treffend sagt. „Es geht nichts über individuelle Förderung“, sagt Brückenstraßen-Schulleiterin Katrin Agte, etwas, das im normalen Unterricht kaum leistbar ist. „In einer 1. Klasse mit 27, 28 Schülern kann der Lehrer nicht einem einzelnen Kind vorlesen.“

Dass die Lernpaten aber eben auch Schüler sind, in einigen Fällen sogar ehemalige Brückenstraßen-Schüler und meistens selber Hochfelder, ist mindestens genauso wichtig: „Du schaffst das auch“, ist die Botschaft. „Den Schülern fehlen Vorbilder“, sagt Agte, sowohl in Sachen Schule, als auch beim Thema Arbeitsstellen.

Familien in Duisburg-Hochfeld: „Analphabetismus ist nicht unüblich“

Denn die Brückenstraße in Hochfeld hat mit ganz speziellen Problemen zu tun, das weiß die Schulleiterin nach über 20 Jahren an der Grundschule. „Wir haben mit Sprachproblemen zu kämpfen, die Kinder kommen aus bildungsfernen Familien. Die Eltern können oft selber kein Deutsch, Analphabetismus ist nicht unüblich.“ Entsprechend wenig Hilfe bekommen einige Kinder zu Hause, oft gebe es für sie auch keinen Arbeitsplatz im Elternhaus. „Dazu fehlen Kita-Plätze, wir haben regelmäßig Kinder im 1. Schuljahr, die kein Deutsch sprechen und auf dem Stand von Drei- oder Vierjährigen sind, also eigentlich nicht schulfähig.“ Einen sprachlichen Rückstand von sechs Jahren könne man an der Schule nicht auffangen.

So geht’s: Lernpate Dennis (r.) hilft Jeffrey an der Duisburger Grundschule Brückenstraße.
So geht’s: Lernpate Dennis (r.) hilft Jeffrey an der Duisburger Grundschule Brückenstraße. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Deswegen ist Katrin Agte hörbar begeistert vom Lernpatenprojekt. „Alles in diesem Projekt ist Förderung“, sagt die Schulleiterin, „viele Erst- oder Zweitklässler haben noch nie einen Würfel oder Brettspiele gesehen, Püppchen in der Hand gehabt. Und wenn sie dann die Farben anhand des Spiels ‚Obstgarten‘ lernen, dann ist das ein riesiger Fortschritt.“

Duisburger Lernpaten verstehen die Probleme der Grundschüler

Dass die Lernpaten selber aus dem Stadtteil, aus dem Umfeld der Grundschüler kommen, ist Teil des Konzepts. „Die Schwierigkeiten, die die Kinder haben, kennen einige Paten von sich selbst. Zum Beispiel, dass sie damals nicht richtig Deutsch sprechen konnten“, sagt Nils-Christoph Ebsen, Geschäftsführer bei Urbane Zukunft Ruhr. „Und weil die Lernpaten selbst aus Hochfeld kommen, haben sie möglicherweise auch kulturell einen anderen Zugang.“

Lehrer wie Initiatoren sind sich jedenfalls einig, dass „alle ihre Aufgabe wahnsinnig ernst nehmen“. Ja, die Gymnasiasten bekommen 15 Euro Honorar. Ein schnöder Job ist es aber ganz deutlich spürbar für keinen der Neuntklässler. Während Dennis mit Jeffrey Mathe übt, denk Mayas nochmal nach. „Die Vorbildfunktion macht mich stolz, ja“, sagt die Neuntklässlerin, die aber auch ganz privat vom Projekt profitiert. „Wenn ich schlecht gelaunt aus der Schule komme, dann geht es mir hier wieder gut. Und es entstehen richtige Freundschaften.“ Wie zum Beweis kuschelt sich die kleine Miray an Mayas‘ Schulter.

>> LERNPATEN IN DUISBURG-HOCHFELD: SUCHE NACH NEUEN SPONSOREN

  • Die rund 15.000 Euro für das erste Halbjahr „Lernpaten“ an der Brückenstraße kamen von der Gebag.
  • Der Sponsor des kommenden Schulhalbjahres wird die „Edeka Zukunftsstiftung“ sein.
  • Für das übernächste Halbjahr sucht Urbane Zukunft Ruhr noch nach einem Geldgeber.