Duisburg. Hunderte Kinder drängen zusätzlich an die weiterführenden Schulen in Duisburg. Plätze fehlen. Wo es besonders eng wird und was geplant ist.

Die Situation der weiterführenden Schulen in Duisburg ist besorgniserregend. Es fehlen so viele Klassen, dass die Stadtverwaltung „das gesamte Repertoire zur Schulraumschaffung“ bedienen will. Um allen Duisburger Kindern einen Schulplatz anbieten zu können, sollen in den kommenden Jahren zwei weitere Gesamtschulen gebaut und mehrere Haupt- oder Realschulen gegründet werden.

Verwaltung, Politik und die Bildungsdezernentin beschrieben im Schulausschuss den „Notstand“. Schulplaner Dr. Tobias Terpoorten betont, dass sich die Lage „zuspitzt“, vor allem linksrheinisch entstehe ein massives Defizit. Alte Hauptschulstandorte sollen es jetzt retten, dafür wurde ein ganzes Maßnahmenpaket in eine Vorlage gezwängt. Die Vorhaben sind zusätzlich, die Schulbaugesellschaft investiert schon jetzt fast eine Milliarde Euro in 18 Schulbauprojekte.

Weiterführende Schulen in Duisburg: In allen Bezirken fehlen Klassen

Die von allen Seiten gewünschten kleineren Klassen „sehen wir nicht“, so der noch amtierende Schulamtsleiter Ralph Kalveram, „die Schüler kommen schneller als wir bauen können“. Bildungsdezernentin Astrid Neese betonte, dass man sich „über eine Vision von optimaler Beschulung einig“ sei, jetzt aber eine schwierige Situation lösen müsse. Der Plan stimme sie verhalten optimistisch, aber keiner wisse, welche Wanderungsbewegungen noch auf Duisburg zukommen.

Ratsfrau Barbara Laakmann (Linke) schlussfolgert, dass Kinder, die nicht in einer Kita waren, in großen Klassen landen „und da untergehen“. Dass der Plan die Schulform Hauptschule wieder mitdenkt, obwohl sich die Stadt davon vor Jahren verabschiedet hatte, erstaunt die ehemalige Hauptschulleiterin erst recht. Ralph Buchthal (Grüne) bezeichnet die Situation als „Riesen-Desaster“. Wenn bis 2030 Übergangslösungen gelten, dann betreffe das „die komplette Schulbiografie von Kindern“.

Massive Schwankungen bei den Geburtenzahlen

Aufgrund der gestiegenen Geburtenzahlen sowie der Zuwanderung sind im Schuljahr 2030 für 5260 Kinder künftig mindestens 181 Klassen nötig. Schon ab dem Schuljahr 2026/27 werden es über 5000 Kinder sein. Wie berichtet, haben bereits die Grundschulen damit zu kämpfen, fast 700 Kinder zusätzlich einzuschulen, zwei neue Grundschulen sind geplant.

In knapp zehn Jahren entstanden durch zusätzliche Züge an Gesamt- und Sekundarschulen 14 weitere Eingangsklassen. Das kommende Schuljahr beginnt mit 164 Eingangsklassen. Absehbar reichen aber auch diese nicht. Sie können maximal 4756 Fünftklässler aufnehmen, wenn im Schnitt 29 Kinder eine Klasse bilden.

Allein bei den Geburtenzahlen gab es in den vergangenen Jahrzehnten massive Schwankungen, die von 4132 im Jahr 2013 über 5191 im Jahr 2018 zu 4813 im letzten Jahr führten. Auch die Klassengröße beeinflusst den Schulraumbedarf. Um überhaupt den Bedarf decken zu können, will die Stadtverwaltung mit den maximal vom Schulgesetz erlaubten 29 Kindern pro Klasse planen.

Pädagogisch sei das zwar nicht empfehlenswert, akut aber nötig. Mittelfristig würden kleinere Klassengrößen angestrebt, insbesondere an den integrierten und inklusiven Systemen der Gesamt- und Sekundarschulen. Bernd Beckmann, Schulformsprecher der Gesamtschulen, betont, dass es „ein Unterschied wie Tag und Nacht ist“, ob 25 oder 29 Kinder in einer Klasse sind. Woher die vielen Lehrerinnen und Lehrer kommen sollen, die benötigt werden, ist auch noch offen.

Die Stadt arbeitet für die Schulentwicklung nicht innerhalb der sieben Bezirke, sondern mit vier Planungsregionen. Die Prüfung der folgenden Vorschläge hat die Politik im Schulausschuss mehrheitlich angenommen. Das letzte Wort hat der Rat der Stadt am 10. Juni.

So sollen die Eingangsklassen von 164 auf mindestens 181 aufgestockt werden:

Planungsregion I mit den Bezirken Walsum und Hamborn

In der Planungsregion I im Duisburger Norden eröffnet die Anne-Frank-Gesamtschule zum neuen Schuljahr vierzügig. Da der Neubau noch nicht fertig ist, wird die ehemalige Hauptschule an der Reichenbergerstraße dafür genutzt, die dreizügig war. Der Umzug ist zum Schuljahr 2027/28 geplant, danach könnte in den Gebäuden an der Reichenbergerstraße entweder eine selbstständige Haupt- oder Realschule entstehen. Alternativ schlägt der Schulträger vor, hier eine zweizügige Zweigstelle der Ludgerus-Hauptschule aufzumachen.

Das Raumpotenzial im Neubau der Anne-Frank-Gesamtschule, der anfangs nur von Kindern der Jahrgangsstufen 5 bis 8 benutzt wird, soll möglichst komplett genutzt werden. Dafür könnten von 2027 bis 2030 sieben statt sechs Eingangsklassen aufgemacht werden.

An der Sekundarschule Justus-von-Liebig sollen nach Vorstellung der Stadtverwaltung alle sechs Züge an einem Standort zusammengezogen werden. Dafür soll an der August-Thyssen-Straße gebaut werden. Am aufgelösten Standort Kalthoffstraße wäre Platz für eine weitere Haupt- oder Realschule.

In Zahlen: 1300 Kinder besuchen aktuell die Eingangsklassen, 2030 dann 1495 Kinder, der Klassenbedarf steigt von 47 auf 53.

Dr. Tobias Terpoorten vom Amt für schulische Bildung in Duisburg schlägt vor, zwei weitere Gesamtschulen zu gründen, um allen Kindern einen Platz anbieten zu können.
Dr. Tobias Terpoorten vom Amt für schulische Bildung in Duisburg schlägt vor, zwei weitere Gesamtschulen zu gründen, um allen Kindern einen Platz anbieten zu können. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Planungsregion II mit Meiderich/Beeck und Ruhrort

Hier wird es besonders eng, die bestehenden Schulen lassen sich kaum erweitern. Lediglich provisorisch könne man an der Aletta-Haniel-Gesamtschule von vier auf fünf Züge aufstocken, das sei aber genau zu prüfen.

Schüler aus Meiderich oder Beeck gehen auch jetzt schon zu Schulen im Norden oder in der Stadtmitte. Um ihnen künftig ein passendes Angebot „mit richtwertkonformen Klassengrößen“ anbieten zu können, schlägt Schulplaner Terpoorten vor, eine sechszügige Gesamtschule in Meiderich zu gründen.

In Zahlen: 644 Kinder sind aktuell in den fünften Klassen, 2030 werden es 800 sein, im Jahr davor sogar 870, der Bedarf steigt von 24 auf 30 und zurück auf 27,5 Züge.

Auch interessant

Planungsregion III mit Rheinhausen, Homberg und Baerl

Im Bezirk Rheinhausen wird mit einem „erheblichen Mehrbedarf“ gerechnet. Im Schuljahr 2028/29 fehlen fast neun Schuleingangsklassen.

Die Lise-Meitner-Gesamtschule könnte „bei Nachfragespitzen punktuell eine sechste Eingangsklasse aufnehmen“. Das Albert-Einstein-Gymnasium soll von vier auf fünf Züge erweitert werden. Baulich ist dafür Platz in der ehemaligen Hauptschule Schulallee, die als Teilstandort genutzt wird.

Die Erich-Kästner-Gesamtschule soll wegen erheblicher Baumängel neu gebaut werden. Der Neubau soll sechszügig werden. Ab 2025 sollen schon am alten Standort sechs Eingangsklassen aufgenommen werden. Der nötige Raum entsteht durch Klassencontainer.

Da das in Summe nicht reicht, soll auch hier der Bau einer zusätzlichen Gesamtschule geprüft werden. Andernfalls müssten Schüler künftig deutlich weitere Schulwege auf sich nehmen.

In Zahlen: 1057 Schüler starteten im aktuellen Schuljahr, 2030 sind es 1260, der Bedarf steigt von 36 auf 43,5 Klassen.

Auch interessant

Planungsregion IV mit den Bezirken Mitte und Süd

Vor allem im Bezirk Mitte ist der Bedarf gestiegen. Durch die sechszügige Gesamtschule in Wanheimerort, die 2027 eröffnen soll, werden vier Klassenzüge mehr angeboten, als benötigt werden. Durch die zentrale Lage zieht es aber schon immer Schüler aus anderen Bezirken in die Stadtmitte, die Engpässe werden das Phänomen noch verstärken.

Deshalb gibt es folgende weitere Planungen: Die neue Gesamtschule Mitte/Süd soll ab der Eröffnung mit sieben statt später sechs Klassen beginnen, um alle Räume nutzen zu können. Das Mannesmann-Gymnasium soll kurzfristig von sechs auf sieben Züge erweiterbar sein.

Das Landfermann-Gymnasium soll von fünf auf sechs Züge erweitert werden. Möglich sei das in Räumen der VHS an der Nahestraße, die bald frei werden. Auch die Karl-Lehr-Realschule soll vergrößert werden. Noch werden an der Dependance Kranichstraße Seiteneinsteiger beschult, ab 2025 sei es hier möglich, einen zusätzlichen Zug unterzubringen. Schulleiter Stan Orlovic schränkt allerdings ein, dass die Klassen sehr klein seien und er einen Regelbetrieb nicht für möglich hält.

Die ehemalige Hauptschule Gneisenaustraße, die aktuell ein Ort der Erstförderung für Zugewanderte ist, soll als Gründungsstandort für die neue Gesamtschule dienen. Danach, also vielleicht ab 2027, könnte man hier eine Haupt- oder Realschule gründen.

In Zahlen: 1420 Schüler sind aktuell in den fünften Klassen, 2030 sind es 1590, der Bedarf steigt von 53 auf 57 Klassen.

>>SCHULENTWICKLUNGSPLANUNG IN DUISBURG

  • Die letzte Planung wurde 2020 zur Entwicklung der Schullandschaft in Duisburg vorgelegt.
  • Die aktuelle Vorlage ist keine echte Schulentwicklungsplanung, sondern Notfallmanagement. Die vorgeschlagenen Möglichkeiten sollen geprüft werden.
  • Die weitere Entwicklung der Einwohnerzahlen durch Neubaugebiete wie die Duisburger Dünen und 6-Seen-Wedau sind in diesen Berechnungen noch nicht enthalten.

Auch interessant