Duisburg. Helena van Onna und Theresia Florin arbeiten in der St. Anna-Klinik in Duisburg. Wie sie Weihnachten erleben und was sie über Ungeimpfte denken.
Auf dem Flur der Intensivstation der Helios St. Anna-Klinik in Huckingen ist es an diesem vorweihnachtlichen Nachmittag vermeintlich ruhig. Doch dass dieser Eindruck täuscht, hängt mit dem modernen technischen Stand des Krankenflügels zusammen – und dem eingespielten Team, das hier tagtäglich um das Leben von Covid-19-Patienten kämpft.
Die Gesundheits- und Krankenpflegerinnen Helena van Onna und Theresia Florin, beide 24 Jahre alt, wirken gelassen, wenn sie von ihrer Arbeit berichten. „Ich habe mich daran gewöhnt“, sagt van Onna. „Am Anfang hat man noch mit den Ohren geschlackert, wenn das Beatmungsgerät höher einstellt wird, als es im Lehrbuch steht. Das ist eben kein Vergleich zu einer normalen Lungenentzündung. Es ist ein Drahtseilakt, weil es dem Patienten auch schaden könnte. Aber bei Corona-Patienten geht es nun mal nicht anders.“
In der Corona-Pandemie macht sich der Fachkräftemangel in der Pflege bemerkbar
Van Onna arbeitet seit rund drei Jahren auf der Intensivstation und hat somit alle vier Corona-Wellen erlebt. Für Florin, die erst seit knapp drei Monaten hier ist, ist die vierte Welle die erste auf der Intensivstation. Hier liegen nicht nur Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind. Aber gerade die Corona-Patienten, erklärt van Onna, seien besonders pflegeintensiv. Besonders hier mache sich der Pflegekräfte-Mangel bemerkbar.„Vorhin erst kam ein Patient, der eine OP hatte und zusätzlich mit Corona infiziert ist. Es hat allein zwei Stunden gedauert, ihn aufzunehmen“, berichtet van Onna: „Einen Patienten in Bauchlage zu drehen, erfordert bis zu fünf Personen, die anderen müssen dann irgendwie die Station am Laufen halten.“
Körperlich anstrengende Arbeit auf der Intensivstation
Es ist eine körperlich belastende Arbeit: „Man möchte unter der FFP3-Maske am liebsten Luft holen und ist voller Schweißflecken, weil man immer noch einen Kittel, eine Schutzbrille und mehrere Lagen Handschuhe trägt“, schildert Florin. Die Schutzausrüstung müsse jedes Mal gewechselt werden, wenn man den Raum mit einem Covid-Patienten verlasse. „Wir überlegen deshalb vorher genau, was wir mit rein nehmen müssen, um möglichst wenig Personal einzubinden.“
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Zum Glück für das Pflegeteam sind die Mitarbeitenden mit Funk-Headsets verbunden – die Ergebnisse der Blutprobe erhalten die Pflegekräfte so aufs Ohr, ohne den Raum verlassen zu müssen. Doch die moderne Technik allein hat zwischenzeitlich nicht mehr ausgereicht in der Pandemie. „In der zweiten und dritten Welle haben wir bereits aussortierte Geräte wieder eingesetzt, um die Leute irgendwie beatmen zu können“, so van Onna.
Piepende Geräte nachts im Traum
Und auch wenn die Geräuschkulisse, all das Piepen, Bimmeln und Blinken der Geräte auf das Notwendigste reduziert ist, hinterlässt es Spuren. „In der ersten Phase habe ich davon geträumt, dass etwas piept oder wollte mir im Halbschlaf das Headset anziehen“, sagt Florin. „Es kann passieren“, wendet van Onna ein, „dass ich gerade zwei Stunden in einem Zimmer war und plötzlich alle Geräte gleichzeitig läuten. Oder dass die Sauerstoffsättigung beim Umlagern absinkt. Bei Corona-Patienten gilt: Erwarte das Unerwartete.“
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Das Virus könne auch eine Blutvergiftung hervorrufen, die zu einem Multiorganversagen führt. „Wir hatten in den vier Wellen das komplette Spektrum an Verläufen“, sagt van Onna. Viele Menschen müssen nur zwei bis drei Tage auf der Intensivstation behandelt werden. „Corona-Patienten bleiben dagegen oft Wochen, Monate“, so die 24-jährige. „Sobald sie intubiert werden müssen, haben sie nur noch eine Überlebenschance von 50 Prozent. Anschließend müssen sie von der Beatmung entwöhnt werden. Aber es kann sein, dass wir sie direkt wieder sedieren müssen, sobald sie wach sind.“
Daran, dass Rettung oft trotz aller Bemühungen nicht möglich sei, werde sie sich nie gewöhnen, sagt van Onna: „Es ist immer traurig, auch, weil man so lange mit den Patienten zusammengearbeitet hat. Ich weiß von allen, die lange bei uns waren und gestorben sind, noch die Namen.“
Verständnis für Ungeimpfte – solange sie sich an die Regeln halten
Besuch von Angehörigen dürfen Corona-Intensivpatienten nicht erhalten, nicht einmal vom Fenster aus. „Wir versuchen aber, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Handy ist erlaubt und wir hängen Bilder in ihrem Zimmer auf, weil sie oft sehr lange dort bleiben. Viele Angehörige legen zudem Kuscheltiere vor die Stationstür.“ Ungeimpft, so schätzen sie, sei ungefähr die Hälfte ihrer Corona-Patienten. Doch die beiden Fachkräfte zeigen sogar Verständnis: „Ich habe da einen offenen Blick drauf. Jeder Mensch hat seine Gründe, warum er ungeimpft ist und kritisch eingestellt ist“, sagt Theresia Florin. „Sauer werde ich erst, wenn jemand ungeimpft ist, dann aber lustig feiert und hinterher seine Oma besucht. Denn die landet schlussendlich bei uns.“ Sie frage nicht nach dem Impfstatus, fügt van Onna hinzu. „Die meisten Leute arbeiten auch nicht mit Corona-Patienten zusammen, sondern ärgern sich, dass sie sich in ihrer Freizeit einschränken müssen.“
Leere Betten, weil das Personal nicht mehr Patienten behandeln kann
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Das Team hat sich mittlerweile der Situation angepasst. Und doch sind die ein, zwei leeren Betten auf der Station dem Personalschlüssel geschuldet. „Wir nehmen nur so viele Patienten auf, wie hier auch behandeln können“, erklären die beiden jungen Frauen. Die Belastung sei weiterhin hoch: „Du gehst nach dem Dienst nach Hause und stellst fest, dass du nicht einmal auf dem Klo warst oder etwas getrunken hast. Und wenn Freunde fragen, ob ich noch mit zum Sport komme, sage ich: Mein Sport ist meine Arbeit“, schildert Florin. „Ich muss da eine Balance finden, die suche ich aber noch.“
Weihnachten auf der Station mit der Hoffnung auf ein paar freie Minuten
Zum Glück achteten alle im Team aufeinander: „Wir versuchen, gegenseitig für Entlastung zu sorgen. Und auch der Kontakt zu den Ärzten ist sehr gut“, sagen die beiden. „Ich bewundere auch die erfahren Kollegen, wie sie einfach gelassen bleiben, wenn ein Notfall auftritt – so möchte ich auch einmal werden“, ergänzt Theresia Florin. Auch an den Weihnachtstagen werden die beiden Intensivpflegerinnen im Dienst sein. „Es sind Tage wie jeder andere“, meint van Onna. „Ich hoffe, jeder bringt etwas Leckeres zu essen von zu Hause mit.“
>> NEUE INTENSIVSTATION IM ST. ANNA SEIT DEM FRÜHJAHR IN BETRIEB
- Ende April hat die Helios St. Anna-Klinik in Huckingen ihre neue Intensivstation und Notaufnahme eröffnet. Für 20 Patienten ist in dem Neubau Platz. Die Patientenzimmer sind deutlich größer und jedes Bett ist mit einem eigenen Beatmungsgerät ausgestattet.
- Alle Monitore, Infusionssysteme und weitere Geräte sind an einem Schienensystem an der Decke montiert. Dazu ist jeder Platz kameraüberwacht und alle Daten der Patientenüberwachung laufen am Stationsstützpunkt auf. So kann das Team reagieren, noch bevor ein Alarm ausgelöst wird.