Duisburg. Nach Türkei-Spielen zieht es Fans in Duisburg auf die Straße. Exklusive Einblicke vom Großeinsatz der Polizei und den Reaktionen am Samstagabend.
Es ist ein offenes Geheimnis: Wenn die türkische Community in Duisburg etwas feiert, dann verwandelt sie Europas größte Brautmodenmeile, den Altmarkt und vor allem den Vorplatz des Hamborner Amtsgerichts in eine Partymeile. Ob nach Wahlen oder beim Fußball, das Jubeln entlang der alten B8 ist längst zur Tradition geworden.
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Den Auftaktsieg der türkischen Nationalmannschaft am Dienstag haben Fans euphorisch bejubelt. Für das Spiel gegen Portugal war im Vorfeld klar, dass der Siegestaumel wiederholt werden würde – das richtige Ergebnis vorausgesetzt. Doch sogar die Niederlage lockte jetzt einige Duisburger mit ihren roten Fahnen und ihren Trikots auf die Straße. So lief der Großeinsatz der Polizei am Samstagabend:
EM 2024: Trotz Türkei-Niederlage feiern einige Fans in Duisburg
Polizeidirektor Christian Draeger rechnet kurz vorm Anstoß um 18 Uhr mit Autokorsos, sogar mit Verkehrschaos und mit feiernden Menschen auf den Straßen. Er leitet den gesamten Einsatz rund um das Türkei-Spiel. Aus Erfahrung weiß er, dass jetzt nicht nur friedliche Fußballfans unterwegs sind, sondern auch die Autotuner-Szene und „abenteuerlustige Jugendliche“, die sich unter die Fans mischen wollen, um Krawall zu machen.
Dass am vergangenen Dienstag nichts Schlimmes passiert sei, erzählt er, sei auch der großen Polizeipräsenz geschuldet. So wurden etwa Jugendliche gestellt, die unerlaubte Pyrotechnik abfackeln wollten. Das Partyvolk hat davon nichts mitbekommen.
Wegen der EM: Polizei ist in großer Zahl im Duisburger Norden unterwegs
Diesmal ist die Polizei ebenfalls in großer Zahl in Marxloh, Alt-Hamborn und Obermarxloh präsent – die genaue Personalstärke nennt die Behörde aus einsatztaktischen Gründen nicht. Aber nicht nur viele Polizistinnen und Polizisten sind auf der Straße und in ihren Streifenwagen, auch viele Menschen sind unterwegs an der Weseler Straße, Kinder wie Erwachsene. Offenkundig interessiert sie das Fußballspiel nicht, sie genießen das gute Wetter oder essen in Schnellrestaurants zu Abend.
Dennoch laufen in vielen Geschäften und Cafés die Fernseher für die Fußballinteressierten; das Cay‘la Café ist erneut einer der größten Treffpunkte fürs Public Viewing. Geschaut wird auch in den Cafés und Läden am und um den Hamborner Altmarkt, wo die Polizei die Lage mit zwei mobilen Kameras im Auge behält.
Die meisten Fußgänger reagieren freundlich auf die Streifenwagen und winken fröhlich. „Bei uns ist die Stimmung auch sehr gut“, sagt Polizeisprecherin Julia Tekock während der ersten Halbzeit. Die gute Laune wird den gesamten Abend so bleiben. Zwar herrscht Urlaubssperre und viele Polizisten können durch den Dienst die Spiele nicht selbst sehen, „aber wir alle haben Spaß an unserem Job. Dafür muss man berufen sein“, so Tekock.
Drücken denn am Samstag alle Einsatzkräfte den Portugiesen die Daumen, damit die Fußballparty kleiner ausfällt? Mitnichten! „Wir freuen uns über jubelnde Fans. Das ist schön. Fußball verbindet und bringt Freude“, sagt Dirk Heinlein, und viele Beamte und Beamtinnen stimmen ihm zu. Er leitet eine Duisburger Einheit aus erfahrenen Polizisten, die speziell für die Europameisterschaft zusammengestellt wurde. Ganz oft wird er samstags melden können, dass „alles ruhig“ ist.
So ruhig tatsächlich, dass sich die Polizisten in den Streifenwagen auch ganz stressfrei um einen kleinen Auffahrunfall kümmern können. Oder mehrere Autofahrer auf der Brautmodenmeile freundlich, aber bestimmt auffordern, ihren Wagen nicht in zweiter Reihe und nicht auf dem Fahrradweg stehen zu lassen.
Großer Autokorso bleibt aus
Nach dem Abpfiff – Portugal besiegt die Türkei mit 3:0 – hat das Präsidium längst viele Streifenwagen am Hamborner Amtsgericht zusammengezogen. Ein großer Autokorso, wie es ihn nach der Partie gegen Georgien noch gab, bleibt aus. Doch rotbeflaggte Autos fahren trotzdem vereinzelt ab 20.30 Uhr lauthupend durch den Duisburger Norden. Ein paar hatten vorm Gericht auf das Spielende gewartet. Die Türkei-Fans fahren im Kreis, sodass sich eine knappe Stunde später immerhin ein kleiner zusammenhängender Korso mit einer Handvoll Wagen bildet.
Mancher Fahrer lässt extra den Motor aufheulen, wenn er an der Polizei vorbeifährt. Die Beamten lassen sich aber nicht provozieren. Sie achten darauf, dass alles sicher abläuft. „Wir verfolgen Straftaten nicht nur konsequent, wir wollen Straftaten auch verhindern“, erläutert Kriminaloberkommissarin Julia Tekock und sieht dies teils durch die große Polizeipräsenz gewährleistet. Neben uniformierten Beamten sind, wie bei vielen Großeinsätzen, aber auch Zivilpolizisten inkognito im Dienst.
Sie alle treffen nicht auf Krawallmacher, sondern größtenteils auf normale Fußballfans. Ilo und Eno (beide 22) sind extra aus Homberg nach Hamborn gekommen, haben das Spiel auf dem Handy geschaut und sich eigentlich auf eine große Jubelfeier am Amtsgericht gefreut. Obwohl sie ausfällt, behalten die beiden ihre Türkei-Fahnen um die Schultern gebunden und zeigen so, dass sie noch ans Achtelfinale glauben.
Zu den deutschen Jubelmuffeln zählt Michael Wagner ausdrücklich nicht. Er ist mit einer Türkin verheiratet und begleitet heute seine achtjährige Tochter Meyza, die im Galatasaray-Trikot die entgegenkommenden Autos mit wehender Fahne begrüßt. Hup. Hup. Huuup. „Für uns ist das Ehrensache“, sagt der Vater, der mit seiner Tochter auch nach Deutschlandspielen feiert.
Die beiden sind überzeugt, dass es die Türkei noch in die K.O.-Runde schafft. „Und wenn nicht, geht für uns die Europameisterschaft ja trotzdem weiter,“ sagt Wagner und will mit der Familie auch die deutschen Spiele bejubeln.
Bilanz der Polizei Duisburg: Alles ruhig und friedlich
Derweil achtet Polizeisprecherin Julia Tekock mehr auf die wenigen Autos, die auch fast anderthalb Stunden nach Spielende immer noch beflaggt durch den Bezirk fahren. „Bei allem Spaß, aller Freude oder aller Trauer, auch ein Autokorso birgt Gefahren“, warnt sie. So verdecken einige Flaggen die Heckscheiben, andere werden aus dem Fenster gehalten und drohen unter die Räder zu kommen. Im Cabrio sind einige junge Frauen unachtsam beim Jubeln und nicht angeschnallt. „Wir erleben leider oft unschöne Bilder.“
Aber nicht am Samstagabend. Um 22 Uhr ist der Einsatz in Duisburg beendet. „Diesmal gab es keine besonderen Vorkommnisse“, zieht Julia Tekock Bilanz. Alles ruhig und friedlich. „So kann es aus unserer Sicht gerne weitergehen.“
>> Warnung vor Pyrotechnik bei Fan-Events
- Ob nach Fußballspielen der Türkei oder von Deutschland, für die Polizei ist Pyrotechnik in beiden Fangruppen ein Problem. Zumal durch die gut 2000 Grad heißen Bangalo-Flammen Menschen schwerverletzt werden können. Oder sie vergiften sich durch den Rauch.
- Entsprechend warnt die Polizei, Pyrotechnik einzusetzen und will dies möglichst unterbinden. Es droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro, aber zum Beispiel gefährliche Körperverletzung wird noch härter bestraft.