Duisburg. Ihre Gemeinde in Duisburg aufzugeben, fällt den Mitgliedern nicht leicht. Aber zwei Gründe haben ihnen keine andere Wahl gelassen. Die Details.

Es ist ein Abschied, der weh tut. Aber für die Mitglieder der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde an der Vereinsstraße in Duisburg-Marxloh gibt es keine Alternative: Sie lösen ihre Gemeinschaft nach 124 Jahren auf. Am Sonntag, 30. Juni, feiern sie noch mit rund 100 Gästen ein großes Danke-Fest, dann ist Schluss.

Schon 2010 hat sich die Gemeinde verordnet, alle fünf Jahre einen kritischen Blick auf die Entwicklung zu werfen. Im Herbst 2023 war es wieder so weit. Am Ende stand die Erkenntnis, die Gemeinde aufzugeben. Es sind vor allem zwei Gründe, die dazu geführt haben: „Wir haben nur noch 35 Mitglieder, keines wohnt mehr hier. Und die Hälfte ist über 80 Jahre alt“, sagt Thomas Heimann, der seit seiner Geburt zur Gemeinde gehört. Er lacht: „Ich bin mit meinen 61 Jahren quasi ein Youngster.“

Der Bibelkreis hat sich zum letzten Mal an der Vereinsstraße getroffen. Mit dabei: Lars Gabler (vor Kopf), seine Frau Hildegard (l.) und Thomas Heimann (r.).
Der Bibelkreis hat sich zum letzten Mal an der Vereinsstraße getroffen. Mit dabei: Lars Gabler (vor Kopf), seine Frau Hildegard (l.) und Thomas Heimann (r.). © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Evangelisch Freikirchliche Gemeinde in Duisburg wird sich nach 124 Jahren auflösen

Die Mitglieder wohnen in Dinslaken, Voerde, Moers oder Alpen. Sie werden sich anderen Gemeinden anschließen. Heimann wechselt nach Kamp-Lintfort. Lars und Hildegard Gabler kommen aus Voerde und werden sich nach Oberhausen orientieren. Obwohl sie dort schon Leute kennen, fällt es ihnen allen nicht leicht. „Es sind schon einige Tränen geflossen“, bekennt Hildegard Gabler. Die ehemalige Lehrerin fühlt sich mit Marxloh verbunden. Sie hat hier an einer Schule unterrichtet, gibt jesidischen Frauen Deutschunterricht und hat bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie Kindern im Gemeindehaus Nachhilfeunterricht gegeben. „Ich habe es noch gar nicht richtig realisiert“, gibt Heimann zu.

Der Gebetssaal ist schon lange viel zu groß für die Gemeinde.
Der Gebetssaal ist schon lange viel zu groß für die Gemeinde. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Der Versuch, sich den anderen fünf kleinen Freikirchen im Umkreis zusammenzutun, um das Gebäude gemeinsam halten zu können, ist nicht gelungen. „Obwohl wir gut vernetzt sind“, bedauert Gabler. Ihr Mann Lutz ergänzt: „Wir hatten auch mit rumänischen und bulgarischen Gemeinden Kontakt. Wir haben aber keine Basis gefunden. Sie wollten bei uns ihre Gottesdienste feiern, wir aber nicht wie ein Vermieter auftreten.“

An dem Gebäude hat eine afrikanische Gemeinde aus Krefeld Interesse bekundet

Was jetzt aus dem Gebäude wird? Das ist Sache des Bundes Evangelisch Freikirchlicher Gemeinden mit Sitz in Berlin – er ist im Grundbuch eingetragen. „Wir haben den Wunsch, dass unsere Kirche sozial-diakonisch genutzt wird“, sagt Lutz Gabler und denkt dabei an Streetworker oder einen Winterspielplatz. Eine offizielle Profanierung, wie es bei katholischen Kirchen üblich ist, muss es nicht geben. Eine afrikanische Gemeinde aus Krefeld hat bereits Interesse an dem Gebäude bekundet. Sie denkt darüber nach, ihren Hauptsitz an die Vereinsstraße zu verlegen oder eine Zweigstelle zu eröffnen.

Zum Abschied werden alle Gäste einen Schlüssel bekommen. Die Tür der Kirche wird endgültig abgeschlossen, eine andere geht für die Gemeindemitglieder auf.
Zum Abschied werden alle Gäste einen Schlüssel bekommen. Die Tür der Kirche wird endgültig abgeschlossen, eine andere geht für die Gemeindemitglieder auf. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Angefangen hat alles vor 124 Jahren mit Hauskreisen. Die Baptisten trafen sich in ihren Wohnungen. Später hatten sie einen eigenen Betsaal an der Hans-Sachs-Straße in Obermarxloh. Dieser wurde 1944 im Krieg zerstört. Danach war die Gemeinde zu Gast in der Methodistenkirche an der Weseler Straße. Ihr heutiges Gebäude an der Vereins-/Ecke Dahlstraße in Marxloh konnte 1956 bezogen werden. Der Bau kostete inklusive Inneneinrichtung 266.000 D-Mark.

Herzstück ist der lichtdurchflutete Gebetssaal, in dem bis zu 400 Menschen Platz finden würden. „In unserer Blütezeit hatten wir ungefähr 180 Mitglieder. Das war in den 60er Jahren“, sagt Thomas Heimann. Damals erlebte Marxloh einen enormen Zuzug – die Menschen fanden sichere Arbeit bei Thyssen und im Bergbau. Zu der Kirche gehört ein Wohnhaus mit sechs Wohnungen.

Heute kommen höchstens 14 Mitglieder zu den Gottesdiensten in den großen Gebetssaal, einen eigenen Pastor hat man schon seit 2004 nicht mehr. Bei der Bibelstunde sind sogar nur sieben Baptisten dabei. Dieser Kreis macht so weiter, wie alles begonnen hat: Die sieben treffen sich reihum bei sich Zuhause. Aber einmal im Jahr, das hat die Gemeinde beschlossen, treffen sich alle Mitglieder zu einem Wiedersehen. „Wir sind schließlich alle gut miteinander“, sagt Hildegard Gabler.