Duisburg. Der Duisburger Pianist Kai Schumacher kreiste mit Gästen um die Goldberg-Variationen. Ein technisch perfekter Abend – mit musikalischen Abzügen.
Wie hätte Johann Sebastian Bach wohl geklungen, wäre er Barpianist gewesen? Vermutlich so wie im Arrangement seiner berühmten Goldberg-Variation des Duisburger Pianisten Kai Schumacher, mit dem er und das Signum Saxophone Quartet am Freitagabend ihr Konzert in der Mercatorhalle eröffneten. Zur fünften Ausgabe seiner „Kai & Friends“-Reihe hatte sich Schumacher nicht nur das Saxophon-Quartett, in diesem Jahr Artists in Residence der Duisburger Philharmoniker, sondern auch ein Streichtrio eingeladen.
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Zusammen hangelten sich die acht Musiker in den „Goldberg Nights“ an Bachs Variationen entlang. In einem äußerst spannenden, programmatischen Konzept machten sie dabei Ausflüge zu anderen Komponisten, deren Werke sich auch um die Nacht und den Schlaf drehen. Denn, so erzählt es die Legende, die Goldberg-Variationen schrieb Bach als Schlaflieder für seinen Schüler Johann Gottlieb Goldberg, der als Hofmusiker mit einem schlaflosen, fürstlichen Dienstherren zu kämpfen hatte. Das Publikum in der gut gefüllten Mercatorhalle erlebte einen technisch perfekten Konzertabend – mit einigen wenigen musikalischen Schwächen.
Saxophon-Quartett ist in Duisburg im Swing aufgeschmissen
Eines vornweg gesagt: Ausnahmslos alle Musiker auf der Bühne lieferten eine technische Glanzleistung ab. Selbst die komplexesten Arrangements, meist von Kai Schumacher und den Saxophonisten geschrieben, klangen federleicht. Und doch blieb – wenn auch selten – hin und wieder die Musik auf der Strecke. Gleich zu Beginn etwa zeigte das Signum Saxophone Quartet, dass die vier Mitglieder durch und durch klassische Musiker sind. Das ist nichts Schlechtes, die Präzision und den sanften, klarinettenhaften Klang der Saxophonisten wird man im Jazz vergeblich suchen.
Und doch: In der geswingten Goldberg-Barversion gleich zu Konzertbeginn sind die Holzbläser hörbar aufgeschmissen. Selbstverständlich spielen sie das Arrangement fehlerlos und hochpräzise, doch so klingt es auch. Ternäre Achtelnoten, kurz gesagt „Swing-Achtel“, machen kein Stück automatisch zur lockeren Swingnummer, da helfen auch keine verwegenen Bewegungen, wenn sich mal ein alterierter Akkord einschleicht.
Klassisch gehaltene Stücke beeindrucken in der Mercatorhalle Duisburg
Seine ganze Weltklasse zeigt das Oktett stattdessen, wenn es an die klassisch gehaltenen Nummern geht. Franz Schuberts „Nacht und Träume“ im Arrangement von Kai Schumacher schwebt nur so durch die Mercatorhalle. Gleich mehrfach schleicht sich Thelonious Monks „’Round Midnight“ ins Konzert, und als orchestrale, symphonische Version klingt das Stück ganz hervorragend.
Ein Höhepunkt ist das kleine „Goldberg-Battle“, in dem sich alle drei Musiker (-gruppen) verschiedene Goldberg-Variationen vornehmen und eindrucksvoll zeigen, warum an der Entstehungslegende um den schlaflosen Fürsten doch etwas dran sein könnte. Denn hier und da nickt ein Gast kurz weg, umschmeichelt von den sanften Klängen, die von der Bühne herüberwehen.
Claude Debussy schmeichelt in Duisburg zum Schluss den Ohren
Das letzte Konzertdrittel ist dann ein riesiges Crescendo mit einer wohligen Implosion zum Schluss. Kai Schumacher vertieft sich eindrucksvoll in eigene und Steve Reichs Minimal-Kompositionen und erntet für seine hypnotischen Soundwände zurecht euphorischen Beifall. Für Steve Reichs „Electric Counterpoint“ loopt der Duisburger sogar live auf der Bühne.
Wahnsinnig viele Töne in wahnsinnig kurzer Zeit. So lässt sich das Ende der „Goldberg Nights“ zusammenfassen, zumindest bis Claude Debussy einen unerwarteten, aber willkommenen Auftritt hat. Sein wunderbar träumerisches „Claire de Lune“ – Filmfans kennen es aus der Fontänenszene in „Ocean’s Eleven“ – lässt den Abend sanft die letzte Goldberg-Variation gleiten. Mit ihr und ständigen Ovations, endet der Konzertabend, und lässt auf die Ideen hoffen, die Kai Schumacher für sein nächste „Kai & Friends“ in petto hat.
>> LICHT UND PROJEKTION VON „WARPED TYPE“
- Hinter den acht Musikern waren am Samstag weiße Stellwände aufgebaut. Die bespielte das Bewegtbild-Kollektiv Warped Type mit minimalistischen Projektionen, die das musikalische Geschehen um eine Ebene erweiterten.
- Andreas Huck und Roland Nebe von Warped machten sich aber auch die Mercatorhalle selbst zunutze. Wunderbar passend erstrahlten die LED-Leisten in den Wänden der Halle hin und wieder in bunten Farben.