Duisburg. Die Integration von zugewanderten Schülern nach dem „Duisburger Modell“ läuft eigentlich gut. Warum jetzt Veränderungen für Unruhe sorgen.

In Duisburg werden mehr als 4000 zugewanderte Kinder und Jugendliche in die Regelschulen integriert. Doch auch nach einer zweijährigen „Erstförderung“ schaffen nicht alle Schüler einen Schulabschluss. Deshalb sollen zum kommenden Schuljahr Änderungen greifen, die den Jugendlichen den Übergang an ein Berufskolleg oder in eine Ausbildung erleichtern.

„Ort der Erstförderung“ in Duisburg soll Hauptschul-Dependance werden

Die Gneisenau-Schule in Neudorf, einer von zwei „Orten der Erstförderung“, soll künftig auch Hauptschule sein. „Die Stadt Duisburg hat beantragt, eine Hauptschul-Dependance einzurichten“, bestätigt die Bezirksregierung Düsseldorf. Sie habe sich „im Interesse der betroffenen Schülerinnen und Schüler für diese Vorgehensweise entschieden“, damit diese nach den Kernlehrplänen der Hauptschule den ersten Schulabschluss erwerben können. Er eröffne ihnen die Möglichkeit, entweder eine Ausbildung zu beginnen oder die Berufsfachschule eines Berufskollegs zu besuchen.

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Das „Duisburger Modell“ sieht vor, dass Kinder der Jahrgänge 5-7 eine bis zu zweijährige Erstförderung in internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) der Gesamtschulen absolvieren, um dort nach und nach in die Regelklassen integriert zu werden. Jugendliche der Jahrgänge 8-10 besuchen IVK an den Gymnasien, machen dort entweder den ersten Abschluss oder qualifizieren sich für den Besuch der gymnasialen Oberstufe.

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Weil Hunderte Plätze fehlten, wurden neben dem Alphabetisierungszentrum an der Gesamtschule Emschertal (Neumühl) im vergangenen Jahr zwei „Orte der Erstförderung“ für jeweils 100 Kinder und Jugendliche in der Gneisenau-Schule (Neudorf, Träger: Landfermann-Gymnasium) und an der Kranichstraße (Wanheimerort, Träger: Karl-Lehr-Realschule) eingerichtet. Die Erfahrungen seien durchweg positiv, berichten die Schulleiter Christof Haering und Stan Orlovic. Aber: Es gebe auch viele Schüler, die den Sprung ins Regelsystem nicht schaffen.

Zuwanderer sollen auf dem Weg zum Schulabschluss nicht noch mehr Zeit verlieren

Weil der Spracherwerb im Vordergrund stehe, könne bisher auch der Lehrplan für den Hauptschulabschluss nicht absolviert werden, erklärt Haering. „Wir wollen nicht, dass die Schüler noch mehr Zeit verlieren.“ Es gebe „eine Reihe von Seiteneinsteigern, deren Erstförderung am Ende des Schuljahres endet“, erkennt auch die Bezirksregierung. „Sie haben keine Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe, wegen ihres Alters kommt aber eine Beschulung in der Sekundarstufe I nicht infrage.“ Um ihre Schullaufbahn am Berufskolleg fortzusetzen, müssten sie dort zunächst den Hauptschulabschluss machen.

Bernd Beckmann, Schulleiter der Gesamtschule Meiderich und Schulformsprecher, steht am Donnerstag, 28.01.2021, im Treppenhaus seiner Schule in Duisburg.Foto: Martin Möller / Funke Foto Services
Bernd Beckmann, Schulleiter der Gesamtschule Meiderich und Schulformsprecher, steht am Donnerstag, 28.01.2021, im Treppenhaus seiner Schule in Duisburg.Foto: Martin Möller / Funke Foto Services © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Über die Altersgrenze und den Lernstand müsse man nachdenken, sagt auch Bernd Beckmann, Sprecher der Duisburger Gesamtschul-Leiter. „Die zwei Jahre der Erstförderung sind nicht der allein seligmachende Faktor.“ Statt also pauschal nach zwei Jahren in eine Regelklasse zu wechseln, werde diskutiert, das Sprachniveau B1 „als neues Steuerungselement“ für den Eintritt in den Bildungsgang Hauptschule einzubringen.

Zahl derer, die ohne Abschluss die Schullaufbahn beenden, soll möglichst klein sein

Viele Kinder und Jugendliche, die zunächst alphabetisiert werden müssen, „brauchen ein drittes Jahr“, sagt auch Stan Orlovic, Leiter der Karl-Lehr-Realschule. An Gymnasien gebe es mitunter „schwierige Diskussionen“, wenn man Schülern, die den Sprung in die Oberstufe nicht schaffen, erklären müsse, „dass es nun für sie keinen Platz mehr gibt und es am Berufskolleg weitergehen muss“, berichten Lehrkräfte. Gesamtschul-Sprecher Beckmann bringt es auf den Punkt: „Bei Schülern, die zu alt sind und keinen Abschluss erreichen, kommen wir ins Schwimmen.“

GESAMTSCHULEN: EINGLIEDERUNG DER IVK-SCHÜLER SORGT FÜR UNRUHE

  • An einigen Duisburger Gesamtschulen sorgt die große Zahl der zu integrierenden Mädchen und Jungen am Ende der Erstförderung in IVK-Klassen für Unruhe unter Eltern und Lehrern.
  • Weil die Klassen ohnehin bereits übervoll sind, könnte eine Auflösung der etablierten Klassenverbände in der Jahrgangsstufe 8 notwendig werden, um in neu formierten Klassen die IVK-Schüler einzugliedern. Dagegen wehren sich Eltern und Schüler.
  • Lehrer fürchten eine weitere Belastung: Sie unterrichten bereits Kinder mit unterschiedlichen Förderbedarfen ohne sonderpädagogische Unterstützung, nun könnten Schüler mit sprachlichem Nachholbedarf hinzukommen.
  • An eine Auflösung der IVK-Klassen sei allerdings nicht gedacht, betont die Bezirksregierung. „Sie können weiterhin in Absprache zwischen Schulaufsicht und Schulträger eingerichtet werden, die Personalversorgung wird sichergestellt.“