Duisburg. Zwei Schulen in Duisburg bekommen jetzt ein Career Center. Was das ist und wie es Schülern bei der beruflichen Orientierung helfen will.
Viele von ihnen sind die ersten in der Familie, die Abitur machen. Ihre Eltern träumen davon, dass ihre Kinder Arzt werden oder Anwalt. Welche Talente in ihrem Nachwuchs schlummern und wie vielfältig die Berufswelt heute ist, das ahnen manche nicht mal.
Die Perspektive weiten, Möglichkeiten aufzeigen und vermitteln: An der Globus-Gesamtschule im Duisburger Dellviertel und am Mercator-Gymnasium in Hochfeld soll in den kommenden drei Jahren das Career Center helfen und „beste Berufs- und Studienorientierung an den herausforderndsten Schulen“ bieten.
Center ist an dieser Stelle ein großes Wort für einen Ein-Mann-Betrieb (der designierte Kandidat ist männlich), der ab September seine Vollzeitbeschäftigung auf die beiden Schulen verteilen wird als Netzwerker und Projektmanager zwischen Schülern, Lehrern und potenziellen Arbeitgebern.
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„Career Center“ in Duisburg: Berufs- und Studienorientierung mitten in der Schule
Aber wenn es gut läuft, dann könnte man das Projekt auch ausdehnen, berufsqualifizierende Maßnahmen integrieren, es „weiter ins Ruhrgebiet skalieren“. Das hofft jedenfalls Nils-Christoph Ebsen, Geschäftsführer der Urbanen Zukunft Ruhr, die das Pilotprojekt in Hochfeld initiiert. Den Bereich der Berufs- und Studienorientierung haben sie hier als blinden Fleck ausgemacht.
„Bei meinen Kindern mache ich das wie viele Eltern selbst, aber manche kämpfen so sehr mit dem Alltag, dass dafür die Zeit fehlt“, so Ebsen. Oder die Kompetenz. Die Stelle finanzieren die Sparkassen-Stiftung Duisburg, die Ruhrstiftung und die Edeka Rhein-Ruhr-Zukunftsstiftung zunächst für drei Jahre.
Für Kevser (17) kommt das Angebot vermutlich zu spät: „Ich kenne meine Talente, ich bin ein Gruppenmensch, kann gut organisieren und sehe mich nach der Schule im Produktionsmanagement“. Für Jaron hingegen könnte das Career Center die Rettung sein: „Ich bin ein hoffnungsloser Fall“, sagt er von sich selbst. In der Schule reden sie zwar seit der achten Klasse immer wieder über die Welt der Berufe, machen Praktika und Bewerbungstrainings, eine zündende Idee kam bei dem Elftklässler aber noch nicht. „Das Angebot hat der Schule echt gefehlt“, ist er daher überzeugt.
Auch Komal will sich dort auf jeden Fall Hilfe suchen. Ihre Familie habe sie schon fest in der Medizin verbucht, sehe sie als Ärztin. „Aber ich habe viel mehr Potenziale, bin an vielem interessiert.“ Ähnlich sieht es bei Kiriana aus, die wegen der Wünsche ihrer Eltern bislang nur ein Praktikum in der Altenpflege gemacht hat. „Jenseits der Medizin habe ich noch nichts kennengelernt“, bedauert sie.
„Sonst muss ich mit meinem Vater auf die Baustelle“
Während die einen von ihren Eltern in bestimmte Richtungen gedrängt werden, bekommen andere daheim gar keine Hilfe. Das beobachtet jedenfalls Halil bei manchen Kumpels: „Viele können mit ihren Eltern nicht gut über das Thema reden.“ Bei ihm selbst sei das nicht so, seine Eltern würden seine schulische Entwicklung eng begleiten, „und drohen mir, dass ich mit meinem Vater auf die Baustelle muss, wenn ich nicht lerne“.
Darauf hat der 16-Jährige gar keine Lust. Lieber möchte er wie seine große Schwester später auf Lehramt studieren. Ein Praktikum an einer Grundschule hat ihm jedenfalls Spaß gemacht, auch wenn es anstrengend war: „Immer um acht Uhr da sein, tanzen, singen, Streit schlichten.“ Eine weiterführende Schule wäre womöglich eher sein Ding.
„ „Das Bewusstsein für Potenziale und Optionen fehlt einfach.““
Die Schulleiter von Mercator und Globus haben gern Platz gemacht an ihren Schulen. Fabian Theiß von der Globus-Gesamtschule betont: „Unsere Schüler brauchen individuelle Zugänge zu Betrieben“. Über ihre Elternhäuser würden sie vieles nicht kennenlernen, deshalb sei deutlich mehr Unterstützung wünschenswert: „Das Bewusstsein für Potenziale und Optionen fehlt einfach.“
Seine Schule wurde mit dem Schulsozialindex 9 bewertet. Im Einzugsgebiet leben also Kinder, deren Familien arm sind, die kein Deutsch sprechen, die eine Flucht- oder Zuwanderungsgeschichte haben, auch der Anteil an Schülern mit einem Förderbedarf ist vergleichsweise höher. Helfende Hände sind hier per se gern gesehen.
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Viele Schüler brauchen spezialisierte Ansprechpartner
Auch Dr. Wibke Harnischmacher vom Mercator-Gymnasium freut sich über das Career Center im Haus: „Das bedient bei uns eine Marktlücke.“ Sie sieht etwa Potenziale bei den Absolventen der Internationalen Vorbereitungsklassen, „das sind fähige, fleißige Schülerinnen und Schüler, die aber spezialisierte Ansprechpartner brauchen.“ Bestehende Angebote wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“ passen nicht für jeden.
Das bestätigt Daniela Deutscher, die als Beratungslehrerin an der Globus-Gesamtschule gut zu tun hat. Von 120 Kindern eines Jahrgangs versuche etwa ein Drittel, die Hochschulreife zu erreichen. „Wir haben aber immer Abbrecher“, sagt Deutscher, auch ihnen müsse ein Weg aufgezeigt werden. Diese Schülerinnen und Schüler „brauchen jede Unterstützung“.
Nils-Christoph Ebsen hofft deshalb, dass das Career Center auch den Lehrern stärker unter die Arme greifen kann. „Wir wollen mit dem Angebot eine Lücke schließen.“
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>>URBANE ZUKUNFT RUHR
- Die Urbane Zukunft Ruhr ist ein Joint Venture der Stadt Duisburg und des Initiativkreises Ruhr, das binnen zehn Jahren in Hochfeld eine Transformation anstoßen soll.
- Drei Aktionsfelder beackern die Mitarbeiter: Bildung und Soziales, Wohnen und Öffentlicher Raum sowie Mobilität.
- Die Projekte sollen wissenschaftlich begleitet werden und als „Blaupause für die Region Ruhr“ dienen